Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Matthäus 17,1-9 Vorschau der ewigen Herrlichkeit

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Letzter Sonntag nach Epiphanias

Vorschau der ewigen Herrlichkeit Matthäus 17,1-9

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2003

'Die Verklärung Jesu' - Ikonen-Museum Recklinghausen

Ikonen-Museum Recklinghausen: Die Verklärung Jesu

Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus und Jakobus und Johannes, dessen Bruder, und führte sie allein auf einen hohen Berg. Und er wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht. Und siehe, da erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten mit ihm. Petrus aber fing an und sprach zu Jesus: Herr, hier ist gut sein! Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine. Als er noch so redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören! Als das die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und erschraken sehr. Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Steht auf und fürchtet euch nicht! Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein. Und als sie vom Berge hinabgingen, gebot ihnen Jesus und sprach: Ihr sollt von dieser Erscheinung niemandem sagen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist. (Matthäus 17, 1-9)

Es gibt einen Mann mit dem Namen Merhan Karimi Nasseri, der 11 Jahre lang in einem Flughafen gelebt hatte. Von seinem Heimatland, Iran, wurde er ausgewiesen und ist im Jahre 1988 nach Paris geflohen. Er hatte von Belgien eine Einreisegenehmigung bekommen, die ihn als Flüchtling ausgewiesen hatte, aber behauptete, dass dieses Dokument ihm gestohlen wurde. Er war jetzt ein Mensch ohne Heimat und ohne Papiere. Er durfte das Terminal 1 des Pariser Flughafens nicht verlassen. Die Verantwortlichen des Flughafens erlaubten es ihm, in dem Flughafen zu leben. Er richtete sich auf einer Bank häuslich nieder, und auf einem Tisch schrieb er Einträge in ein Tagebuch. Er bekam von Flughafenmitarbeitern Geldspenden und Lebensmittel, damit er überleben konnte; als Ausgleich übernahm er Putzarbeiten. Im Jahre 1999 bekam Nasseri von einer französischen Behörde eine Aufenthaltsgenehmigung und Reisedokumente, die international gültig waren. Er dürfte jetzt hingehen, wo er wollte. Er nahm die Dokumente dankbar an, aber anstatt in die Freiheit zu ziehen, setzte er sich auf seine Bank und schrieb in seinem Tagebuch weiter; er wollte nicht weg. Er war innerlich nicht in der Lage, seinen vertrauten Platz am Flughafen zu verlassen. Die Vorstellung, die Bank und den Tisch zu verlassen, die für ihn 11 Jahre lang seine Heimat waren, erweckte in ihm eine solche panische Angst, dass er nicht weggehen konnte. Die Flughafenverantwortlichen sagten dazu, dass sie ihn nicht zwingen würden, den Flughafen zu verlassen, aber dass sie sanft auf ihn einwirken und ihn ermutigen wollten, ein neues Leben in Freiheit zu beginnen.

In diesem Mann offenbart sich etwas, was in jedem von uns steckt. In jedem von uns lauert eine Angst vor Veränderung, besonders wenn Veränderung bedeutet, etwas Vertrautes aufzugeben. In jedem von uns steckt die Gefahr, dass wir uns in einer engen Begrenztheit häuslich niederlassen und dadurch unbeweglich werden. Wenn jemand z. B. nur für seinen Beruf lebt, und ansonsten keinen anderen Lebensinhalt kennt, wird diese Person möglicherweise zusammenbrechen, wenn die Berufstätigkeit verloren oder zu Ende geht.

Und auch in der Kirche sind Veränderung und Verwandlung unvermeidbar. Und manche Personen erleiden einen Zusammenbruch im Glaubensleben oder ziehen sich zurück, wenn sie etwas Vertrautes verlieren. In diesem Zusammenhang hat Lothar Zenetti, der frühere Pfarrer unserer katholischen Nachbargemeinde, St. Wendel, etwas geschrieben. Die Überschrift dieses Textes heißt „Wandlung“

Frag hundert Katholiken was das wichtigste ist in der Kirche.
Sie werden antworten: Die Messe.
Frag hundert Katholiken was das wichtigste ist in der Messe.
Sie werden antworten: Die Wandlung.
Sag hundert Katholiken dass das wichtigste in der Kirche die Wandlung ist.
Sie werden empört sein: Nein, alles soll bleiben wie es ist!

Für uns Christen sind Wandlung und Verwandlung unvermeidbar. Das ist auch das Thema des Textes, der für heute vorgesehen ist. Die Verklärung Jesu war eine Verwandlung. Es heißt:

Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus und Jakobus und Johannes, dessen Bruder, und führte sie allein auf einen hohen Berg. Und er wurde verklärt (wortwörtlich: verwandelt) vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht.

Unmittelbar vorher hatte Jesus seinen Jüngern angekündigt, dass er „nach Jerusalem gehen und viel leiden müsse von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten und getötet werden und am dritten Tage auferstehen.“ Und auch nach der Verklärung sagte Jesus noch einmal, dass er viel leiden müsse.

In beiden Fällen reagieren die Jünger mit Unverständnis und Widerstand. Sie können nicht akzeptieren, dass Jesus leiden und sterben sollte, auch wenn eine Auferstehung danach erfolgen würde. Die Jünger wollen, dass alles so bleibt wie es ist. Sie wollen keine Veränderungen und keine Verwandlungen. Am liebsten wäre es ihnen, auf dem Berg der Verklärung dauerhaft zu bleiben: Das wird deutlich, als Petrus während der Verklärung auf die Idee kommt, Hütten zu bauen, damit dieser Moment nie aufhört.

Aber sie dürfen nicht bleiben. Sie müssen mit Jesus absteigen und mit ihm Leiden und Sterben durchmachen. Denn es gibt eine Verwandlung, die für alle Menschen unumgänglich ist: wir werden alle in Staub und Asche verwandelt.

'The Transfiguration', Early 15th century, Theophanes the Greek

Aber die Verklärung soll uns zeigen, dass Staub und Asche nicht das Endziel ist. Wir sind für Verklärung und für ewige Herrlichkeit vorgesehen. Unsere ewige Zukunft wird ausdrücklich in Mose und Elia vor Augen geführt: Hier stehen Personen, die seit Jahrhunderten tot waren: Mose war seit 1200 Jahren tot; Elia lebte 900 Jahre vor Christus. Und jetzt stehen sie auf dem Berg der Verklärung und reden mit Jesus. Das Lukasevangelium berichtet, dass Jesus, Elia und Mose „in Herrlichkeit“ erschienen sind. Hier sehen wir eine Vorschau der Zukunft: wir werden Jesus in seiner Herrlichkeit sehen und selber zu seiner Herrlichkeit gehören.

Unser Bürgerrecht aber ist im Himmel; woher wir auch erwarten den Heiland, den Herrn Jesus Christus, der unsern nichtigen Leib verwandeln wird, dass er gleich werde seinem verherrlichten Leibe nach der Kraft, mit der er sich alle Dinge untertan machen kann. (Phil. 3, 20. 21)

Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf Erden ist. Denn... euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott. Wenn aber Christus, euer Leben, sich offenbaren wird, dann werdet ihr auch offenbar werden mit ihm in Herrlichkeit. (Kol. 3, 2 – 4)

Diese Verheißung soll uns Kraft und Trost geben, damit wir Verlust und Veränderung nicht nur verkraften, sondern auch frei werden für das Neue, das Gott uns öffnen will.

Denn es ist nicht gut, wenn alles bleibt, wie es ist. Denken Sie nur daran, wie der Konfirmandenunterricht früher war: ein Frontalunterricht, ein Auswendiglernen und ein Pauken, das mit einer langatmigen Prüfung abgeschlossen wurde. Wenn Konfirmandenunterricht so geblieben wäre, wie er früher war, würden wir heute entweder keine Konfirmanden haben oder wir würden unzufriedene Konfirmanden haben, die den christlichen Glauben nicht ernst nehmen könnten. Oder wenn die Lutherbibel so geblieben wäre, wie Luther sie 1534 übersetzt hatte, würde niemand heute die Bibel lesen wollen. Bibelübersetzungen müssen regelmäßig revidiert werden, damit sie verständlich bleiben. Die Kirche ist dazu bestimmt, sich immer wieder auf Veränderung und Verwandlung einzulassen. Wenn sie das nicht tut, wird sie entweder irrelevant oder sie wird unheilsame Zusammenbrüche erleiden.

Die Verklärung Jesu soll uns die Kraft und die Ermutigung geben, die wir brauchen, um Veränderungen zu verkraften und die neuen Wege zu gehen, die Gott für uns vorgesehen hat.

Die biblische Verheißung lautet sogar (2. Kor. 4, 17):

„unsre Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit.“

Das, was wir erleiden, trägt sogar zu der Herrlichkeit bei, für die wir vorgesehen sind.

Es gibt einen Engländer mit dem Namen William Montague Dyke. Als er zehn Jahre alt war, wurde er durch einen Unfall blind. Trotzdem schaffte er es, einen Universitätsabschluss mit hohen Auszeichnungen zu erlangen. Während des Studiums lernte er die Tochter eines Marineoffiziers kennen und verlobte sich mit ihr. Kurz vor der Hochzeit wurde eine Augenoperation vorgenommen, die seine Sehfähigkeit wiederherstellen sollte. Der Ausgang der Operation war allerdings ungewiss; falls sie nicht gelingen würde, würde er sein ganzes Leben lang blind bleiben. Als die Operation abgeschlossen war, wurden die Augen des Blinden mit Bandagen zugebunden. Der Blinde bestand darauf, diese Bandagen zu tragen bis zur Hochzeit. Falls die Operation erfolgreich sein sollte, wollte er zuallererst seine Braut sehen. Am Tag der Hochzeit waren viele Gäste versammelt – dazu gehörten Mitglieder der königlichen Familie und Kabinettmitglieder der Regierung. Neben dem Bräutigam stand der Arzt, der die Operation durchgeführt hatte. Die Glocken läuteten, auf der Orgel wurde der Hochzeitsmarsch gespielt. Als die Braut neben dem Bräutigam stand, kam der große Moment. Die Bandagen wurden mit Scheren entfernt. Und der Bräutigam sagte laut, so dass jeder in der Kirche es hören konnte: „Du bist viel schöner, als ich es mir jemals vorstellen konnte.“

Und unsere Begegnung mit Jesus Christus in ewiger Herrlichkeit wird eine vergleichbare Reaktion auslösen. Unsere Augen werden aufgetan. Wir werden feststellen, dass die Begegnung mit dem verklärten Christus unermesslich schöner ist als alles, was wir uns vorstellen konnten.

Die Vorschau der Herrlichkeit, die am Berg der Verklärung offenbart wurde, verwandelt das alltägliche Leben. Wie ein englischer Theologe, Kenneth Stevenson, schrieb: „Die Verklärung zieht uns aus dem Sumpf unserer Gewöhnlichkeit. Die Verklärung befähigt mich, alles in meinem Leben ganz anders zu sehen. Sie gibt mir eine völlig neue Perspektive von Zeit und Ewigkeit.“

Möge Gott uns helfen, die Kraft und Ermutigung zu spüren, die von der Verklärung Christi ausgeht.

Wir danken dem Ikonenmuseum Recklinghausen (www.kunst-in-recklinghausen.de/6im.html) für die Genehmigung, Ikonen aus diesem Museum kostenlos zeigen zu dürfen.
Die Abbildung 'The Transfiguration', Early 15th century, Theophanes the Greek, ist im public domain, weil ihr copyright abgelaufen ist.

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