Kirchenjahr - Advent
Advent: eine Zeit des Wartens
"Wir haben Gott dadurch, dass wir ihn (noch) nicht haben ... Wenn wir in Hoffnung und Geduld warten, dann ist die Kraft dessen, worauf wir warten, in uns schon wirksam.
Wer in einem unbedingten Sinne wartet, ist nicht weit entfernt von dem, worauf er wartet.
Wer mit absoluter Ernsthaftigkeit wartet, ist schon von dem ergriffen, worauf er wartet.
Wer in Geduld wartet, hat schon von dem empfangen, auf das er wartet.
Wer leidenschaftlich wartet, trägt schon die Kraft dessen, auf das er wartet, in sich und ist fähig, Leben und Geschichte zu verändern.
Wir sind stärker, wenn wir warten, als wenn wir besitzen."
Paul Tillich
Advent bedeutet Ankunft
Advent bedeutet Ankunft. Es geht um eine vierfache Ankunft Gottes:
- Advent: die Ankunft Jesu in Jerusalem, wo er als Messias einzog
- Advent: die Ankunft Christi in Macht und Herrlichkeit als Weltrichter
- Advent: die Ankunft Jesu in unsere Herzen
- Advent: die Ankunft Jesu in Maria
Fastenzeit
Advent war früher eine Fastenzeit.
Fasten soll einem helfen, sich mit Ernsthaftigkeit und mit reinem Herzen auf die Ankunft Christi vorzubereiten.
Das Fasten in der Adventszeit (wie vor Ostern) gründet sich auf die Begebenheit, dass der Sündenfall durch Essen vollzogen wurde.
Fasten ist eine Erinnerung an den Sündenfall.
Dementsprechend gab es einmal die Sitte, dass es verboten war, am 24. Dezember (Tag von Adam und Eva) Äpfel zu essen.
Die Sündenfallgeschichte: Vorlage für die Symbolik der Adventszeit
Die Sündenfallgeschichte (1. Mose 2, 15f. – Auszüge)
'Vertreibung' - 1983,
Walter Habdank. © Galerie Habdank
Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte. Und Gott der HERR gebot dem Menschen und sprach: Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm issest, musst du des Todes sterben...
Aber die Schlange war listiger als alle Tiere auf dem Felde, die Gott der HERR gemacht hatte, und sprach zu dem Weibe: Ja, sollte Gott gesagt haben: ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten? Da sprach das Weib zu der Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten; aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esset nicht davon, rühret sie auch nicht an, dass ihr nicht sterbet! Da sprach die Schlange zum Weibe: Ihr werdet keineswegs des Todes sterben, sondern Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esset, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist. Und das Weib sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon, und er aß. Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan...
Da wies ihn Gott der HERR aus dem Garten Eden, dass er die Erde bebaute, von der er genommen war. Und er trieb den Menschen hinaus und ließ lagern vor dem Garten Eden die Cherubim mit dem flammenden, blitzenden Schwert, zu bewachen den Weg zu dem Baum des Lebens.
'Adam und Eva', Lucas Cranach um 1513
Warum vier Kerzen und vier Sonntage?
Nach einer kirchlichen Auslegungstradition ist Jesus 4000 Jahre nach Adam geboren und seine Geburt galt als Antwort auf den Sündenfall. 4 Sonntage / 4 Adventskerzen entsprechen einer 4000-jährigen Wartezeit auf Jesus.
Wie entstand diese Zahl?
Die Bibel führt die Generationen seit Adam und Eva auf. Das Lukasevangelium zum Beispiel bietet einen Stammbaum Jesu, der auf Adam zurückgeht (Lukas 3, 23 – 38). Anhand der biblischen Geschichte lässt sich eine Zahl von ungefähr 4000 Jahren ausrechnen.
- Anhand der biblischen Auflistung der Generationen berechnete das Judentum, dass die Schöpfung 3760 vor der Zeitrechnung stattfand.
- James Usscher (1581 – 1656), anglikanischer Erzbischof, berechnete, dass sich die Schöpfung 4004 Jahre vor Christus ereignete.
Nach kirchlicher Auslegungstradition gibt es in der Sündenfallgeschichte die erste prophetische Verheißung der Bibel, die auf Jesus hinweist:
Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir (der Schlange) und der Frau (Eva) und zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen; der soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen. (1. Mose 3, 15)
Die Kreuzigung Jesu galt als der Moment, in dem Jesus den Kopf des Teufels zerschmettert hatte, und in der er in die Ferse gestochen wurde (mit einem Kreuzigungsnagel).
In einem Weihnachtslied („Kommt und lasst und Christum ehren“) heißt es dementsprechend:
Jakobs Stern ist aufgegangen,
stillt das sehnliche Verlangen,
bricht den Kopf der alten Schlangen
und zerstört der Höllen Reich.
(Paul Gerhardt, 1666)
Und in einem Weihnachtslied, das 1560 in Wittenberg entstanden ist, heißt es:
Er hat erlöset uns vom Tod
Und wieder bracht zu Gnad bei Gott;
Er heilt der giftgen Schlangen Biß,
den wir bekamen im Paradies.
Lob, Preis und Dank sei Gott bereit’
Für solche Gnad in Ewigkeit.
Urvorlage des Weihnachtsbaums
Der 24. Dezember ist im Kirchenkalender der Tag von Adam und Eva. Dieser Tag kommt unmittelbar vor dem Christfest, um den Zusammenhang zwischen dem Sündenfall und der Menschwerdung Gottes in Jesus deutlich zu machen. Ab dem 13. Jahrhundert wurde die Sündenfallgeschichte vor Kirchenportalen am 24. Dezember vorgespielt. Die Kirchentür repräsentierte die Pforte zum Paradies. Der Baum, von dem Adam und Eva aßen, wurde durch einen Tannenbaum dargestellt, an dem Äpfel hingen (wobei die Bibel von „Frucht“ spricht, ohne sie zu identifizieren). Hier ist die ursprüngliche Vorlage für den Christbaum. Im Laufe der Zeit wurden aus den Äpfeln Kugeln.
Äpfel und Oblaten
Aber es gab offenbar zwei Bäume im Garten. Adam und Eva wurden von dem Paradiesgarten vertrieben, damit sie nicht von dem „Baum des Lebens“ essen und ewig leben. Denn in einem Zustand der Entfremdung von Gott ewig zu leben wäre buchstäblich die Hölle. Deshalb ist es eine Barmherzigkeit, dass der Mensch sterben darf, denn auf diese Weise kann er zu dem ursprünglichen paradiesischen Zustand zurückkehren. Christus hat durch seine Opferhingabe das Tor zum Paradies eröffnet, was deutlich wurde als er zu dem Kreuzigungsopfer zu seiner rechten Seite sagte: 'Heute wirst du mit mir im Paradies sein.' Um den Baum des Lebens darzustellen, wurden Abendmahlshostien (auch Oblaten genannt) neben den Äpfeln an den Baum der Versuchung gehängt: sie symbolisieren Christus, das Brot des Lebens. Deswegen entstand offenbar die Sitte, Lebkuchen auf Oblaten zu backen, denn Lebkuchen hat dieselbe Gestalt wie einstige Abendmahlsbrote und repräsentieren deshalb Christus, das Brot des Lebens.
Paradies
Christus hat durch seine Opferhingabe das Tor zum Paradies eröffnet, was deutlich wurde als er zu dem Kreuzigungsopfer zu seiner rechten Seite sagte: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ Am 24. Dezember (dem Tag von Adam und Eva) wird dieses Osterereignis voraus gefeiert. Das Lied 'Lobt Gott ihr Christen alle gleich' gehört nach evangelischer Tradition unbedingt zum Abend des 24. Dezembers. Denn in der letzten Strophe heißt es: "Heut schleußt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis, der Cherub steht nicht mehr dafür, Gott sei Lob, Ehr und Preis." Der Inbegriff des Paradieses ist die innige, unmittelbare Gemeinschaft mit Gott, symbolisiert durch die offene Pforte des Paradiesgartens.
PSch
Predigten und Geistliches Wort zum Advent
Wir danken Frau Friedgard Habdank sehr herzlich, dass sie uns die Bilder ihres Mannes auf so großzügige und kostenlose Weise zur Verfügung gestellt hat. © Galerie Habdank, www.habdank-walter.de.
'Adam und Eva' von Lucas Cranach, um 1513, gehört zum "Public Domain", weil sein Copyright abgelaufen ist.