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Predigten von Prädikant Thomas Leichum: 1. Thessalonicher 4, Verse 1-8 Ermahnung zur Heiligung

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20. Sonntag nach Trinitatis: 1. Thessalonicher 4, Verse 1-8 Ermahnung zur Heiligung

Gehalten von Prädikant Thomas Leichum am 17. Oktober 2010 in der Dreikönigskirche in Frankfurt am Main

'Einführungsgottesdienst von Pfarrer Martin Vorländer am 10. Oktober um 10 Uhr in der Dreikönigskirche', PSch

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Der Predigttext für den heutigen 20. Sonntag nach Trinitatis steht im 4. Kapitel des ersten Briefs des Paulus an die Thessalonicher in den Versen 1 bis 8.

Weiter, liebe Brüder, bitten und ermahnen wir euch in dem Herrn Jesus – da ihr von uns empfangen habt, wie ihr leben sollt, um Gott zu gefallen, was ihr ja auch tut -, dass ihr darin immer vollkommener werdet. Denn ihr wisst, welche Gebote wir euch gegeben haben durch den Herrn Jesus.
Denn dass ist der Wille Gottes, eure Heiligung, dass ihr meidet die Unzucht und ein jeder von euch seine eigene Frau zu gewinnen suche in Heiligkeit und Ehrerbietung, nicht in gieriger Lust wie die Heiden, die von Gott nichts wissen. Niemand gehe zu weit und überfordere seinen Bruder im Handel; denn der Herr ist ein Richter über das alles, wie wir euch schon früher bezeugt haben.
Denn Gott hat uns nicht berufen zur Unreinheit, sondern zur Heiligung. Wer das nun verachtet, der verachtet nicht Menschen, sondern Gott, der seinen heiligen Geist in euch gibt.

1. Thessalonicher 4, Verse 1-8

Liebe Gemeinde,

in der vergangenen Woche fand hier in der Dreikönigskirche anlässlich der Einführung von Herrn Pfarrer Vorländer ein sehr schöner Gottesdienst statt. Vielleicht ist der ein oder andere von Ihnen auch dabei gewesen. Ich jedenfalls habe ihn als sehr intensiv und dicht empfunden und die Kirche an diesem Sonntag besonders gestärkt und ermutigt verlassen.

Woran mag das wohl gelegen haben? Nun, ein Einführungsgottesdienst ist immer ein besonderer Festakt, den man so nicht jeden Tag erlebt. Und eine leibhaftige Bischöfin aus München besucht uns nicht jede Woche. Dass neben dem Dekan Pfarrer Pohl auch Frau Pröpstin Scherle anwesend war, war ebenso eine besondere Ehre für unsere Gemeinde.

Ja, jedem Anfang wohnt ein besonderer Zauber inne und es war ein schönes Gefühl, einen neuen Pfarrer willkommen heißen zu dürfen, den seine ehemalige Dienstherrin nur schweren Herzens hat ziehen lassen und den sie am liebsten gleich wieder mitgenommen hätte. Es war ermutigend, gute Worte über unsere Gemeinde zu hören.

Aber daran lag es nicht allein. Von der gesamten versammelten Gemeinde, von jedem einzelnen, den vielen Menschen, von Orgel und Gesang, von jedem einzelnen Beitrag, ging ein Geist, eine gemeinsame Kraft und Fröhlichkeit aus, die ansteckend auf mich wirkte. Viele Menschen, die sonst meist an den verschiedenen Gottesdienststätten wirken, hatten sich zusammengetan, Christen aus nah und fern feierten gemeinsam den Beginn einer neuen Wegstrecke.

Verweile doch, du bist so schön. Diesen guten Eindruck konnte man gewinnen: Unsere Gemeinde ist auf einem guten Weg.

'Seal of Thessaloniki', 2007

Ein ähnlich positives Bild ist es im Grunde auch, dass der Apostel Paulus in seinem ältesten uns erhaltenen Brief von der Gemeinde in Thessalonich zeichnet. Auf dem Weg zu Gott, zu den Menschen und zu sich selbst, waren die Thessalonicher offenbar schon ein ganzes Stück vorangekommen. Paulus ist des Lobes voll über sie. Am Anfang des Briefes bezeichnet er sie als Vorbild für alle Gläubigen in Mazedonien und Achaja. Bei allen Schwierigkeiten, die es in einem heidnischen Umfeld in der Hauptstadt der kaiserlichen Provinz Mazedonien auch gab, sind die Thessalonicher bis jetzt immer standhaft in ihrem Glauben geblieben. Die gute Botschaft, die sie empfangen haben, haben sie mit Leben gefüllt.

Und doch werden sie von Paulus gemahnt, sie sollten immer noch vollkommener in ihrem Glauben werden. Schon bei Paulus in der Antike war es also nicht viel anders wie in unserer modernen Gesellschaft heute: Es geht immer noch besser. Stillstand ist Rückschritt. Gut ist nicht genug. Das sind Ansprüche, die wir nur zu gut kennen, gerade im beruflichen Alltag immer wieder hören und verinnerlicht haben.

Das kann auch irritieren. Zumal Paulus sehr drastische Beispiele wählt, um die Gemeinde zu weiteren Anstrengungen zu ermuntern. Mit den sicher schon zur damaligen Zeit ausgesprochen heiklen Themen Sexualität und Geld rund um das sechste und siebte Gebot begibt er sich scheinbar ohne Not auf schwieriges Gelände und greift zu harten Worten wie Unzucht, Unreinheit und gieriger Lust.

Ich weiß nicht, warum er gerade das für so notwendig hält.

Oder möchten Sie in Bezug auf diese sehr persönlichen Dinge ermahnt und damit gemaßregelt werden und das gerade, nachdem man Sie zuvor für ihre vorbildliche Gemeindearbeit belobigt hat?

Wir würden Paulus wohl kaum widersprechen. Aber uns im selben Moment auch fragen, was denn das mit uns zu tun haben soll. Schändliche Dinge, die da angesprochen werden, zweifelsohne. Jeder von uns wird aber doch zunächst in gerechter Empörung von sich weisen, dass er seinen Ehe- oder Lebenspartner aus niederen Beweggründen betrügt oder dass er finanzielle Unregelmäßigkeiten praktiziert und dann noch gegenüber seinem Bruder oder seiner Schwester, das hieße im Klartext:
hier in der Gemeinde. Wer um Himmels willen, wollte sich das in unserer Gemeinde vorhalten lassen.

Gewiss: Wir wissen nur zu gut, dass es sittlich zweifelhaftes Handeln gibt. So wie schon zu Paulus Zeiten etwa die Prostitution in der griechischen Hafenstadt Thessalonich weit verbreitet war. Für uns heutige Zeitgenossen wirken Moralpredigten andererseits schon deshalb zuweilen etwas befremdlich, weil es einen wirklich anerkannten Wertekanon in der modernen Gesellschaft kaum noch gibt. Das Wort „Unzucht“, das Paulus verwendet, existiert heute praktisch gar nicht mehr.

'Inscribed base of a statue of Thessalonik', 2nd Century B.C.

Wenn von einem prominenten Wetterpropheten bekannt wird, dass er zeitweise offenbar eine ganze Reihe von Geliebten gleichzeitig gehabt hat, und von den seelischen Kränkungen und Verletzungen liest, die dies bei den Betroffenen zumindest teilweise ausgelöst hat, bekommt man jenseits der in diesem Zusammenhang bislang ungeklärten strafrechtlichen Vorwürfe vielleicht noch eine Ahnung davon, was Unzucht bedeuten kann. Von den furchtbaren bekannt gewordenen Mißbrauchsfällen mit Kindern ganz zu schweigen. Aber von Unzucht spricht aber unser heutiges Strafgesetzbuch selbst dann nicht mehr, sondern eben nur noch von Missbrauch.

Hat uns die Bibel insofern schon rein zeitbedingt nichts mehr zu sagen?

Wohl kaum. Gottes Gebote sind weiterhin wichtig. Allerdings nicht, um uns zu gängeln und einzuschränken, sondern uns dafür Maßstäbe an die Hand zu geben, wie wir denn unser Leben als Christen konkret gestalten sollen. Und Christ bin ich in allen Lebensbereichen.

Gerade im Bereich unserer Partnerschaften geht es darum, die Regeln der Nächstenliebe ernst zu nehmen. Immerhin wird jede dritte Ehe heute geschieden, und auch wohlmeinende Christen sind nicht davor gefeit, dass ihre Beziehungen scheitern. Die Ansprüche an gelingende Beziehungen sind hoch und was dereinst mit Schmetterlingen im Bauch begann, führt schnell in den grauen Alltag mit immer wieder kehrenden kleineren und größeren Streitereien und endet dann viel zu oft in Ausbrüchen unterschiedlicher Art aus einem vermeintlich und tatsächlich unerträglich gewordenen Gefängnis.

Die Anfänge dafür liegen in unseren Köpfen und Herzen. Wer nur eine Frau ansieht, sie zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen, heißt es bei Matthäus in der Bergpredigt. Und da wird es dann schon schwieriger zu sagen, dass ist mir selbstverständlich noch nie passiert. Hinter unseren Masken, die wir alle hin und wieder einmal aufsetzen, schlummern oft dunklere Gedanken, als unsere äußeren Handlungsweisen erahnen lassen.

Wir sind auch als Christen nie vollkommen. Wir bleiben vielmehr unser ganzes Leben in dreifacher Weise unterwegs:
zu uns selbst, zu unseren Mitmenschen und als Christ vor allem zu Gott. Diese drei Dinge gehören zusammen und sind nicht von einander zu trennen.

'Saint Paul writing', frühes 9. Jahrhundert

Das gemeinsame Ziel dieses Weges ist, dass wir uns immer mehr dem annähern, wie Gott uns haben will, dass wir immer mehr dem Bild entsprechen, das er von uns entworfen hat, das für uns ganz persönlich stimmig und richtig ist. Und ich merke immer wieder, wie wenig ich noch diesem Bild entspreche, auch wenn ich äußerlich als wohlanständig erscheine.

Für das Verhältnis unter uns Menschen hat uns Gott so entworfen, dass wir in unseren Partnerschaften und Freundschaften behutsam miteinander umgehen sollen, dass wir unsere gegenseitigen Bedürfnisse achten, nicht gierig unsere eigenen Interessen durchzusetzen versuchen.

Dass wir an dieser Aufgabe auch scheitern können, ändert nichts an der Richtigkeit des Bildes. Und wir sollten immer wieder alles versuchen, diesem Bild ähnlich zu werden.

Regeln des guten liebevollen Zusammenlebens sind daher wichtig. Sie sind dafür dar, den Schwächeren vor dem Stärkeren zu schützen, aber auch, um mich vor mir selbst zu schützen:

Mich davor zu schützen, dass ich mich selber, meinen Wert und meine Würde als Mensch beschädige. Denn Gott hat uns zur Heiligung berufen, nicht zur Unreinheit. Wenn wir uns dem anderen lieblos und damit gottlos nähern, und wie oft geschieht das gerade in den kleinen Dingen des Alltags, in unseren kleinen Sticheleien und versteckten Boshaftigkeiten, dann entfernen wir uns von Gott, dann werden wir zu Heiden, mögen wir auch noch so bibelfest sein. Missachten wir unseren Mitmenschen, so missachten wir damit auch Gott und damit in letzter Konsequenz auch uns selbst.

Welche Regeln das im einzelnen sind, wissen wir im Grunde nur zu gut. Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott. Er hat es uns längst ins Herz gepflanzt.

Wir müssen nur beginnen, es umzusetzen, auch wenn wir immer wieder dabei stolpern und hinfallen. Und dürfen uns dabei immer wieder vor Augen halten, dass Heiligung, heilig werden im Ergebnis nicht so sehr eine Sache unserer eigenen Anstrengung und Bemühung ist, sondern dass wir heilig von Gott her sind, der uns seinen Heiligen Geist geschenkt hat.

In diesem Vertrauen dürfen wir uns immer wieder auf den Weg machen.

Und wir gehen diesen Weg nicht allein, viele gehen ihn mit, Eltern, Geschwister, Kinder, Freunde und hoffentlich auch einer oder eine, für den man etwas ganz Besonderes bist, mit dem man ganz eins wird. Und wir gehen ihn hoffentlich auch gemeinsam in unserer Gemeinde, in brüderlicher und schwesterlicher Verbundenheit.

Aber wie viele oder auch wie wenige auch mit uns gehen, einer geht uns voraus. Jesus Christus und in ihm ein Bild von Gott, er gibt Gott und damit auch uns ein Gesicht. Wenn wir ihn sehen, sehen wir Gott, zu dem wir einst zurückkehren und der uns in seiner Hand hält. In diesem Vertrauen sollten wir uns frohen Mutes auf den Weg machen, getreu dem Motto von Martin Luther: „Wir sind noch nicht, wir werden's aber.“

Und der Friede Gottes, welcher höher ist, als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

Unter den Bedingungen der GNU Free Documentation License, Version 1,2 oder einer späteren veröffentlichten Version von der Free Software Foundation wird die Erlaubnis erteilt, die Abbildung 'Seal of Thessaloniki', 2007, zu kopieren, zu verteilen und/oder zu modifizieren.
Die Abbildung 'Inscribed base of a statue of Thessalonik', 2nd Century B.C., ist im public domain, weil ihr copyright abgelaufen ist.
Das Bild 'Saint Paul writing', frühes 9. Jahrhundert, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.

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