Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Geistliches Wort - 24. Dezember, Tag von Adam und Eva

Der 24. Dezember ist im Kirchenkalender der Tag von Adam und Eva. Die Kirche setzte diesen Tag unmittelbar vor das Christfest, um damit anzuzeigen, dass die Menschwerdung Gottes den Zugang zum Paradiesgarten wieder eröffnen sollte. Und deswegen kommt das Thema Paradies in manchen Weihnachtsliedern vor - zum Beispiel heißt es in dem Lied, das traditionsgemäß für Heiligabend vorgesehen ist: „Heut schleußt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis“. Diese Symbolsprache bedeutet, dass Jesus die gebrochene Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch wiederhergestellt hat, die im Garten Eden ursprünglich bestand. („Eden“ ist übrigens das hebräische Wort für Wonne.) Es gibt in uns Menschen manchmal ein unterschwelliges Wissen, dass wir für ein Paradies bestimmt sind. Zum Beispiel: es gab während der Zeit des Dritten Reiches in Ravensbrück ein Konzentrationslager, in dem zwei holländischen Frauen inhaftiert waren: sie hießen Corrie und Betsie ten Boom und waren Schwestern. In diesem Lager gab es die bekannten Grausamkeiten: brutale Wächter, Hunger, Erniedrigungen, keinen Schutz gegen die eisige Kälte des Winters, keine Möglichkeit, sich richtig zu waschen, Anfälligkeit für Krankheiten.

Und in dieser unzumutbaren Situation haben die beiden Schwester, die Christinnen waren, einen Plan ausgearbeitet, wie sie sich nach dem Krieg um die Menschen kümmern würden, die in solchen Lagern gefangen waren – sogar um die Wächter. Betsie, die im Lager starb, hatte eine Vision von einem Heim, in dem sie und ihre Schwester sich um ehemalige Gefangene und Wächter liebevoll kümmern würden, um zu bezeugen, dass die Liebe Gottes größer ist als alles andere. Und zu dieser Vision gehörte ein Garten: das Haus, in dem die KZ-beschädigte Menschen wohnen, sollte einen großen Garten haben, in dem die Bewohner Blumen selber pflanzen und versorgen könnten. Es ist, als ob sie diese beschädigten Menschen in den ursprünglichen Zustand im Garten Eden zurückversetzen wollten, in dem der erste Beruf Gärtner war, denn Adam war von Gott beauftragt, den Garten zu verwalten und zu pflegen.

Nach dem Krieg wurde diese Vision von Corrie, der überlebenden Schwester, verwirklicht. In Holland wurde das passende Haus mit Garten gefunden, und ab Juni 1945 begann dort die Arbeit. Die Menschen, die dorthin kamen, waren alle an Leib und Seele beschädigt. Und es wurde festgestellt, dass der Heilungsprozess fast unweigerlich in dem Garten anfing, so wie die verstorbene Schwester es vorausgesagt hatte.

Diese Begebenheit kann als Gleichnis dienen: Wir Menschen sind beschädigt – in dem Sinne, dass wir von dem lebendigen Gott entfremdet sind. Aber wir werden eines Tages Heil erfahren -- und das biblische Bild für Heil ist der Garten Eden. Archäologen und Historiker haben festgestellt, dass Jesus, als er zur Hinrichtungsstätte geführt wurde, aus der Stadt Jerusalem durch das damalige Gennathtor (= Gartentor) hinausging, denn direkt neben der Kreuzigungsstätte an Golgatha war ein Garten, wie das Johannesevangelium bezeugt.

Es ist also ein auffallendes Motiv: Adam und Eva wurden aus einem Gartentor vertrieben, und Jesus zog durch ein Gartentor in einen Garten hinein. Und dementsprechend sagte Jesus zu einem, der neben ihm am Kreuz hing: „Wahrlich ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ Später wurde Jesus in einem Garten begraben. Und am Ostermorgen, als Maria Magdalena den Auferstandenen dort in der Nähe des Grabes sah, hat sie ihn nicht erkannt, sondern meinte, er wäre der Gärtner (= Jesus ist der neue Adam, der Anfang einer neuen Menschheit).

Das heißt: dort in dem Garten nordwestlich von Jerusalem wurde der Zugang zum Paradies wieder eröffnet. Nicht in Bethlehem, sondern in dem Gartengrab fand die Menschwerdung Gottes in Jesus seine Vollendung. In einem Gartengrab wurde der Zugang zum Paradies für alle wieder geöffnet. Und das ist es, was wir am 24. Dezember feiern, wenn wir abends singen:

„Heut schleußt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis, der Cherub steht nicht mehr dafür, Gott sei Lob, Ehr und Preis.“

Phil Schmidt