Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Johannes 2, 1 – 11 Gott kann überall seine Herrlichkeit offenbaren

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2. Sonntag nach Epiphanias

Gott kann überall seine Herrlichkeit offenbaren Johannes 2, 1 – 11

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2003

'Hochzeit zu Kana', PSch

Und am dritten Tage war eine Hochzeit in Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da. Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen. Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. Jesus spricht zu ihr: Was geht's dich an, Frau, was ich tue? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut. Es standen aber dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte, und in jeden gingen zwei oder drei Maße. Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan. Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt's dem Speisemeister! Und sie brachten's ihm. Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wusste, woher er kam - die Diener aber wussten's, die das Wasser geschöpft hatten - ruft der Speisemeister den Bräutigam und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie betrunken werden, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückbehalten. Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen in Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn. (Johannes 2, 1 – 11)

Es gibt in Paris eine kommunistische Zeitschrift. Vor einigen Jahren berichtete ein Journalist dieser Zeitung ausführlich über einen römisch-katholischen Nonnenorden. Der Berichterstatter, Pierre Giraud, war ein Kommunist und er war überzeugt, dass die Wohltätigkeitsarbeit dieser Nonnen nicht selbstlos war, sondern ein Vorwand, um Geld für die Kirche einzutreiben. Diese vermeintliche Geldorientierung wollte er entlarven. Er bat um Erlaubnis, eine der Nonnen einen Tag lang zu begleiten. Eine Schwester wurde ausgesucht, und diese Schwester führte ihn in Teile der Stadt hinein, die er noch nie gesehen hatte, wo die Wohnungen hoffnungslos verwahrlost waren. In dem Keller eines Hauses lag ein Mann, der todkrank war. Der Zeitungsreporter war gewohnt, die rauhe Seite des Lebens zu sehen, aber diese Wohnung erschütterte ihn. Der Schmutz und der Gestank waren überwältigend. Als die Nonne und der Journalist durch die Türen hereinkamen, liefen die Ratten weg. Der Kranke, der auf Stofffetzen lag, war unbeschreiblich schmutzig, und er zitterte. Sein Zustand war das Ergebnis von Armut, Krankheit, Alkohol und Drogen. Die Nonne krempelte ihre Ärmel hoch, nahm eine Schüssel, füllte sie mit Wasser und fing an, den Kranken zu waschen. Plötzlich reckte sich der Mann hoch und sagte: „Schwester, ich habe Angst.“ Was danach geschah, wurde von dem Journalisten mit den folgenden Worten beschrieben: „Ich konnte nicht glauben, was ich sah: diese feinfühlige, kultivierte Frau nahm das schmutzige Menschenwrack in ihre Arme und hielt es, wie man ein kleines Kind hält. Plötzlich wurde diese Bruchbude in ein Stück Himmel verwandelt - durch die Liebe, die da war.“ Der Kommunist war von der Güte überwältigt, die er beobachtet hatte.

Was dieser Zeitungsreporter erlebte, veranschaulicht, was bei der Hochzeit zu Kana geschehen ist. Es geht hier um Verwandlung. Und zwar gibt es Verwandlungen, die nur Gott vollziehen kann. In einem Keller in Paris wurde eine Bruchbude in ein Stück Himmel verwandelt – durch eine Liebe, die in Gott ihren Ursprung hat. Und bei einer Hochzeit in Galiläa wurde Wasser in Wein verwandelt: eine Verwandlung, die nur Gott vollziehen konnte. Denn es heißt am Ende der Geschichte: „Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, .... und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.“ Um diesen Schlusssatz zu verstehen, muss man die versteckten Anspielungen dieser Geschichte erkennen. Es geht hier nicht bloß um einen Zaubertrick; es geht darum, dass Gott selber erschienen ist und seine Herrlichkeit offenbarte.

Um diese Botschaft zu begreifen, muss man die Bibel kennen. Der erste Hinweis auf eine göttliche Offenbarung kommt in dem ersten Satz vor. Es heißt: Und am dritten Tage war eine Hochzeit. Diese Zeitangabe ist ein Hinweis auf den dritten Tag der Woche, den Dienstag. Der Dienstag ist im Judentum ein traditioneller Hochzeitstag. Die Begründung dafür ist in der Schöpfungsgeschichte am Anfang der Bibel zu finden. Am dritten Tag schuf Gott bewohnbares Land und die Pflanzenwelt. Und zum ersten Mal hieß es: Und Gott sah, dass es gut war. Sogar zweimal an diesem Tag, machte Gott diese Feststellung, dass die Schöpfung ab jetzt gut war. Und weil Gott zweimal feststellte, dass die Schöpfung gut war, wählten die Juden diesen Tag aus, um Hochzeiten zu feiern. Und dieser dritte Schöpfungstag wurde mit dem Gotteswort eingeleitet: Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an besondere Orte. Und Jesus tat dasselbe bei der Hochzeit zu Kana: Er ordnete an, dass Wasser an besonderen Orten gesammelt werden sollte. Der bibelkundige Leser sollte hier merken, dass derselbe Gott, der am dritten Tag Wasser an besonderen Orten sammelte, in Jesus erschienen ist.

Der nächste Anhaltspunkt in der biblischen Geschichte ergibt sich, wenn man Jesus und Mose vergleicht. Denn das Johannesevangelium will diesen Vergleich machen; da heißt es: Das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden. Und bei der Hochzeit zu Kana wird dieser Gegensatz deutlich. Das erste Zeichen, das Gott in Ägypten tat, war, dass er durch Mose Wasser in Blut verwandelte. Dies war die erste Plage und war eine Strafhandlung. Das erste Zeichen Jesu war, dass er Wasser in Wein verwandelte, eine menschenfreundliche Handlung. Der Leser sollte auch hier merken, dass derselbe Gott, der in der Geschichte Israels am Wirken war, jetzt in Jesus erschienen ist. Und das ist der Grund, weshalb es heißt: Er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn. Das heißt: Jesus offenbarte, dass er den Gott verkörpert, der in der biblischen Geschichte am Wirken war.

Eine weitere Bestätigung dieser Botschaft findet man in Psalm 104, wo es heißt, dass Gott den Wein erschaffen hatte, um des Menschen Herz zu erfreuen. Wein ist der Inbegriff der Freude, und Jesus schuf 480 bis 720 Liter Wein, eine überwältigende Menge. Das heißt: die Freude, die Jesus schafft, ist überwältigend in ihrem Ausmaß. Und dieser Wein, der beste Wein, kommt zuletzt. Die beste Freude kommt zuletzt, die ewige Freude. Auch diese Botschaft gehört zu der Herrlichkeit, die Jesus bei der Hochzeit zu Kana offenbarte.

'Hochzeit zu Kana', um 1500-1510, Musée du Louvre.

'Hochzeit zu Kana', um 1500-1510, Musée du Louvre.

Die Hochzeit zu Kana soll uns zeigen, dass Gott sozusagen ein Verwandlungskünstler ist. So wie er Wasser in Blut oder Wasser in Wein verwandelt hat, so kann er und will er alles verwandeln. In dem letzten Buch der Bibel spricht Gott: „Siehe, ich mache alles neu.“

Die katholische Kirche verkörpert vielleicht am konsequentesten diesen Glauben an die Verwandlungsfähigkeit Gottes. Denn diese Kirche verkündet, dass die Eucharistie ein Verwandlungsmoment ist: Brot wird in den Leib Christi und Wein wird in das Blut Christi verwandelt. Der Fachausdruck dafür lautet: Transsubstantiation. Lothar Zenetti, der früher unser Nachbarpriester in St. Wendel war, hat dazu folgendes geschrieben: „Frag hundert Katholiken, was das wichtigste ist in der Kirche. Sie werden antworten: Die Messe. Frag hundert Katholiken, was das wichtigste ist in der Messe. Sie werden antworten: Die Wandlung. Sag hundert Katholiken, dass das wichtigste in der Kirche die Wandlung ist. Sie werden empört sein: Nein, alles soll bleiben, wie es ist!“

Was Zenetti hier im Rahmen der katholischen Kirche schreibt, hat eine Allgemeingültigkeit. Denn auch für uns Evangelische ist es schwer vorstellbar, dass Verwandlung etwas ist, was Gott will und was Gott tut.

Die Begebenheit aus Paris, die am Anfang erwähnt wurde, veranschaulicht, welche Art Verwandlung Gott mit dieser Welt vorhat. Er will eine Liebe in unsere Herzen pflanzen, die Menschen und Situationen verwandeln kann, die aus einer Bruchbude ein Stück Himmel machen kann, wie der Journalist feststellte. Gott will durch uns Christen die Welt verändern. Die Voraussetzung dafür ist, dass wir offen sind für seine Liebe und Herrlichkeit. Denn wir können nur das weitergeben, was wir selber empfangen haben.

Aber es gibt Menschen, die unzufrieden, undankbar oder verbittert sind; die meinen: Das Leben ist nicht gut zu mir gewesen, bzw. Gott ist nicht gut zu mir gewesen. Oder die meinen: ich bin im Leben zu kurz gekommen. Sie sollen bedenken, was ein Soldat einmal erlebte. Dieser Soldat war kein religiöser Mensch. Einmal saß er im Freien: es war Winter, es war kalt und es regnete; überall war Schlamm und die Sonne war gerade untergegangen. Er aß eine bescheidene Mahlzeit und war immer noch hungrig. Ein Kollege, der neben ihm saß, war auch fertig mit seiner Mahlzeit. Er schrieb hinterher folgendes: „Ich merkte, dass der Kollege etwas hatte, was er nicht essen wollte; es war eine rote Rübe. Und als ich fragte, ob ich sie haben könnte, warf er sie zu mir herüber. Ich ließ die Rübe fallen und sie landete in dem Schlamm; aber ich war so hungrig, dass ich sie aufhob und aß sie – und ich aß auch den Schlamm mit. Und dann machte ich eine Entdeckung, die mir unvergesslich geblieben ist: es war, als ob die Zeit stehen geblieben wäre und als ob etwas zu mir käme, was außerhalb der Zeit steht. Ich merkte, dass die Rübe gut war und dass auch der Schlamm gut war, sogar der Regen und die Kälte waren gut. Als ich da saß, mit Rübe und Schlamm im Mund, erlebte ich, dass alles gut ist und dass Freude in allen Dingen vorkommt, auch in Situationen, die öde und karg sind. Ich hatte ein überwältigendes Bedürfnis, jemanden dafür zu loben.“

Was dieser Soldat erlebte ist das, was die Bibel verkündet: nämlich dass die Schöpfung gut ist, und dass die ganze Schöpfung erfüllt ist mit der Herrlichkeit Gottes. Normalerweise sind unsere Augen blind für diese Wahrheit. Aber es gibt Momente, wenn auf einmal alles verwandelt ist, und die Herrlichkeit Gottes sichtbar wird. Solch ein Moment war die Hochzeit zu Kana.

Wir sollen zu Gott beten, dass er uns seine Herrlichkeit offenbart. Dafür ist auch die Bibel da, dass wir durch die Worte und Geschichten der Bibel die Herrlichkeit Gottes im Geiste sehen. Und es ist unsere Aufgabe, diese Herrlichkeit zu bezeugen, durch Dankbarkeit und durch selbstlose Dienste der Liebe.

Ein jüdischer Bibelausleger aus Heidelberg wurde einmal gefragt, ob die Juden glauben, dass das Leben in seiner Beschaffenheit gut ist, wie die Schöpfungsgeschichte im ersten Buch Mose behauptet: er wurde gefragt, ob die Juden nach Auschwitz noch glauben können, dass die Schöpfung gut ist. Der Professor antwortete: wir bezeugen, dass die Schöpfung gut ist, dadurch, dass wir immer noch dienstags Hochzeiten feiern. Wir bezeugen damit, dass die Worte der Bibel immer noch gültig sind, wo es heißt: Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und sah, dass es gut war.

Für uns Christen ist es die Abendmahlsfeier, mit der wir bezeugen, dass die Schöpfung gut ist, denn wenn wir Abendmahl feiern, danken wir Gott für alles. Und wenn es in der Liturgie heißt: Alle Lande sind seiner Ehre voll, so singen wir von der Herrlichkeit Gottes, die alle Welt füllt und eines Tages die Welt verwandeln wird. Die Abendmahlsfeier soll uns verwandeln, damit wir in die Welt hinausgehen und die Verwandlungsfähigkeit Gottes bezeugen, indem wir seine Liebe und seine Freude verkörpern. Möge Gott uns dazu helfen. Amen.

Das Kunstwerk 'Hochzeit zu Kana', um 1500-1510, Musée du Louvre ist Teil einer Reproduktions-Sammlung, die von The Yorck Project zusammengestellt wurde. Das copyright dieser Zusammenstellung liegt bei der Zenodot Verlagsgesellschaft mbH und ist unter GNU Free Documentation lizensiert.

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