Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Frankfurt am Main - Sachsenhausen

Predigten von Pfarrer Thomas Sinning: Eph. 2: Wir sind Kirche!

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'Lycurgus, King of Sparta', 17th century, Caesar van Everdingen

2. Sonntag nach Trinitatis

Wir sind Kirche! Epheser 2, 17-22

Predigt gehalten von Pfarrer Thomas Sinning am 13. Juni 2011 in der Bergkirche und im Kirchsaal Süd

Und er ist gekommen, hat verkündigt im Evangelium den Frieden euch, die ihr ferne waret, und denen, die nahe waren; denn durch ihn haben wir den Zugang alle beide in einem Geiste zum Vater. So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Bürger mit den Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem HERRN, auf welchem auch ihr mit erbaut werdet zu einer Behausung Gottes im Geist. Epheser 2, 17-22

Liebe Gemeinde!

Aus dem antiken Sparta wird erzählt, dass der König von Sparta einmal einen anderen König bei sich zu Besuch hatte. Bei einem Rundgang zeigte er stolz seinem Gast alle Sehenswürdigkeiten der Stadt. Besonders stolz erzählte der König von den Stadtmauern Spartas. Er brüstete sich, dass die Stadtmauern von Sparta unüberwindlich seien. Das interessierte den fremden König außerordentlich. Aber so sehr er sich auch darum mühte, er konnte überhaupt keine Mauern sehen. Es gab gar keine Mauern. Da fragte der Gast den König etwas verlegen: „Verzeih mir, lieber Freund, Wo sind diese Stadtmauern? Denn so sehr ich mich anstrenge, ich kann keine Stadtmauern hier in Sparta sehen!“ Da machte der König von Sparta eine Handbewegung und zeigte auf seine Leibgarde: „Das hier sind die Mauern von Sparta! Jeder von ihnen ist ein lebendiger Stein in dieser Mauer!“

Wenn in unserem Predigttext vom Bau der Kirche die Rede ist, dann denken wir vielleicht an beeindruckende Kirchenbauten, an romanische Basiliken und gotische Dome, an prächtige und schöne Orte zur Ehre Gottes. Vielleicht denken wir auch an unsere eigene Kirche hier, die ein vertrauter Ort ist, mit dem man Erinnerungen verbindet an besondere Gottesdienste und ermutigende geistliche Erfahrungen.

'Gemeindefest: 'Nun danket alle Gott' am 06. September 2009, AB

Doch der Apostel denkt hier ähnlich wie der König von Sparta: für ihn ist die Kirche kein Gebäude; es geht ihm deshalb auch nicht um Fragen der Schönheit oder Zweckmäßigkeit eines Gebäudes, oder von Emotionen und Erinnerungen oder gar von Bauunterhaltungskosten. Sondern es geht ihm um die Menschen. Wenn wir fragen: Wer oder was ist die Kirche eigentlich? Dann bekommen wir hier die klare Antwort: Wir sind die Kirche! Wir, die wir auf den Namen des dreieinigen Gottes getauft sind und im Glauben an ihn verbunden sind, wir sind die Kirche. Die Kirche Jesu Christi ist aus Menschen gebaut.

Und das Bild, das Menschen von der Kirche haben, das hängt nicht nur von den anderen Christen und von Pfarrern oder Bischöfen ab, sondern eben auch von mir selber; denn jeder von uns ist ein lebendiger Baustein der Kirche Jesu! Die Kirche ist ein Bauwerk von Menschen, sagt der Apostel, „erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten mit dem Grundstein Jesus Christus, auf dem der ganze Bau ineinander gefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn, auf dem auch ihr miterbaut werdet zu einer Behausung Gottes im Geist."

Und das heißt: In der Kirche geht es vor allem um Menschen und um Gott. Gott will in uns wohnen und wirken. Das ist der Sinn der Kirche. Und wenn wir uns über kirchliche Gebäude Gedanken machen oder uns über die Organisation Kirche ärgern, dann muss dies im Mittelpunkt stehen: dass es zuallererst um die Menschen geht, die sich hier versammeln, und dass es vor allem darum geht, dass Gott Raum findet in den Herzen und im Leben der Menschen.

Deshalb ist Kirche ein lebendiger Bau. Und dieser lebendige Bau unterscheidet sich von anderen Bauten dadurch, dass er keine Mauern aufrichtet, um Menschen einzuschließen oder abzugrenzen, sondern dass er ein Bauwerk ohne trennende Mauern ist.

Hier liegt ein grundlegender Unterschied zwischen dem Apostel und dem König von Sparta! Die Kirche ist offen. In ihr geschieht Gemeinschaft über Grenzen hinweg. Da, wo Menschen normalerweise sehen müssen: „Hier gehöre ich nicht dazu," da gilt in der Kirche: „Komm herzu, du gehörst zu uns, denn auch du bist von Gott geliebt." Deshalb schreibt der Apostel: „Christus hat Frieden verkündet denen, die fern waren und denen, die nahe waren." Ihm ging es damals vor allem um die Einheit von Menschen jüdischer und nichtjüdischer Herkunft in der Gemeinde, wenn er weiter sagt: „Durch Christus haben wir alle beide Zugang zu Gott."

Die Kirche, ein lebendiger Bau, eine offene und einladende Kirche, in der Grenzen und Feindschaft überwunden werden? Die Realität spricht da leider oft eine andere Sprache. In der Tat. Grenzen gibt es auch unter Christen. Da sind Fromme und Fortschrittliche, die sich manchmal nur schwer gegenseitig anerkennen können; da dürfen Evangelische nicht am katholischen Abendmahl teilnehmen, und manche tun sich zuweilen schwer, über die Grenzen des eigenen der eigenen Gruppe (oder des eigenen Gemeindebezirks) hinauszusehen. Doch das ist harmlos verglichen mit dem Unfrieden, den Christen im Laufe der Kirchengeschichte immer wieder angerichtet oder mitverantwortet haben. Wo also ist die lebendige Kirche, die Grenzen überwindet und dem Frieden dient, von der der Apostel hier schreibt?

Konfirmandenseminar, August 2009

Sie ist eine Vision. Eine großartige Vision. Eine Vision, die wir in unserer zerrissenen Welt ganz gewiss nötig haben. Und auch wir als Gemeinde brauchen diese Vision, diese Perspektive einer lebendigen, offenen, einladenden Kirche, damit sich auch bei uns ereignen kann, was hier gesagt ist: gelingende Gemeinschaft mit Gott und unter den Menschen.

Es ist ein Kennzeichen der Kirche, dass sie immer eine Kraft ist, die sich für den Frieden und für die Versöhnung verfeindeter Gruppen einsetzt. Hier wirkt die Kirche auch in die Gesellschaft hinein. Hier hat die Kirche auch politisches Gewicht und den Auftrag, über ihre Grenzen hinauszuschauen. Das hat mit ihrem Wesen zu tun. Damit, dass Christus ihr die entscheidende Prägung gibt.

Woher hat diese Vision von einer offenen einladenden und dem Frieden verpflichteten Kirche ihre verändernde Kraft? Sie hat sie letztlich nicht durch uns, so sehr wir uns auch Mühe geben und engagiert sind. Die verändernde Kraft hat die Kirche von Jesus Christus. Denn er ist der neue Mensch, der durch sein Sterben und seine Auferstehung den Anfang von wirklichem Frieden, von wirklicher Verständigung und Versöhnung aller Gegensätze geschaffen hat.

Erst da, wo wir uns - immer wieder neu - auf ihn gründen und uns auf sein Evangelium besinnen, erst da ist etwas von der Lebendigkeit dieses Bauwerks der Kirche zu spüren.

Da wird dann das Evangelium zu dem werden, was es eigentlich ist: eine frohe Botschaft, die Freude auszulösen vermag, Freude, die ausstrahlt und ansteckend wird und Liebe und Menschlichkeit freisetzt. Nicht umsonst wird in der Bibel die Freude als eine Frucht des Heiligen Geistes bezeichnet. Mir scheint, dass wir manchmal davon noch mehr haben könnten und immer wieder neu darum bitten sollten.

Die Kirche, das sind wir, haben wir von dem Apostel gehört. Und in dieser Kirche - in uns - will kein Geringerer wohnen als Gott selber.

Und er tut es auch. Er ist auch heute unter uns gegenwärtig, ganz gewiss. Geben wir seinem guten Geist doch nur noch mehr Raum, in unseren Herzen, in unserem Handeln, in unserem Zusammenleben. Dann wird die Kirche leben und wachsen. Dazu schenke uns Gott seinen Geist.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. A M E N

Das Gemälde 'Lycurgus, King of Sparta', 17th century, Caesar van Everdingen, ist im public dmain, weil sein copyright abgelaufen ist.

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