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Predigten von Prädikantin Ursula Schmidt: 2. Mose 20, 1 –17 Zehn Wege zur Freiheit

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'Moses mit den Gesetzestafeln', 1659, Rembrandt Harmensz van Rijn

Moses mit den Gesetzestafeln

18. Sonntag nach Trinitatis

Zehn Wege zur Freiheit 2. Mose 20, 1 –17


Predigt gehalten von Prädikantin Ursula Schmidt

Es gibt zu jeder Zeit Modewörter oder kurze Sprüche, die besonders beliebt sind.
Sicher werden Ihnen sofort einige einfallen. Welche es sind, hängt wahrscheinlich von Ihrem Alter ab.
Bei Erwachsenen sind es vielleicht Wörter wie "Selbstfindung", "Projekt" oder "Baustelle".
Bei dem Begriff "Baustelle" sind übrigens verschiedene Dinge gemeint, die man noch erledigen muss; "Ich habe da noch verschiedene Baustellen" klingt ja doch viel interessanter als "Ich muss noch einiges erledigen."
Wenn es um Modewörter geht, die bei Jugendlichen beliebt sind, müsste ich jetzt eigentlich die Konfirmanden fragen, um ganz authentisch zu sein. Also könnt ihr mir einige nennen?
.....Zu den Modewörtern, die sich bei Kindern und Jugendlichen schon erstaunlich lange halten, gehören die Wörter: "KRASS", "GEIL" und "COOL".

Als ich ein kleines Mädchen war, fand ich es "cool", "O Gott, o Gott!" oder "Ach, du lieber Gott!" zu sagen, gerade weil das zu Hause nicht gesagt wurde.
Ich war vielleicht 6 Jahre alt, als ich das wieder einmal ausrief, während ich mit meiner Freundin spielte. Kurz darauf rief mein Vater meinen Namen "Ursula!"
Ich ließ alles stehen und liegen und rannte zu ihm, um zu erfahren, was er von mir wollte, und ich war ganz verblüfft, als er erstaunt sagte: "Ich? Ich will nichts von dir!"
Einige Minuten später wiederholte sich das ganze: nachdem ich wieder gesagte hatte "Ach, du lieber Gott!", rief mein Vater wieder: "Ursula!" Und wieder antwortete mein Vater auf meine Frage, was er wollte, ganz nachlässig: "Ich? Ich wollte überhaupt nichts von dir!"
Jetzt war mir klar geworden, dass irgendetwas im Busch war, und ich wollte herausfinden, WAS das war.
Und mein Vater klärte das Rätsel auf; er sagte mir, dass ich zweimal den Namen Gottes ausgerufen hätte, ohne mir etwas dabei zu denken. Ich hätte immer wieder den Namen Gottes genannt und damit hätte ich mich direkt an Gott gewandt, so als ob ich ihn in einem Gebet anrufen würde. Der Name Gottes, so sagte mir mein Vater, sei etwas ganz Besonderes, etwas Heiliges, deshalb sollte ich seinen Namen auch nur rufen, wenn ich zu ihm beten wollte. Mein Vater hatte mir keine Moralpredigt mit erhobenem Zeigefinger gehalten, nach dem Motto: Ich verbiete meiner Tochter "O Gott, o Gott!" zu sagen.
Er hatte mir im guten Sinne eine Lektion erteilt; er hatte mir klar gemacht, was es bedeutet, wenn es im 2.Gebot heißt "DU SOLLST DEN NAMEN DES HERRN, DEINES GOTTES NICHT MISSBRAUCHEN".

Die 10 Gebote sind ein ganz besonderes Thema, nicht nur für die Konfirmanden, wenn sie sie auswendig lernen müssen, nicht nur für die Erwachsenen, die sie im Lauf ihres Lebens vielleicht wieder vergessen oder sie ihrer jeweiligen Lebenssituation anpassen - die 10 Gebote sind ein Thema der Weltgeschichte.
Die Menschenrechte basieren z.B. auf den 10 Geboten, die 10 Gebote sind die Grundlage des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft oder sie sollten es wenigstens sein.
Große Philosophen und gelehrte Theologen in aller Welt haben kluge Abhandlungen über die 10 Gebote verfasst, unzählige Doktorarbeiten und Bücher wurden über sie geschrieben. Die 10 Gebote sind immer wieder als flammende Appelle an die Menschen gerichtet worden, und in der Kirchengeschichte und in der Erziehung wurden sie häufig als Drohungen missbraucht – die 10 Gebote haben also reichlich große Fußspuren hinterlassen.

Ich könnte Sie jetzt damit langweilen und quälen, indem ich zu jedem einzelnen Gebot etwas sagen würde. Aber das will ich Ihnen und mir nicht antun.

Bleiben wir deshalb bei dem Begriff "GEBOT."
Leider haftet diesem Wort etwas Drohendes an, das ist im Deutschen ebenso wie in anderen Sprachen. Im Englischen heißen die 10 Gebote "10 Commandments" – da hört man förmlich einen Kommando-Ton.
Das Wort "Gebot" wird leider oft als VERBOT verstanden, mit dem man einschüchtern, kommandieren, und drohen kann.
Vielleicht haben wir schon als Konfirmanden die 10 Gebote unter diesem drohenden Aspekt gesehen, weil wir sie auswendig lernen MUSSTEN.
Vielleicht denken Sie gerade: "Oh nein, die wird die 10 Gebote doch nicht etwa hier und jetzt abfragen?"
Keine Angst, ich will niemanden in peinliche Verlegenheit bringen. Schließlich habe ich während der Vorbereitung dieser Predigt an mir selbst gemerkt, dass ich große Schwierigkeiten habe, alle 10 Gebote korrekt und in der richtigen Reihenfolge aufzusagen.

Und noch etwas kommt zu dem drohenden Aspekt, den die 10 Gebote oft haben. Wenn sie vor allem als VERBOTE verstanden werden, reizen sie oft förmlich dazu, gegen sie anzugehen – nach dem Motto "Verbote sind dazu da, sie zu brechen".

Die 10 Gebote sind keine Moralpredigten eines drohenden, starren und strafenden Gottes; sie sind ein Zeichen eines lebendigen LIEBENDEN Gottes.
Die 10 Gebote beginnen nämlich mit den Worten:
"UND GOTT REDETE ALLE DIESE WORTE: ICH BIN DER HERR, DEIN GOTT, DER DICH AUS ÄGYPTENLAND, AUS DER KNECHTSCHAFT GEFÜHRT HAT."
Die 10 Gebote beginnen mit der deutlichen Zusage und Verpflichtung Gottes Israel gegenüber:
"ICH BIN DER HERR DEIN GOTT".
Gott ist nicht ein ferner, sondern ein PERSÖNLICHER Gott, der Israel die Freiheit geschenkt hat. Bevor Gott also Regeln aufstellt, hat er Freiheit geschenkt. Das galt vor 3000 Jahren für das Volk Israel genauso wie für uns heute.
Gott ist nicht ein Gott der Vergangenheit, Gott ist nicht irgendein Gott, - wie der Gott Fußball oder der Gott Geld.
Gott sagt jedem von uns auch heute in den 10 Geboten zu:
"ICH BIN DER HERR D E I N GOTT".

Vielleicht können wir uns angewöhnen, in jedem einzelnen der 10 Gebote nichts Kommandohaftes herauszuhören, sondern etwas Freimachendes, nämlich: Weil Gott D E I N Gott ist, WIRST du, dann DARFST du das und das tun oder nicht tun. Die 10 Gebote wollen mich als Menschen nicht reglementieren, einengen oder bedrohen, sondern die 10 Gebote sind 10 WEGE ZUR F R E I H E I T, zu der Gott mich beruft. Allerdings ist die Voraussetzung dafür, dass ich mich auch von Gott führen lasse, dass ich immer wieder nach Gottes Führung in meinem Leben suche.
Jesus hat einem Schriftgelehrten, einem Kenner des Alten Testamentes, der ihn scheinheilig nach dem wichtigsten Gebot fragte, so geantwortet:
“DU SOLLST LIEBEN GOTT, DEINEN HERRN, VON GANZEM HERZEN, VON GANZER SEELE UND VON GANZEM GEMÜTE. Dies ist das vornehmste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich: DU SOLLST DEINEN NÄCHSTEN LIEBEN WIE DICH SELBST.“
Wenn ich Gott liebe, wenn ich mich von Gott führen lasse, wird er der Maßstab in meinem Leben, dann werde ich frei von den Dingen, die mein Leben bestimmen wollen:
- Ich werde frei von dem Streben nach Erfolg und Macht, in der Schule, im Beruf, im Privatleben.
- Ich werde frei von der Gier nach Geld und nach Statussymbolen.
- Ich werde frei von der Gefangenschaft durch Sorgen und Ängste.
- Ich werde, wie Jesus sagt, frei von mir selber, frei, meinen Nächsten zu lieben

Zu dieser Freiheit hat Gott jeden von uns berufen.
Auf dem Weg zu dieser Freiheit brauchen wir die 10 Gebote als 10 ANGEBOTE zur Freiheit.
Wir brauchen sie heute und morgen, wir brauchen sie täglich neu.

Zum Schluss BEKOMMEN Sie deshalb noch eine drastische Kurzfassung der 10 Gebote mit auf den Nachhauseweg, eine Kooperation mit meinem fast 10jährigen Neffen:
1.) NUR E I N GOTT
2.) GAR NIX AUSSER GOTT
3.) PASS AUF, WAS DU SAGST
4.) GEH ZUR KIRCHE
5.) RESPEKTIERE DEINE ALTEN
6.) TÖTE NICHT
7.) MACH NICHT DIE TUSSI DEINES KUMPELS AN
8.) GRABSCHE NICHT DAS, WAS DIR NICHT GEHÖRT
9.) LÄSTERE NICHT
10.) KEINE RAFFGIER

Und der Friede Gottes, der unseren menschlichen Verstand übersteigt, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.

Amen.

Das Gemälde 'Moses mit den Gesetzestafeln', 1659, Rembrandt Harmensz van Rijn, und dessen Reproduktion gehört weltweit zum "public domain". Das Bild ist Teil einer Reproduktions-Sammlung, die von The Yorck Project zusammengestellt wurde. Das copyright dieser Zusammenstellung liegt bei der Zenodot Verlagsgesellschaft mbH und ist unter GNU Free Documentation lizensiert.

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