Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Prädikant Thomas Leichum: Matthäus 6, Verse 5 - 13 Vater Unser

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Rogate: Matthäus 6, Verse 5 - 13 Vater Unser

Gehalten von Prädikant Thomas Leichum am 13. Mai 2007, Bergkirche

'Garden of Gethsemane (Christ on the Mount of Olives)'

'Garden of Gethsemane (Christ on the Mount of Olives)'

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Der Predigttext für den heutigen Sonntag Rogate - “Betet” - steht im Evangelium nach Matthäus im 6. Kapitel, die Verse 5 bis 13.

Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, damit sie von den Leuten gesehen werden. Wahrlich ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt.
Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten.
Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden, denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen.
Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet.
Darum sollt ihr so beten:
Unser Vater im Himmel!
Dein Name werde geheiligt.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute,
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

Amen.

Liebe Gemeinde,

Ratgeber sind heute gefragt wie selten zuvor. Unsere Welt wird immer komplizierter, unser Leben immer schneller und hektischer. Damit steigt auch das Bedürfnis nach Orientierung. Die Regale der Buchläden sind voll mit Büchern zum Thema Lebenshilfe: Erkläre mir die Welt, sage mir, was ich tun soll. Wie kann ich einfacher und glücklicher leben? Das sind Themen, die offenbar viele Menschen bewegen. Mit einem Buch hierüber machte etwa Werner “Tiki” Küstenmacher, ein gelernter evangelischer Pfarrer vor kurzem Furore.

Sinnvoll leben lernen, einfacher und glücklicher leben. Um solchen Ratgeber geht es im Grunde genommen auch in der heutigen Predigt. Einen Ratgeber, wie man Beten lernt: Das Vaterunser. Nichts anderes ist dieses bekannteste Gebet, dass uns als Christen geschenkt worden ist: Ein Ratgeber, eine Lehre zum Beten.

Brauchen wir denn so einen Ratgeber? Nun, einer der bekanntesten Ratgeber für Lebenshilfe ist wohl nach wie vor das Buch “Sorge dich nicht, lebe”, geschrieben von dem amerikanischen Autor Dale Canegie. Ein Buch, das 1949 erstmals in Deutschland erschienen ist und in unzähligen Auflagen bis heute Spitzenplätze auf den Beststellerlisten einnimmt. Schlägt man dieses Buch genau in der Mitte auf, stößt man auf ein Kapitel namens “Das allerbeste Mittel um Angst und Sorge zu bannen”. Und dort geht es um nichts anderes als das Thema Gebet.

Das Gebet wird dort also offenbar als das wichtigste Mittel angesehen, um mit seinem Leben zurecht zu kommen. Und was immer man jetzt im Einzelnen zu dem sagen könnte, was in diesem Buch steht, eines ist hier jedenfalls ganz richtig erkannt: Beten ist etwas ganz Wichtiges und Praktisches, etwas, dass ganz viel mit unserem Leben, mit unseren Freuden, Ängsten und Sorgen, vor allem aber mit unserem Verhältnis zu Gott zu tun hat.

Aber wie man Beten lernt, dazu braucht es eben keinen modernen Ratgeber. Wir als Christen haben von Jesus mit dem Vaterunser ein Gebet geschenkt bekommen, dass er seine Jünger selbst gelehrt hat und in dem das Wichtigste und Grundlegendste enthalten ist, was wir Gott sagen können. So wie es dort steht, dürfen wir beten. Und so lernen wir auch beten. Denn: Wer beten lernen will, muss selbst beten.

Das Vaterunser ist der Ratgeber schlechthin über die Kunst des Betens. Beten ist Reden mit Gott, ist Antwort auf unser Angesprochensein von Gott. Aber kann man über das Beten überhaupt etwas Allgemeines sagen? Beim Beten geht es doch um etwas ganz intimes. Um vertrauliche, persönliche Worte, die ich an Gott richte. Worum bitte ich Gott? Was erwarte ich von ihm? Wenn ich bete, muss ich eine feste Vorstellung von dem haben, an den ich mich wende. Was soll mein Gebet bewirken? Das Gebet sagt also ganz viel über meinen Glauben aus, über mein Verhältnis zu Gott und das Bild, das ich mir von ihm mache.

Jesus weist uns zunächst darauf hin, dass es beim Beten nicht darum gehen kann, vor aller Öffentlichkeit gut dastehen zu wollen. Gebet ist eher etwas, dass sich im stillen Kämmerlein abspielt, im Verborgenen. Heute wird allerdings kaum jemand in der Öffentlichkeit beten, um seinen Glauben zur Schau zu stellen. Vielmehr genieren wir uns ja eher, dies zu tun. Ein Mittagsgebet in der Werkskantine, damit kann ich kaum imponieren. Vielleicht würde es uns gelegentlich gut tun, unseren Glauben etwas offener zu bekennen. Aber beim Gebet geht es zunächst weniger um Wirkung nach außen als um unserer Inneres, um unsere ganz persönliche Beziehung zu Gott. Beten ist vor allem eine Grundhaltung: gewiss sein, dass Gott da ist, auf ihn schauen, vor Gott und mit Gott bewusst leben.

Wir brauchen daher beim Beten nicht viele Worte zu machen. So wie Martin Luther darauf hingewiesen hat: Je weniger Wort, desto besser Gebet. Beim Gebet geht es eher um Stille werden, um Innehalten gegenüber Gott. Wir sollen nicht plappern. Gott weiß schon was wir sagen wollen. Umgekehrt heißt das aber auch: Ich kann Gott nahe kommen, ohne viele Worte machen zu müssen. Wenn mir die Worte versagen, so macht das nichts. Gerade dann kann ich mich an den vertrauten Worten des Vaterunsers festhalten.

Diese Worte können wie eine Herberge sein, eine Einkehr beim Unterwegssein. Ein Anker, der uns Halt gibt. Es gibt Momente, die uns so erschüttern, das wir sprachlos werden. Dann ist es tröstlich, wenn ein festes Wort da ist, das uns auffängt und trägt, das uns zur Zuflucht werden kann.

Was können wir Gott sagen? Vor allem unseren Dank, unser Lob und unsere Freude, die darin ihren Grund hat, dass Gott für uns da ist, für uns und für unsere Welt. Die ersten Sätze des Vaterunsers führen uns daher zu Anbetung, Lob und Dank. Wir dürfen Gott unseren Vater nennen, unser Leben durch sein Wort bestimmen lassen, das Kommen seines Reiches mit Freude erwarten und uns seinem Willen anvertrauen.

Zunächst einmal kommt also Gott als unser Gegenüber im Vaterunser vor. Es geht zuerst nicht um uns selbst, sondern um unsere Beziehung zu Gott, aber genau das hat auch sofort große Auswirkungen auf unser Leben. Wenn wir Gott unseren Vater nennen dürfen, dann sind wir nie mehr allein. Unser Vater, das heißt, wir dürfen Gott anreden als Vater, der uns nahe ist. Wir sind geliebte Töchter und geliebte Söhne, an denen Gott Wohlgefallen gefunden hat.

Ich brauche daher meine Kämpfe nicht mehr alleine auszutragen. Ich muss in meinem Leben nicht perfekt sein. Ich tue, was in meiner Kraft liegt. Aber ich bin auch in meiner Schwäche in Gottes Hand. Gott wird mich nicht fallen lassen. Er wird mir seine Hand nicht entziehen, auch wenn vieles anders läuft, als ich es mir vorgestellt habe.

Und auch die Beziehung zu meinen Mitmenschen ist davon betroffen. Auch wenn wir allein beten, so beten wir nicht “Mein Vater”, sondern “Vater unser”. Er ist also unser aller Vater. Nicht nur ich bin von ihm geliebt und geborgen, sondern die andern sind es auch. Das stiftet Gemeinschaft.

Und nur dann kann ich sagen: Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden, wenn ich glauben kann, dass es am Ende ein liebender Vater ist, dessen Wille ich mich unterwerfe. Denn dieser Wille erscheint ja auch vielfach dunkel und unerforschlich im Angesicht von Leid, Hungern und Sterben.

Ich habe hier an die Szene im Garten Gethsemane denken müssen, wo Jesus “betrübt bis an den Tod” dreimal dieselben Worte spricht und genau dieses Vaterunser aufgreift, wenn er betet: Mein Vater, ist's möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber, doch nicht wie ich will, sondern wie du willst.

Die Hinwendung zum Vater kann dann in aller Angst und Not zu Trost und Stärkung führen. Bei Lukas sendet Gott nach diesem Gebet einen Engel vom Himmel, um Jesus in seiner Angst zu stärken. Das heißt: Wir sind nicht allein in unserer Angst, sondern Gott kümmert sich um uns. Er stärkt uns, auf dem Weg, der uns bestimmt ist, weiterzugehen.

Aber wir dürfen Gott auch bitten: um das tägliche Brot, um Bewahrung und Hilfe, um Vergebung für uns und für andere Menschen. Wir dürfen Gott um das Alltägliche bitten, um unsere leiblichen Bedürfnisse. Auch die kommen bei Gott vor, ja sie sind ganz zentral. Es ist kein Zufall, dass die Bitte nach dem täglichen Brot genau in der Mitte aller Bitten steht, genau zwischen den Höhen von Gottes Namen, Gottes Reich, Gottes Willen und den Abgründen von unserer Schuld, unseren Anfechtungen und unserer Verlorenheit. Auch hier bitten wir wieder für “uns”, es geht immer auch um Gemeinschaft vor Gott, wir alle bedürfen des täglichen Brots. Man kann vor Gott nicht für sich allein um Brot bitten.

Das Vaterunser lehrt uns übrigens auch, nur um Brot für den heutigen Tag zu bitten. Nur das Brot des heutigen Tages können wir essen. Also keine Klage über das Brot, das wir gestern noch nicht hatten und keine Klage darüber, dass morgen vielleicht Dürre herrschen wird und wir dann womöglich kein Brot haben werden. Das heisst, wir sollen uns nicht um das Morgen ängstigen.

Und schließlich bitten wir darum, dass Gott uns unsere Schuld vergibt, uns nicht in Versuchung führt und uns von dem Bösen erlöst. Auch hierbei geht es um Lebensnotwendiges. Wir müssen frei werden von unserer Schuld, um neu beginnen zu können. Mit am Allernötigsten im menschlichen Leben ist daher ein Wort, das freispricht, damit wir mit uns und Gott versöhnt werden.

Wenn wir bitten, dass Gott uns nicht in Versuchung führt, dann suchen wir Zuflucht bei Gott vor Mächten, denen wir nicht gewachsen sind. Dem Bösen können wir oft nicht standhalten, gerade wenn wir uns nur auf uns selbst verlassen. Denn es ist ja auch möglich, dass Gott selbst diese Anfechtungen schickt. Führe uns nicht in Versuchung heißt ja auch: genau das könnte er tun. Ich bete daher auch gegen Gott an. Wie Martin Luther sagt: Ich fliehe vor Gott zu Gott.

Es gibt Dunkelheiten und Abgründe, denen wir uns stellen müssen wie Jesus im Garten Gethsemane. Wir dürfen nicht aus Angst vor dem Bösen unsere Talente vergraben, wenn unser Leben gelingen soll. Aber das können wir nicht allein, sondern nur vor und mit Gott. Wir bleiben in Versuchung solange wir leben, aber wenn Gott uns nicht verlässt, dürfen wir trotzdem hoffen.

Wir sind also wahrlich gut beraten, immer wieder das Vaterunser zu beten, es als gutes unerschütterliches und immer wiederkehrendes Ritual zu pflegen, das uns mit den Christen auf der ganzen Welt verbindet. Im Vaterunser bringen wir unser ganzes Leben vor Gott. Lob, Dank, Bitte, Schuld, Vergebung. Alles hat hier seinen Platz.

Dabei können wir erfahren, dass der Druck des Alltags und die Last der Sorge von uns abfallen. Unsere Seele schöpft tief Atem. Im Gebet dürfen wir uns auf Jesus berufen und uns an ihn wenden. Wenn wir beten, nehmen wir teil an seinem Gottvertrauen. Mag unser eigener Glaube schwach und unser Gebet verkümmert sein, Gott hört uns dennoch um Christi willen.

Und so dürfen wir abschließend mit Martin Luther sagen, dass wir gewiss sein dürfen, dass unsere Bitten dem Vater im Himmel angenehm sind und von ihm erhört werden. Denn er selbst hat uns geboten so zu beten und verheißen, dass er uns erhören will. Ja, ja, so soll es geschehen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

'Garden of Gethsemane (Christ on the Mount of Olives)' - Stained glass windows in the Mausoleum of the Roman Catholic Cathedral of Our Lady of the Angels, Los Angeles, California; originally created in the 1920s for Saint Vibiana Cathedral, Los Angeles. Window: workshop of Franz Borgias Mayer (1848–1926); Photo: Andreas Praefcke. Diese Photo wurde von seinem Urheber zur uneingeschränkten Nutzung freigegeben. Das Bild ist damit gemeinfrei („public domain“).

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