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Predigten von Prädikant Thomas Leichum: Lukas 19, 1-10 Zachäus

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'Zachäus', 1978 - Walter Habdank. © Galerie Habdank

'Zachäus', 1987
Walter Habdank. © Galerie Habdank

3. Sonntag nach Trinitatis

Zachäus Lukas 19, Verse 1-10

Predigt gehalten von Prädikant Thomas Leichum am 24. Juni 2007 in der Dreikönigskirche

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Der Predigttext für den heutigen 3. Sonntag nach Trinitatis steht im Evangelium nach Lukas im 19. Kapitel, die Verse 1 bis 10.

1 Und er ging nach Jericho hinein und zog hindurch.
2 Und siehe, da war ein Mann mit Namen Zachäus, der war ein Oberer der Zöllner und war reich.
3 Und er begehrte Jesus zu sehen, wer er wäre, und konnte es nicht wegen der Menge; denn er war klein von Gestalt.
4 Und er lief voraus und stieg auf einen Maulbeerbaum, um ihn zu sehen; denn er sollte dort durchkommen.
5 Und als Jesus an die Stelle kam, sah er auf und sprach zu ihm:
Zachäus, steig eilend herunter; denn ich muss heute in deinem Haus einkehren.
6 Und er stieg eilend herunter und nahm ihn auf mit Freuden.
7 Als sie das sahen, murrten sie alle und sprachen: Bei einem Sünder ist er eingekehrt.
8 Zachäus aber trat vor den Herrn und sprach:
Siehe Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, gebe ich es vierfach zurück.
9 Jesus aber sprach zu ihm:
Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, denn auch er ist Abrahams Sohn.
10 Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.

Liebe Gemeinde,

bei der Erzählung vom Zöllner Zachäus handelt es sich um eine der bekanntesten Geschichten des neuen Testaments. Es ist eine Dreiecksgeschichte:

Da ist Jesus, der auf dem Weg nach Jerusalem durch Jericho zieht und im Mittelpunkt steht. Um ihn dreht sich alles. Dann ist da Zachäus, der Jesus sehen will und der von ihm eingeladen wird. Und da ist die Menge all der anderen, die um diese beiden herum sind und verärgert reagieren, auf das, was da geschieht.

Schauen wir uns in einem ersten Teil der Predigt zunächst einmal Zachäus genauer an. Im zweiten Teil wird es um die anderen Menschen gehen, wie sie mit der Enttäuschung umgehen, dass Jesus gerade bei diesem Zöllner einkehrt. Und nicht zuletzt: Mit wem können wir uns hier am ehesten identifizieren, wo stehen wir in dieser Geschichte?

Beschäftigen wir uns zunächst mit Zachäus selbst. Er wird im Text durch zwei Dinge charakterisiert: Er ist klein und er ist reich.

Dass er klein ist, hat bestimmt dazu beigetragen, dass sich Kinder gut mit ihm identifizieren können. Im Kindergottesdienst wird die Geschichte nicht ohne Grund immer wieder gerne erzählt. Und Zachäus benimmt sich auch ein wenig wie ein Kind.

Er will zu Jesus, er ist neugierig, will sehen, wer das denn ist. Das klappt nicht. Die anderen lassen ihn nicht vor. Ein kleiner Mensch kommt im wahrsten Sinne des Wortes zu kurz. Das ist etwas, was auch Kindern oft passiert: weil sie klein sind, müssen sie zurückstehen. Und dann muss man eine pfiffige Idee haben, wenn man doch dabeisein will. So wie Zachäus. Der trickst die anderen aus, rennt voraus und klettert auf einen Maulbeerbaum. Wer klein ist, muss sich schon etwas besonderes ausdenken, um in einer großen Menschenmenge etwas sehen zu können.

Klein ist Zachäus offenbar nicht nur körperlich, sondern auch im übertragenen Sinne. Ein kleines Licht, denn er hat nicht die Macht, sich selbst Platz zu schaffen, um Jesus zu sehen, geschweige denn kraft eigener Autorität Jesus zu sich zu bitten, wenn er ihn denn sehen will. Er ist gezwungen, auf einen Baum zu klettern, um ihn zumindest zu sehen. So etwas machen eher Kinder als Erwachsene.

Aber Zachäus ist kein Kind. Zachäus ist ein Oberer der Zöllner und er ist reich. Möglicherweise war er der Oberaufseher für das Zollwesen in Galiläa. Ein gar nicht so kleines Rädchen im Getriebe der Ausbeutung seines eigenen Volkes. Wahrscheinlich gehörte er zu einem der am meisten gehasstesten Männer in Galiläa. Ein Halunke, ein Halsabschneider und Betrüger, der auf Kosten seiner Landsleute zu Wohlstand gekommen ist.

Ich habe versucht, mir einmal vorzustellen, wie wir uns Zachäus heute vorzustellen hätten. Vielleicht kennen Sie den amerikanischen Schauspieler Danny De Vito. Mit einem Meter vierundfünfzig ist er einer kleinsten Schauspieler Hollywoods. Er kann wunderbar den kleinen zu kurz gekommenen Giftzwerg geben, der vor allem von einem getrieben wird: Der Jagd nach dem schnöden Mammon. In dem Film “Das Geld anderer Leute” spielt er zum Beispiel einen Unternehmer, der nichts anderes tut, als schwächelnde Firmen aufzukaufen und sie dann zu zerschlagen. Larry, der Liquidator, wird er genannt, ein skrupelloser Börsenhai.

So würde ich mir Zachäus heute auch vorstellen. Reich, aber klein von Gestalt, fühlt sich Zachäus offenbar auch so und muss sich daher erst recht groß machen. Als oberster Zollpächter treibt er gnadenlos Geld ein. Ein Finanzhai. Und bei so jemandem kehrt Jesus ein.

Reichtum wird im Lukas-Evangelium als etwas sehr schlechtes angesehen, aber nicht, weil Jesus grundsätzlich etwas gegen Geld hätte, sondern weil ganz offensichtlich der Reichtum von Gott und den Menschen trennt. Mit Geld muss man umgehen können. Zachäus kommt auf üble Weise zu seinem Reichtum. Der verlorene Sohn, von dem wir eben in der Lesung gehört haben, verprasst sein Geld und wird dadurch von Gott getrennt. Und nach Lukas kommt auch eher ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher in das Reich Gottes.

Macht Reichtum krank? Merkwürdige Frage. Jedenfalls kann das Geld von Gott trennen. Wo dein Herz ist, da ist auch dein Gott. Und Trennung von Gott macht krank. Zachäus hat sich verloren, hat irgendwo sein Leben verpasst. Er ist reich, aber dadurch auch allein und gesellschaftlich geächtet. Er konnte Jesus nicht sehen wegen der Menge. Die lässt ihn nicht vor. Niemand sagt zu ihm: Komm, ich lasse dich vor, gerade weil du so klein bist. Wir lassen dich durch, damit du besser sehen kannst. Ganz im Gegenteil: Er ist isoliert, verhasst. Und er weiss es.

Warum will Zachäus Jesus eigentlich sehen? Wir wissen es nicht, es wird in unserem Text nicht gesagt. Jedenfalls wird ihm Jesus kaum sagen können, wie er noch reicher wird. Den bettelarmen Wanderprediger sehen und hören zu wollen, das muss einen anderen Grund gehabt haben.

Irgendeine geheime Sehnsucht muss in Zachäus sein, nach Gemeinschaft, nach wahrem Leben, nach Liebe. Er hatte offenbar schon von Jesus gehört. Vielleicht waren ja diese merkwürdigen Geschichten zu ihm gedrungen, dass da einer durch die Städte und Dörfer Galiläas zieht, der die Alleingelassenen, die Entrechteten und Entehrten an seinen Tisch bittet. Dass da jemand die Menschen zu sich kommen lässt, wie sie nun eben sind. Der gerade auf diejenigen zugeht, die in Verfehlungen verstrickt und ihrer Schuld hilflos ausgeliefert sind. Vielleicht hatte Zachäus gerade das in der Tiefe seiner Seele angerührt.

Und dann geschieht genau das: Jesus spricht ihn an: Ich muss heute in deinem Haus einkehren. Warum muss er das? Jesus sagt es am Ende selbst: Er ist gekommen, um zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. Das heißt: Jesus kommt nicht trotz der Fehler und Schwächen zu Zachäus, sondern er kommt gerade deswegen zu ihm. Er muss zu ihm gehen, denn er ist zu denen geschickt, denen es dreckig geht, die verloren und krank sind.

Nach Jesus ist ein Mensch wie Zachäus nicht in erster Linie böse, sondern krank. Gerade deswegen geht Jesus zu diesem Halunken und Halsabschneider. Jesus ist ein Heiler. Und nur die Kranken bedürfen eines Arztes, nicht etwa die Gesunden. Jesus will helfen und heilen, er will sich nicht bejubeln lassen, deshalb ist er nicht da.

Das Jesus den bösen Zöllner so einfach mir nichts dir nichts umpolt, dass der spontan auf sein halbes Vermögen verzichtet, das kommt uns auf den ersten Blick dann allerdings doch reichlich märchenhaft vor. Aber das setzt eben voraus, dass Zachäus tatsächlich einfach nur böse ist und sonst gar nichts.

Man sieht aber wirklich nur mit dem Herzen gut. Was Zachäus in seinem Innersten bewegt, wissen wir nicht. Wir erfahren nur, dass er Jesus sehen will, er bewegt sich ein wenig auf ihn zu, irgendetwas fasziniert ihn an Jesus. Jesus hat ihm offenbar etwas zu bieten, was ihm sein bisheriges Leben nicht gibt. Er ist einsam, isoliert und geächtet. Sein Reichtum hat nicht dazu geführt, dass man ihn achtet und respektiert.

Und dann kommt da plötzlich dieser Jesus und sagt: Du, ich will zu dir. Er hat ihm damit ihm Grunde genommen schon die Vergebung zugesprochen. Ich akzeptiere dich, einfach so wie du bist. Ich schaue durch deinen gesamten Schmutz hindurch und blicke auf dein Herz und sage: Du bist geliebt. Dass Jesus ihm die Tischgemeinschaft zusagt, damit hat er ihm schon seine Sünden vergeben.

Das haut Zachäus um und lässt ihn voll Freude umkehren. Jetzt will er sein halbes Vermögen geben. Wenn er jemanden betrogen hat, so will er es vierfach zurückgeben. Aber ist seine Freude nicht verständlich?

Wollen wir das nicht alle? Das wir rückhaltlos akzeptiert werden, so wie wir nun einmal sind. Nicht, dass damit gesagt wäre, das ist alles nicht so schlimm, was du angestellt hast. Doch, es ist schlimm, aber ich liebe dich trotzdem und lasse dich nicht fallen. Und nur so ist dann tatsächlich auch ein Neuanfang möglich, kann durch Jesus Versöhnung und Gemeinschaft entstehen.

Denn nur Schuldbeladene können empfinden, was es heißt, Schuld ablegen zu dürfen. Und nur wer eine Wohltat empfangen hat, ist zur Liebe fähig.

Wenn Zachäus ernst meint, was er sagt – und Jesus nimmt es ernst – dann ist die Güte, die plötzlich aus ihm herausbricht, wenn er die Hälfte seines Besitzes den Armen geben will, das Zeichen seiner Gesundung, das Zeichen, das Gott sich ihm zugewandt und ihn wieder aufgenommen hat in das brüderliche Gottesvolk.

Ja, wenn ich es so sehe, kann ich mich auch mit Zachäus identifizieren. Wie oft komme ich mir klein und unscheinbar vor, habe das Gefühl, hinter anderen zurückstehen zu müssen. Ja, ich habe auch meine dunken Seiten, ich habe Dinge getan, für die ich mich schäme und Dinge unterlassen, die ich hätte tun sollen. Nein, ich bin nicht der Gerechte, der die Hilfe von Jesus nicht braucht. Es wäre nicht in Ordnung, wenn ich bete: Danke, Gott, dass ich nicht so ein Räuber, Betrüger bin wie dieser Zöllner. Sondern auch ich kann mich Gott im Grunde nur zaghaft von ferne nähern und bitten: Gott, sei mir Sünder gnädig.

Und dann kann ich – können wir uns - auch mit Zachäus freuen, dass Gott zu uns kommt, uns alle so wie wir nun einmal sind in seine Liebe einschließt und wir jederzeit, egal, was passiert, zu ihm in seine Gemeinschaft heimkehren dürfen, um mit ihm ein Fest der Freude zu feiern.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

Wir danken Frau Friedgard Habdank sehr herzlich, dass sie uns die Bilder ihres Mannes auf so großzügige und kostenlose Weise zur Verfügung gestellt hat. © Galerie Habdank, www.habdank-walter.de

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