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Predigten von Prädikant Thomas Leichum: Jesaja 52, 7-10

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4. Sonnntag im Advent

Jesaja 52, Verse 7-10

Predigt gehalten von Prädikant Thomas Leichum am 23. Dezember 2007 in der Bergkirche

'The Prophet Isaiah', 1511-1512, Raffaello Sanzio

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Der Predigttext für den heutigen 4. Sonntag im Advent steht im Buch des Propheten Jesaja im 52. Kapitel.

Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Freudenboten, die da Frieden verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen, die da sagen zu Zion: Dein Gott ist König!
Deine Wächter rufen mit lauter Stimme und rühmen miteinander; denn alle Augen werden es sehen, wenn der Herr nach Zion zurückkehrt.
Seid fröhlich und rühmt miteinander, ihr Trümmer Jerusalems, denn der Herr hat sein Volk getröstet und Jerusalem erlöst.
Der Herr hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller Völker, dass aller Welt sehen das Heil unseres Gottes.

Liebe Gemeinde,

Morgen Kinder, wird's was geben. Morgen werden wir uns freuen. Welch ein Jubel, welch ein Leben wird in unseren Herzen sein. Einmal werden wir noch wach, heissa, dann ist Weihachtstag.

Ja, jetzt ist es bald soweit. Die Zeit des Wartens ist fast vorbei, vor allem natürlich für die Kinder. Alle Geschenke sind hoffentlich besorgt. Wir können durchatmen. Und unmittelbar vor dem Weihnachtsfest ist noch Sonntag, an dem wir uns nach der Hektik der Vorweihnachtszeit auf den Heiligen Abend einstimmen können. Schon heute, am 4. Advent dürfen wir zur Ruhe kommen.

Im Mittelpunkt der Gottesdienste am 4. Advent steht der Aufruf zur Freude. “Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch. Der Herr ist nahe”.

Heute ist schon alles auf diese große Freude ausgerichtet, die sich durch das Kommen Gottes in die Welt ausbreitet. Wer wollte da nicht einstimmen: Ja, morgen werden wir uns freu'n. Welch ein Jubel, welch ein Leben, wird in unser'n Herzen sein.

Freude überall: In der Lesung haben wir gerade von der freudigen Erwartung Marias auf die Geburt ihres Kindes gehört. Mein Geist freut sich Gottes, meines Heilands.

Und wir freuen uns wie jedes Jahr auf die Weihnachtsgeschichte, auf die Erzählung von der Geburt Jesu, auf die große Freude, die allem Volk widerfahren wird.

Der heutige Predigttext will uns aber zunächst einmal mitnehmen in die Zeit des Alten Testaments, die Zeit der Propheten. Hier wird die Geschichte des Volkes Israel erzählt. Und diese Geschichte, die Geschichte Gottes mit seinem Volk, strahlt aus auf die Weihnachtsgeschichte und auf die Geschichte Gottes mit uns Menschen.

500 Jahre bevor Jesus geboren wurde, war Israel in Gefangenschaft. Jerusalem, die Stadt Davids, an die sich so viele hoffnungsvolle Verheißungen klammerten, war zerstört. Große Teile der Bevölkerung waren von den Babyloniern verschleppt worden und mussten für viele Jahre im Exil leben. Es war nur noch ein kümmerlicher Rest, der noch daran glaubte, was den Alten, Abraham und Sarah, Jakob und Moses, versprochen worden war. Resignation hatte sich allenthalben breitgemacht. Bestenfalls hatte man sich mit den Verhältnissen arrangiert.

Eine Wende zum Guten schien ausgeschlossen. Man selbst konnte nichts mehr tun. Rettung kann nur noch von außen kommen. Es braucht wahrlich ein Wunder. Da hören sie aus dem Mund des Propheten Jesaja eine fröhliche Vision von dem, was Gott ihnen bereiten wird, die Rückkehr zum Zion, dem Berg Gottes. Gott, der Schöpfer und Erlöser wird Jerusalem wieder bewohnbar machen. Der Prophet, der Bote Gottes, kündigt also Unwahrscheinliches an. Er weiß etwas davon, dass Gott eine Zukunft schafft, mit der die Menschen nicht mehr rechnen.

Und tatsächlich wird dieses Unerwartete später eintreten: Der babylonische König Kyros erlässt ein Edikt, dass die Israeliten wieder in ihre Heimat zurückkehren können. Freudenboten tragen die gute Nachricht nach Jerusalem. Sie verkündigen Frieden, predigen Gutes und verkünden Heil: Unser Gott ist König.

Die Geschichte der Gefangenschaft des Volkes Israel in Babylon und vor allem seine Befreiung ist eine wunderbare und Mut machende Geschichte. Vielleicht haben Sie über die Feiertage einmal Zeit, in diesem Trostbuch von der Erlösung Israels, in den Kapiteln 40-55 des Buchs des Propheten Jesaja etwas mehr zu lesen. Es hat eine ganz eigene Tonlage von zärtlicher, fast mütterlicher Fürsorge. Ich finde, es lohnt sich.

Dort ist weniger von Schuld, aber dafür um so mehr von Liebe und Zuwendung die Rede. Ja, Israel hat schwer gesündigt und Strafe reichlich verdient, aber nun ist es an der Zeit, dass der Herr sein Volk tröstet. Zu Gottes Königtum gehören der Trost und die Erlösung – der Klage wird ein Ende gesetzt.

Eine Geschichte, die davon handelt, wie Gott immer wieder zu den Menschen kommt. Und daher eben eine Geschichte, auch wenn sie aus dem Alten Testament stammt, die vieles mit der Weihnachtsgeschichte gemeinsam hat: eine frohe Botschaft, Rettung, gerade derer, die sich ausgeschlossen fühlen. Eine heilsame Begegnung zwischen Gott und uns Menschen.

'Babylon' - Kupferstich von Ferdinand Ruscheweyh nach einem Gemälde Eduard von Bendemanns, 1832

Eine Geschichte, in der Freude und Leid ganz eng nebeneinander liegen. Seid fröhlich und rühmt miteinander, ihr Trümmer Jerusalems, denn der Herr hat sein Volk getröstet und Jerusalem erlöst.

Ja, noch liegt Jerusalem in Trümmern. Aber so wird es nicht bleiben.

Äußerlich haben wir mit den Verbannten in Babylon oder den Restbewohnern im zerstörten Jerusalem wenig zu tun. Äußerlich geht es den meisten von uns gut. Wir sind frei, wir leben nicht in Trümmern, sondern seit Jahrzehnten im Frieden, in einem der wohlhabendsten Länder dieser Erde. Aber der Gedanke, dass das Leben in Trümmer gehen kann, dass einiges manchmal nur Fassade ist, der ist trotzdem auch bei uns vielen nicht fremd. Existenzängste, körperliche, seelische oder moralische Gebrechen können dazu führen, dass man glaubt, in einem Trümmerfeld zu sitzen.

Da ist das Paar, das sich auseinandergelebt und sich nichts mehr zu sagen hat. Kurz vor Weihnachten sagt er: Ich ziehe aus. Sie bleibt mit den Kindern zurück. Zurück bleiben die Trümmer einer Beziehung.

Da sind Alte und Kranke, die leiden und keine Perspektive mehr für sich sehen. Die Mutter, die den Vater lange Jahre aufopferungsvoll pflegt, bis an den Rand der eigenen Erschöpfung, die oft nicht mehr weiß, wie es weitergeht.

Da ist der Arbeitskollege, dessen Vater nach kurzer schwerer Krankheit kurz vor Weihnachten verstorben ist.

Da sind diejenigen, die keine Arbeit haben und sich überflüssig vorkommen und da sind diejenigen, die schier krank werden über dem ständigen Leistungsdruck. Lebensträume platzen, was bleibt ist ein Trümmerfeld.

Und dann steht Weihnachten vor der Tür und ich soll mich freuen?

Zunächst: ich soll mich nicht, ich darf mich freuen. Aber es ist auch gut, dass die alltägliche Realität, dass Trauer und Leid im Glauben nicht ausgeblendet werden. Die Not wird nicht verschwiegen. Ja, noch liegt Jerusalem in Trümmern. Doch das wird nicht das Ende der Geschichte sein. Der Glaubende darf mit der Macht Gottes auch in der Not rechnen. Seid fröhlich und rühmt einander, ihr Trümmer Jerusalems. Ja, ganz nah liegen Freud und Leid hier zusammen.

Advent kündet wie der Jesaja-Text trotz allem augenscheinlichen Unheil von einer bevorstehenden Wende, die Gott allein bewirken wird.

Eine Mut machende, eine frohe Botschaft: Ich darf Hoffnung haben, das Vertrauen, dass Gott auch aus Trümmern Neues baut. Was auch passiert, wie es mir auch geht, auch wenn einmal scheinbar nichts mehr geht:

Gott wendet sich nicht ab. Er wendet sich uns zu, auch wenn die Not scheinbar am Größten ist. Er geht im Gegenteil gerade dahin, wo alles zerschlagen ist, wo alles in Trümmern liegt. Für niemanden gibt es also Grund zum Verzweifeln. Es gibt Grund zur Freude. Zu einer Freude, die ich nicht selber schaffen muss. Freude hat nach Jesaja ihren Grund immer in dem, was Gott tut und schafft.

Alles zu schön, um wahr zu sein? Ist das nicht alles eine Spur zu bombastisch? Gott als König wird im Triumph zurückkehren und alle Völker werden es sehen, heißt es bei Jesaja. Nun, auch die Israeliten sind nicht in großer triumphaler Geste nach Hause zurückgekehrt. Und die Macht und Herrlichkeit des Reiches Israel kehrte auch nicht zurück. Aber das sollte uns nicht stören.

Denn für uns findet die Geschichte, die Gott mit dem Volk Israel beginnt, in der Geburt Jesu seine Entsprechung und Weiterführung.

Er ist der König, der zu uns kommt. Und da geht es eben gerade nicht triumphal zu, sondern Gott erscheint ganz im Gegenteil im Kleinen und Unscheinbaren: Dem Kind in der Krippe. Und genau dieses scheinbar so ganz unscheinbare Erscheinen ist der Grund unserer Freude.

In Jesus kommt Gott zu den Menschen. Er kommt auf die Erde, in alle Verstrickung, alle Not, in alles Versagen hinein. Er kommt zu uns, wenn uns die Kraft fehlt, ihn zu suchen. Er erbarmt sich unser, auch wenn wir immer wieder vor ihm davonlaufen. Er holt uns ab, wo wir gerade stehen. Er nimmt uns an, so wie wir sind.

Zu Gottes Königtum gehören der Trost und die Erlösung. Der Klage wird ein Ende gesetzt. Gott ist seinem Versprechen und seinem Volk treu.

Und warum ist das alles so? Ganz einfach, weil Gott uns, jeden einzelnen von uns liebt und angenommen hat.

Gott ist für uns da. Er liebt uns, lässt uns nicht im Stich, selbst wenn wir kaum zu einer Leistung mehr imstande sind, auch wenn wir uns immer wieder von ihm entfernen. Und daher dürfen wir uns freuen, dürfen gestärkt und getröstet auf dem Weg weitergehen, der für uns von Gott bestimmt ist. Hin zu dem, der uns seine Liebe ohne jede Voraussetzungen entgegengebracht hat.

Im Buch des Propheten Jesaja wird uns genau diese Liebe zugesagt. An einer der wie ich finde, schönsten Stellen dieses Buches, im 43. Kapitel, wird dies – etwas abgekürzt - wunderbar so ausgedrückt:

“Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein. Weil du in meinen Augen so wertgeachtet und auch herrlich bist und weil ich dich liebhabe. So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir. Denn ich bin der Herr, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland.”

Diese Liebe Gottes und die Freude, die daraus entsteht, wünsche ich uns allen. Diese Liebe ist wirklich Grund zur Freude. In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest, an dem wir die Freude und den Trost, die in der Ankunft Gottes liegen, erfahren dürfen.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

Die Abbildung 'The Prophet Isaiah', 1511-1512, Raffaello Sanzio, sowie der Kupferstich 'Babylon' - von Ferdinand Ruscheweyh nach einem Gemälde Eduard von Bendemanns, 1832, sind im public domain, weil ihr copyright abgelaufen ist.

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