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Predigten von Prädikantin Ursula Schmidt: Matthäus 28, 16 – 20 Jesu Testament

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Die Zwölf Apostel überragt von Christus Pantokrator

Die Zwölf Apostel überragt von Christus Pantokrator in einem Medaillon', 21. Jahrhundert

6. Sonntag nach Trinitatis

Jesu Testament Matthäus 28, 16 – 20

Predigt gehalten von Prädikantin Ursula Schmidt 2009

HERR, öffne meinen Mund und unsere Herzen für DEIN ewiges Wort, AMEN!

Liebe Gemeinde!
Erschrecken Sie bitte nicht, denn jetzt wird ein etwas heikles Thema angesprochen.
Vielleicht denken Sie ,Sie wären an einem falschen Ort, wenn Sie hören, worum es sich hier und heute dreht.
Vielleicht denken Sie sogar daran, sofort aufzustehen und diesen Raum wieder zu verlassen. Bitte bleiben Sie trotzdem, auch wenn Sie das Thema erschrecken sollte.
Es geht nämlich heute um ein Testament!

Wie viele von Ihnen waren schon einmal dabei, als ein Testament eröffnet wurde?
Wie viele von Ihnen haben sich schon einmal über ein Testament gefreut oder geärgert?
Wie viele von Ihnen haben sogar schon ein eigenes Testament gemacht?
Keine Angst, ich bin keine Psychologin, die Ratschläge gibt, wie man ein Testament verdauen kann. Ich bin auch keine Rechtsanwältin, die erklärt, wie man ein Testament verfassen sollte.
Aber trotzdem spreche ich heute über ein Testament.

Denn das Testament, um das es heute geht, betrifft uns alle, es ist nicht nur ein sehr wichtiges Testament, es ist sogar ein überlebenswichtiges Testament.
In diesem Testament sind wir alle nicht nur bedacht, wir alle sind nicht nur seine Erben, sondern wir alle werden sogar dazu aufgefordert, Testamentsvollstrecker dieses Testaments zu werden!
Das Testament, um das es heute geht, kennen wahrscheinlich die meisten von Ihnen, vielleicht kennen Sie es sogar auswendig.
Dieses Testament ist nämlich der Predigttext, der für den heutigen Sonntag vorgeschlagen ist.

Lassen Sie mich nun dieses Testament verlesen.
Es steht im Matthäus- Evangelium, im 28. Kapitel in den Versen 16 bis 20:

Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten. Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Dieses Testament steht an einer ganz prominenten Stelle der Bibel, nämlich am Schluss des Matthäus-Evangeliums in den allerletzten Versen.
Im Volksmund gibt es die Redeweise „Matthäi am letzten“, und damit sind gefährliche, auswegslose Situationen gemeint. Wenn „Matthäi am letzten“ ist, hat man allen Mut verloren, man hat keine Aussicht auf ein gutes Ende, hat man alle Hoffnung verloren.

Und offensichtlich müssen sich einige der Anhänger Jesu genauso gefühlt haben, nämlich diejenigen, von den es heißt „etliche aber zweifelten“.
Eigentlich kein Wunder – nach all den schockierenden Ereignissen des letztes gemeinsamen Mahles mit Jesus, nach dem schrecklichen Verrat des Judas, nach der plötzlichen Gefangennahme im Garten Gethsemane, nach der grausamen Folterung und dem brutalen Tod Jesu am Kreuz.
Und dann hatte auch das leere Grab die Jünger entsetzt und misstrauisch gegenüber den Frauen gemacht, die davon berichtet hatten, Jesu sei von den Toten auferstanden.
Kein Wunder also, dass „etliche zweifelten“, offensichtlich so sehr, dass der Evangelist Matthäus nicht beschönigend die Zweifler unter den 11 Jüngern verschweigt.

Diese 11 Jünger, Gläubige und Kleingläubige, Fromme und Skeptiker, Vertrauensvolle und Zweifler, sind, wie Matthäus berichtet, von Jesus „nach Galiläa auf den Berg beschieden“ worden..
Die Jünger wissen, dass es sich um etwas außerordentlich Wichtiges handeln muss, wenn Jesus sie auf den Berg bestellt, denn sie kennen die Symbolik, die Bedeutung, die der „Berg“ hat:
seit Mose, der auf einem Berg Gottesbegegnungen erlebte und die 10 Gebote auf einem Berg empfing, bis zum Wirken Jesu, der Bergpredigt und der Verklärung Jesu auf einem Berg.

Die Elf sind alle gekommen, sie sind alle beisammen, und, wie Matthäus weiter erzählt, alle sahen den Auferstandenen und fielen vor ihm nieder.
Und dennoch: „einige aber zweifelten“.
Alle sahen ihn, und trotzdem zweifeln einige.

Hier und jetzt erfahren wir Menschen des 21. Jahrhunderts den ersten Trost unseres Predigttextes:
Wir, die wir nicht wie die Jünger Jesus Christus von Angesicht zu Angesicht sehen können, wir, die wir oft die Jünger um dieses Privileg beneiden, hören, dass einige der Jünger an ihm zweifeln, obwohl sie ihn sehen können!

Kurz vor dem allzu frühen Tod meines Vaters, der Pfarrer war, sagte ich ihm einmal, dass es die Anhänger Jesu ja viel leichter gehabt hätten als ich, an ihn zu glauben, weil sie mit ihm zusammen waren, weil sie ihn gesehen hatten.
Ich werde nie vergessen, wie er mir klar machte, dass das Sehen keine Garantie für den Glauben sei.

Es sollte uns Kleingläubige und Zweifler trösten, dass uns der Evangelist Matthäus die Zweifler nicht verschweigt.
Es sollte uns trösten, dass Jesus allen seinen Anhängern, auch den Zweiflern, sein Testament eröffnet, dass es sie alle einbezieht.

Und was ist das für ein außergewöhnliches Testament, das Jesus seinen Jüngern eröffnet! Schon auf den ersten Blick wirkt es nicht wie ein gewöhnliches Testament, das den Erben materielle Güter wie Geld oder Grundstücke hinterlässt. Schon der Anfang des Testamentes lässt darauf schließen, dass die Erben etwas Außerordentliches erfahren werden, nämlich:

„Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden...“

Christus Pantokrator

Selten hat Jesus Christus so deutliche Worte über sich selbst gesagt, selten hat er seine VOLLMACHT und seinen HERRSCHAFTSANSPRUCH so ausdrücklich ausgesprochen.
Es ist die göttliche Vollmacht des Auferstandenen, des lebendigen Gottessohnes, die in diesen Worten zum Ausdruck kommt.
Diese Vollmacht ist erstens die Bedingung des Herrschaftsanspruchs Christi über die diesseitige und die jenseitige Welt und zweitens die Grundlage für die Bevollmächtigung seiner Jünger.

Die Jünger erhalten von Christus, dem Weltenherrscher, einen Auftrag, den die meisten von Ihnen hier unter dem Titel „Missionsbefehl“ kennen:

“Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters, und des Sohnes und des heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“

Keine Sorge, ich werde jetzt keinen theologischen Vortrag über die Taufe halten. Aber mir wurde vor kurzem wieder einmal klar, dass die christliche Taufe unaussprechlich viel bedeutet, - viel mehr als die Bitte eines Mannes, der neulich an einem Dienstagvormittag bei uns anrief, um sein Kind taufen zu lassen - und zwar sollte es am darauffolgenden Sonntag um 13 Uhr in der „Dreisternekirche“, gemeint war die Dreikönigskirche, getauft werden .... „sie brauchten dafür ja nur eine halbe Stunde“!
Die Taufe ist wesentlich mehr als nur ein schönes Familienfest.

Jesus Christus beschreibt es so: „... taufet UND lehret...“ - zur Taufe gehört auch die Lehre von der christlichen Botschaft, und zwar untrennbar zusammen.
Zum Taufen und Lehren werden die Jünger, alle Jünger, auch die anfänglichen Zweifler, auch wir heute von dem lebendigen Jesus Christus bevollmächtigt.
Uns allen, nicht nur den Pfarrern und den kirchlichen Funktionsträgern, gilt dieser sogenannte „Missionsbefehl“, wir alle sind also dazu berufen, Missionare zu sein, also Menschen, die anderen von Gott erzählen.

Für viele Menschen, nicht nur für Menschen unserer Zeit, klingt das Wort „Mission“ zuerst einmal verdächtig, sogar negativ.
Sie verbinden mit dem Begriff „Mission“ Gewalt und Kolonialismus, sie denken dabei an Zwangsmassentaufen oder Ausbeutung.
Und wir müssen zugeben, dass in der Vergangenheit die christliche Mission leider allzu oft missbraucht wurde oder dass im Namen der Mission Unrecht geschehen ist, selbst dann, wenn sie in guter Absicht geschah.

Aber „Mission“ ist vielschichtiger als die Urteile und Vorurteile darüber.
Im wesentlichen gründet „Mission“ sich auf dreierlei:

  1. „Mission“ ist im Grunde genommen die Sache Gottes, nämlich die Sendung seines Sohnes zu den Menschen.
  2. „Mission“ ereignet sich immer wieder ganz persönlich, von Mensch zu Mensch.
    Wir alle, Sie und ich, hatten nämlich private Missionare, Menschen, die uns von Gott erzählt haben.
    Sicher erinnern Sie sich an Ihre ganz persönlichen Missionare, die Ihnen von Gott erzählt haben. Vielleicht waren es Eltern, Verwandte, Freunde, Lehrer – und hoffentlich auch Ihre Pfarrer.
  3. „Mission“ ist als sogenannte „Weltmission“ Teil des Testamentes, das Jesus Christus nicht nur seinen Jüngern, sondern allen Menschen hinterlässt.

UNTRENNBAR mit der Aufforderung Jesu Christi, seine Botschaft in die Welt hinauszutragen und Menschen „im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes“ zu taufen, ist eine tröstliche Zusage verbunden, der zweite Trost in unserem Predigttext – eine mutmachende Verheißung wie sie nicht schöner sein kann, nämlich:

„und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“

Es gibt wohl kaum eine Aussage Jesu Christi, die beglückender und im wahrsten Sinn heilsamer ist.
Nicht umsonst hat Matthäus sie an das Ende seines Evangeliums gesetzt.

Dieses Versprechen des lebendigen Sohnes Gottes bedarf keiner theologischen Interpretation.
Diese Zusicherung Jesu Christi ist quasi unsere Lebensversicherung.

„Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“

Mit diesen Worten können wir wahrhaft glücklich leben und auf diese Worte hin können wir getrost sterben.

Möge Gott uns helfen, immer wieder und immer wieder neu auf diese Verheißung zu bauen und nach dieser Verheißung unser Leben auszurichten.

UND DER FRIEDE GOTTES, DER ALL UNSER MENSCHLICHES BEGREIFEN ÜBERSTEIGT;
DER BEWAHRE UNSER DENKEN UND HANDELN IN JESUS CHRISTUS!

AMEN

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Die Freske 'Christus Pantokrator', um 1100 (Szene aus Fresken in Sant'Angelo in Formis zum Leben Christ) und dessen Reproduktion gehört weltweit zum "public domain". Das Bild ist Teil einer Reproduktions-Sammlung, die von The Yorck Project zusammengestellt wurde. Das copyright dieser Zusammenstellung liegt bei der Zenodot Verlagsgesellschaft mbH und ist unter GNU Free Documentation lizensiert.

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