Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Evangelisches Frankfurt, Juni - Juli 2008, 32. Jahrgang . Nr.4

Schlangestehen für fünf Euro

Jeder vierte Deutsche ist arm oder von Armut bedroht, sagt die Statistik. Doch was heißt das für die Betroffenen selbst? Solidarität mit den Armen, dieses traditionelle Anliegen der Kirchen, ist heute wieder höchst aktuell.

Elisabeth Walter war ziemlich verschwenderisch: Sie hat für ein paar Tage ihre Nichte in Düsseldorf besucht. Das hat der 45-Jährigen ein ganz schönes Loch ins Budget gerissen. Denn die arbeitslose Industriekauffrau lebt zusammen mit ihrem achtjährigen Sohn seit drei Jahren von „Hartz IV“. Die beiden können zusammen im Monat um die 700 Euro ausgeben. Eine Reise nach Düsseldorf mit den Fahrtkosten, dem Eintritt in den Kölner Zoo, Eis essen Gehen und U-Bahn-Fahren fällt da ganz schön ins Gewicht.

Jeder vierte Deutsche ist arm oder muss mit staatlichen Leistungen vor Armut bewahrt werden: Dies ist das Ergebnis des jüngsten Armuts- und Reichtumsberichtes der Bundesregierung. Aber was heißt das: arm sein? Wie erleben Menschen, die mit sehr wenig Geld auskommen müssen, ihre Situation? Die Sozialwissenschaftlerin Anne Ames hat im Auftrag der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau rund 300 Hartz-IV-Empfängerinnen befragt. Und tatsächlich steht die materielle Not ganz oben auf der Liste der Klagen: Neunzig Prozent der Befragten leiden unter dem Geldmangel. Gespart wird in erster Linie an Ausflügen, Freizeit und Erholung, aber schon an zweiter Stelle an der Ernährung. Doch das knappe Geld ist nicht der einzige Punkt. Über siebzig Prozent der Befragten vermissen es, ihre Fähigkeiten einsetzen zu können, fast sechzig Prozent fehlen die Kontakte zu anderen Menschen.

Die Situation von armen Menschen unterscheidet sich oftmals stark voneinander. Dies hat Thomas Wagner bei seinem Projekt „Draußen – Leben mit Hartz IV“ erfahren. Dafür hat der Frankfurter Theologe und Pädagoge Interviews mit Menschen wie Elisabeth Walter geführt und dokumentiert (Lambertus-Verlag). So unterschiedlich die in dem Buch geschilderten Beispiele sind, so deutlich wird das Dilemma: Auf dem Arbeitsmarkt haben diese Menschen kaum noch Chancen. Das Thema wird daher nicht so schnell von der Tagesordnung verschwinden.

Antje Schrupp

Beispiel Dreikönigsgemeinde

Vom Mainufer bis Neu-Isenburg

Schlangestehen für einen Einkaufsgutschein: Bedürftige warten vor dem Büro der Dreikönigsgemeinde.

Foto: Rolf Oeser

„Ich hab nichts zu essen, können Sie mir ein bisschen Geld geben?“ Mit solchen Anfragen sind Kirchengemeinden häufig konfrontiert. Oft gibt es ein gewisses Budget, aus dem Gemeindesekretärinnen dann unbürokratisch helfen können. Einige Gemeinden haben Systeme entwickelt, damit es möglichst gerecht zugeht. In der Dreikönigsgemeinde in Sachsenhausen zum Beispiel werden einmal pro Woche Einkaufsgutscheine ausgeteilt, die im benachbarten Supermarkt eingelöst werden können – außer für alkoholische Getränke, Tabak und Rasierwasser. Pro Kopf gibt es einmal im Monat fünf Euro, alles ordentlich auf Karteikarten vermerkt, wie Helga Schleiffer, eine der drei ehrenamtlichen Organisatorinnen, erklärt. Finanziert wird das Ganze durch Spenden. Doch die Situation sei prekär. In letzter Zeit sei die Nachfrage „irre angestiegen“, sagt Schleiffer. Jede Woche kämen inzwischen weit über hundert Menschen, um sich für ihren Fünf-Euro-Gutschein anzustellen.

Antje Schrupp

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