Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Thomas Sinning: Jesaja 1, 10-17

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Predigt: Buß- und Bettag - Jesaja 1, 10-17

Gehalten von Pfarrer Thomas Sinning zum Ökumenischer Gottesdienst am 19.11.2008

'Kranken sich zuwenden', 1991 - Walter Habdank. © Galerie Habdank

'Kranken sich zuwenden', 1991 - Walter Habdank
© Galerie Habdank

Liebe Gemeinde,

„Ich habe Ihnen eine traurige Mitteilung zu machen. Bis auf weiteres werden in unserer Kirche keine Gottesdienste mehr stattfinden. Die Kirche muss leider geschlossen bleiben.“ - War der Schock groß, liebe Gemeinde? Eine solche Botschaft ist in der Tat schockierend, gleich, ob wir zur katholischen oder zur evangelischen Kirche gehören. Nun entspricht diese eben von mir vorgetragene Mitteilung glücklicherweise nicht den Tatsachen. Es werden weiterhin Gottesdienste hier in unserer Kirche stattfinden. Aber für die Menschen damals in Jerusalem muss die Botschaft des Propheten Jesaja genauso schockierend gewesen sein, wie es für uns die Mitteilung wäre, dass keine Gottesdienste mehr stattfinden. Denn der Prophet fordert genau dies: „Hört auf mit euren Gottesdiensten.“ Und er sagt dies nicht einfach nur, um zu provozieren, sondern weil es das Wort Gottes ist:

10 Höret des HERRN Wort, ihr Herren von Sodom! Nimm zu Ohren die Weisung unsres Gottes, du Volk von Gomorra! 11 Was soll mir die Menge eurer Opfer? spricht der HERR. Ich bin satt der Brandopfer von Widdern und des Fettes von Mastkälbern und habe kein Gefallen am Blut der Stiere, der Lämmer und Böcke. 12 Wenn ihr kommt, zu erscheinen vor mir - wer fordert denn von euch, dass ihr meinen Vorhof zertretet? 13 Bringt nicht mehr dar so vergebliche Speisopfer! Das Räucherwerk ist mir ein Greuel! Neumonde und Sabbate, wenn ihr zusammenkommt, Frevel und Festversammlung mag ich nicht! 14 Meine Seele ist feind euren Neumonden und Jahresfesten; sie sind mir eine Last, ich bin's müde, sie zu tragen. 15 Und wenn ihr auch eure Hände ausbreitet, verberge ich doch meine Augen vor euch; und wenn ihr auch viel betet, höre ich euch doch nicht; denn eure Hände sind voll Blut. 16 Wascht euch, reinigt euch, tut eure bösen Taten aus meinen Augen, lasst ab vom Bösen! 17 Lernet Gutes tun, trachtet nach Recht, helft den Unterdrückten, schaffet den Waisen Recht, führet der Witwen Sache!

Gottesdienst ist kein Selbstzweck. Es gibt Gottesdienste, die machen keinen Sinn. Die sind nicht nur überflüssig, sondern schädlich. Denn sie beleidigen Gott. Deshalb ist der Prophet Jesaja hier so radikal in der Ablehnung der Gottesdienste, die damals vor 2700 Jahren im Tempel in Jerusalem gefeiert wurden. Gott lehnt diese Gottesdienste ab, die mit so großem Aufwand betrieben werden: die besten Tiere werden geschlachtet, kostbares Räucherwerk wird verbrannt. Gott mag das alles nicht riechen. Es ist ihm ein Greuel. Er verschließt sogar seine Augen vor den zum Gebet ausgebreitet Händen. Er will noch nicht einmal die Gebete erhören. Warum nur?

Weil die Menschen Jerusalems in ihrem Tun, in ihrem Alltag, in ihrem ganz normalen Leben Gott vergessen haben. Gewalt und Unrecht wird geduldet. Schwache werden an den Rand gedrängt. Schutzbedürftige bekommen keine Hilfe. Reiche können sich ihr Recht kaufen. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer. Deshalb nennt er die Menschen in Jerusalem in einem Atemzug mit denen in Sodom und Gomorra. Schlimmer geht’s nicht. Und das, obwohl doch scheinbar alles in Ordnung ist. Die Fassade der bürgerlichen Wohlanständigkeit ist gewahrt. Und die Gottesdienste sollen vielleicht sogar ein Beleg dafür sein, dass alles in Ordnung ist. Aber der Prophet sagt: Nein! So geht´s nicht! Schaut doch einmal, was für Ungerechtigkeit bei euch möglich ist, bevor ihr zum Gottesdienst geht. Geistliche Lieder singen und Unrecht tun oder auch nur dulden – das geht nicht. Das ist eine Beleidigung Gottes. Denn wenn der Alltag gottlos ist, dann ist es der Feiertag und der Gottesdienst notwendigerweise auch.

Wo aber bleibt nun die positive Botschaft, liebe Gemeinde? Worauf kommt es denn an, damit wir auch künftig unsere Gottesdienste ehrlich und aufrichtig und zu Gottes Freude feiern können? Jesaja sagt: Wahrer Gottesdienst heißt: Lernt Gutes tun, trachtet nach Recht und Gerechtigkeit, helft den Unterdrückten, setzt euch für die Schwachen ein, die Waisen und Witwen. Gott ist ein Schützer und Hüter des Lebens, ein Anwalt für die Schwachen. Dort, wo die Liebe, die im Gottesdienst gepredigt wird, im Alltag auch gelebt wird, im konkreten Handeln für die, die in Not sind, da ist der Gottesdienst das, was er sein soll. Dietrich Bonhoeffer spricht davon, dass „Beten und Tun des Gerechten“ zusammengehören.

Das ist gewiss eine Frage des eigenen Tuns jedes Christen und seines persönlichen Lebensstiles. In unseren beiden Gemeinden geschieht dies in vielfältiger Weise, dass Nächstenliebe geübt wird, auch über Konfessionsgrenzen hinweg. Es werden alte und kranke und einsame Menschen besucht und betreut und begleitet. Es wird ehrenamtlich Unterstützung für Arme und Obdachlose geleistet. Das ist ein wichtiger Teil des Gottesdienstes in unseren Gemeinden. Doch die Botschaft des Propheten Jesaja hat damals wie heute auch eine politische Dimension. Denn die Kirche kann heute auch nur dann glaubwürdig ihre Gottesdienste feiern, wenn sie öffentlich ihre Stimme erhebt für die Schwachen; für die, deren Leben und Würde bedroht ist, am Anfang oder am Ende ihres Lebens. Und wenn die Kirche ihre Stimme erhebt für ein gerechtes politisches und wirtschaftliches Handeln, kann damit den Armen weltweit ein menschenwürdiges Leben möglich werden.

So führt uns der Predigttext aus dem Jesajabuch dorthin, wohin Jesus die Menschen geführt hat: zur Umkehr. Zur Erneuerung und Neuorientierung des Lebens. Das soll ja nicht nur einmal im Leben geschehen, sondern immer wieder, jeden Tag. Und dann können wir auch mit Freuden unsere Gottesdienste feiern, immer wieder, zur Ehre Gottes.

Amen.

Wir danken Frau Friedgard Habdank sehr herzlich, dass sie uns die Bilder ihres Mannes auf so großzügige und kostenlose Weise zur Verfügung gestellt hat. © Galerie Habdank, www.habdank-walter.de

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