Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
Zurück zum Archiv Home der Dreikönigsgemeinde

Evangelisch-Lutherische

DREIKÖNIGSGEMEINDE

Frankfurt am Main - Sachsenhausen

Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Matthäus 4, 12 – 17 Eine Botschaft hören, die andere nicht hören

« Predigten Home

1. Sonntag nach Epiphanias

Eine Botschaft hören, die andere nicht hören Matthäus 4, 12 – 17

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2005

'Morse Telegraph (1837)', 2008, Zubro

Als nun Jesus hörte, dass Johannes gefangengesetzt worden war, zog er sich nach Galiläa zurück ( = entwich, flüchtete). Und er verließ Nazareth, kam und wohnte in Kapernaum, das am See liegt im Gebiet von Sebulon und Naftali, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten Jesaja, der da spricht (Jesaja 8,23; 9,1): »Das Land Sebulon und das Land Naftali, das Land am Meer, das Land jenseits des Jordans, das heidnische Galiläa, das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen; und denen, die saßen am Ort und im Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen.« Seit der Zeit fing Jesus an zu predigen: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen! (Matthäus 4, 12 – 17)

Zu der Zeit als der Telegraph die schnellste Methode der Kommunikation war, wurden Personen gesucht, welche die Morseschrift beherrschten. Ein Arbeitssuchender sah eine Anzeige in einer Zeitung und ging daraufhin zu einem Telegraphenbüro, wo Bewerber für eine Arbeitsstelle sich melden sollten. Er suchte einen Warteraum auf, in dem 7 weitere Kandidaten schon versammelt waren. Es war laut in diesem Raum – es gab Gespräche und Nebengeräusche - und im Hintergrund hörte man das Klappern eines Telegrapheninstruments. Nach einigen Minuten stand der Neuling auf und ging in das Telegraphenbüro - ohne anzuklopfen. Die anderen Kandidaten wunderten sich, dass der Neuling so etwas wagte, ohne dazu aufgefordert zu werden. Nach einigen Minuten kam der Kandidat zurück, begleitet von dem Leiter dieses Büros, der sagte: „Männer, vielen Dank, dass Sie gekommen sind, aber die Stelle ist jetzt durch diesen jungen Mann besetzt.“ Die anderen Bewerber waren verärgert und fragten: „Wieso bekommt er die Stelle? Er kam zuletzt und wir hatten doch keine Gelegenheit, uns vorzustellen. Das ist unfair!“ Der Leiter erwiderte: „Während Sie alle warteten, hat der Telegraph mit Morsezeichen die Botschaft gesendet: „Wenn Sie diese Botschaft verstehen, kommen Sie direkt ins Büro; die Arbeitsstelle gehört Ihnen.“

Diese Begebenheit kann als Gleichnis dienen. Wir leben in einer geräuschvollen Welt. Und innerhalb dieser Welt gibt es Ereignisse, die auslegungsbedürftig sind. Die Naturkatastrophe am 2. Weihnachtstag, die 200.000 Opfer forderte, ist ein solches Ereignis. Es gibt ein menschliches Bedürfnis, solche überwältigenden Ereignisse zu deuten.

Es ergibt sich hier zum Beispiel die Frage: wer herrscht über diese Welt? Ist unsere Welt durch unerbittliche Naturgesetze beherrscht, bei denen der Mensch in Bescheidenheit lernen muss, seine Begrenztheit und seine Vergänglichkeit anzuerkennen? Ist das die Botschaft, die wir vernehmen sollten? Es gibt auch Menschen, welche die Botschaft hören: Es gibt keinen Gott, denn sonst würde so viel unschuldiges Leiden nicht vorkommen.

Gibt es eine Botschaft, die wir Christen hören sollten?
Ich glaube, dass wir Christen vergleichbar sind mit dem Morseschriftkenner, der innerhalb aller Nebengeräusche eine Botschaft hörte, die für alle gemeint war, die diese Sprache verstehen. Denn wir Christen sind dazu beauftragt, die Weltereignisse auf eine bestimmte Art und Weise zu deuten und die Botschaften zu hören, die andere nicht hören.

Der Text, der für heute vorgesehen ist, kann uns dabei Orientierung bieten.
Der Text beginnt mit der Feststellung, dass die Gefangennahme Johannes des Täufers Jesus zu einem Ortswechsel bewegte. Es heißt: Als nun Jesus hörte, dass Johannes gefangengesetzt worden war, zog er sich nach Galiläa zurück.
Die Lutherübersetzung ist zwar nicht falsch, aber gibt eine sprachliche Feinheit nicht wieder. Es müsste heißen: Als nun Jesus hörte, dass Johannes gefangengesetzt worden war, entwich er nach Galiläa, bzw. flüchtete nach Galiläa. Diese Bemerkung zeigt, wie verwundbar Jesus ist. Es besteht offenbar die Möglichkeit, dass er als Anhänger des Johannes auch verhaftet wird. Und so wie er bei seiner Geburt nach Ägypten flüchten musste, so muss er wieder entweichen – diesmal zurück nach Galiläa. In Galiläa konnte Jesus gut untertauchen, denn Galiläa war damals ein dichtbesiedeltes Land mit 204 Dörfern, und das kleinste Dorf hatte 15.000 Bewohner. Die Botschaft hier lautet: Jesus ist genauso verwundbar wie jeder von uns.

Und trotzdem ist Gott dabei, im Hintergrund zu wirken. Denn indem Jesus nach Kapernaum in Galiläa umzieht, wurde dadurch eine alttestamentliche Verheißung erfüllt, die lautet:

„Das Land Sebulon und das Land Naftali, das Land am Meer, das Land jenseits des Jordans, das heidnische Galiläa, das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen; und denen, die saßen am Ort und im Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen.«

Äußerlich gesehen, hat ein Wanderprediger einen Ortswechsel vollzogen, um der Möglichkeit einer Verhaftung zu entkommen. Aber die Botschaft, die der Leser hier vernehmen sollte, lautet: Gott ist dabei, seine Herrschaft in dieser Welt durchzusetzen.

Denn das ist die Botschaft, die Jesus ab jetzt verkündet. Wie es heißt: Seit der Zeit fing Jesus an zu predigen: Kehrt um, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen! Mit anderen Worten: Gott ist der Regent dieser Welt; Gott fängt jetzt an, seine Königsherrschaft über diese Welt zu verwirklichen; stellt euch darauf ein.

Im Laufe der Zeit hat Jesus deutlich gemacht, wie diese Botschaft gemeint ist. Jesus hat deutlich gemacht, dass das, was Gott unter Herrschaft versteht nicht identisch ist mit dem, was wir Menschen unter Herrschaft verstehen. Für uns Menschen hängt Herrschaft unweigerlich mit Gewalt zusammen. Wir erleben z. B. eine Naturgewalt, die 200.000 Menschenleben auslöschen kann, und denken: so sieht Herrschaftsgewalt aus. Aber Gott bewegt sich nicht innerhalb unserer Kategorien. Gott ist nicht gebunden an unsere Denkweisen. Er definiert Weltherrschaft und was er definiert, das hat für uns zu gelten.

Im Laufe der Zeit hat Jesus Hinweise gegeben, wie diese Weltherrschaft Gottes aussieht, die mit dem Erscheinen Jesu eingeleitet wurde. An einer Stelle sagt Jesus:

Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. (5, 45)

So sieht Weltherrschaft aus: Wo Feinde geliebt werden, verwirklicht sich die Weltherrschaft Gottes, der seine Sonne über Böse und Gute aufgehen lässt. Weltherrschaft wird durch Gnade verwirklicht und es ist eine Gnade, dass wir leben dürfen. Und die Sonne ist ein Gleichnis dieser Gnade.

'Crepuscular Rays', 2008, Mila Zinkova

Es gibt ein Lied im Gesangbuch, das den folgenden Kehrvers hat: „Gottes Liebe ist wie die Sonne, sie ist immer und überall da.“ Wenn ich dieses Lied mit Kindern singe, frage ich sie, ob diese Behauptung stimmt, dass die Sonne immer und überall da ist. Wie ist es zum Beispiel während der Nacht? Und Kinder sagen: während der Nacht scheint die Sonne nicht. Und dann versuche ich, den Kindern zu erklären, dass die Sonne auch in der Nacht scheint – auf der anderen Seite der Erde. Auch in der Nacht leben wir von dem Licht und von der Wärme der Sonne. Denn wenn die Sonne aufhören würde zu scheinen, würden wir alle schnell einfrieren. Die Sonne ist tatsächlich immer und überall da und hält uns am Leben, auch wenn es finster und kalt ist.

Und so ist auch die Liebe Gottes. Jeder Mensch lebt von dem Licht und von der Wärme, die Gottes Liebe ausstrahlt. Dementsprechend wird Jesus in dem Johannesevangelium das wahre Licht genannt, „das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.“ Auch Menschen, die nicht an Gottes Liebe glauben, weil sie nur Finsternis und Kälte in ihrem Leben sehen, leben von dem Licht seiner Liebe. Denn wenn Gottes Liebe aufhören würde, könnten wir nicht leben. Dass wir überhaupt leben dürfen, ist eine unermessliche Gnade Gottes.

Und hier ist ein Hinweis auf eine Botschaft, die wir Christusanhänger hören sollten, wenn Katastrophen eintreten. In solchen Momenten gibt es Leute, welche die Frage hören: Warum hat Gott das zugelassen? Aber die Frage, die wir als Christusanhänger hören sollten, lautet: Womit habe ich es verdient, dass ich leben darf? Wir sollten die Botschaft vernehmen, dass es eine unermessliche Gnade ist, Leben zu dürfen, und dass wir diese Gnade niemals vergelten könnten. Wie es in Psalm 116 heißt: Wie soll ich dem HERRN vergelten all seine Wohltat, die er an mir tut? Wenn unzumutbare Situationen vorkommen, sollten wir Christen so sein, wie der Arbeitsbewerber im Telegrafenamt: wir sollten eine Botschaft hören, die andere überhören. Und was wir hören sollten, ist eine Gnadenbotschaft.

An einer anderen Stelle erläutert Jesus diese Gnadenbotschaft:

Wer ist unter euch Menschen, der seinem Sohn, wenn er ihn bittet um Brot, einen Stein biete? oder, wenn er ihn bittet um einen Fisch, eine Schlange biete? Wenn nun ihr, die ihr doch böse seid, dennoch euren Kindern gute Gaben geben könnt, wieviel mehr wird euer Vater im Himmel Gutes geben denen, die ihn bitten! (Matt. 7, 9f.)

Die Flutkatastrophe hat eine Hilfs- und Spendenbereitschaft erweckt, die auf der einen Seite überraschend, aber auf der anderen Seite selbstverständlich ist. Und in Sri Lanka hat der Bürgerkrieg, der 20 Jahre lang getobt hat, schlagartig aufgehört. Die kämpfenden Parteien haben auf einmal entdeckt, dass menschliche Barmherzigkeit Vorrang hat - eine Erkenntnis, die eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist. Bei allem Egoismus und Individualismus, die es heute gibt, sind Menschen doch in der Lage, zu erkennen, dass wir Menschen alle zusammengehören, und dass gegenseitige Hilfe selbstverständlich ist, wenn eine große Notsituation eingetreten ist.

Und Jesus sagt: wenn sündhafte Menschen in der Lage sind, Gutes zu tun, um wie viel mehr gilt dies für Gott. Und hier ist wieder eine Botschaft, die wir Christen hören sollten. Nach der Flutkatastrophe haben viele Menschen nur die negative Botschaft vernommen: wie chaotisch und gefährlich ist diese Welt! Aber wir Christen sollen wie der Arbeitsbewerber im Telegrafenamt sein: wir sollen eine Botschaft hören, die für uns gemeint ist, - eine Botschaft, die andere überhören. Und diese Botschaft lautet: die Hilfs- und Versöhnungsbereitschaft der Menschen, wenn eine Notsituation eingetreten ist, ist ein schwacher Abglanz der Güte Gottes. Gott wird mit seiner Güte das Schicksal dieser Erde bestimmen – und menschliche Güte ist ein kleiner Vorgeschmack dessen, was zuletzt endgültig und überall eintreten wird.

In Palästina vor 2000 Jahren hat ein Wanderprediger die Flucht ergriffen, als er hörte, dass ein anderer Wanderprediger verhaftet wurde. Der unbeteiligte Beobachter sieht in diesem Ereignis ein Beispiel dafür, wie schlecht diese Welt ist. Aber der Christusanhänger darf hier etwas ganz anderes sehen: der Beginn der Verwirklichung der Weltherrschaft Gottes.

Die Medien berichten von einer Katastrophe, die unfassbar ist. Der unbeteiligte Zuschauer sieht in diesem Ereignis ein Beispiel dafür, wie schlecht diese Welt ist. Aber der Christusanhänger darf hier etwas ganz anderes sehen: er darf trotz allem die Gnade sehen und bezeugen, die uns am Leben erhält, welche diese Erde eines Tages verwandeln wird. Und wir bezeugen diese Gnade, wenn wir Abendmahl feiern. Wie es in Psalm 116 heißt, der vorhin zitiert wurde: „Wie soll ich dem HERRN vergelten all seine Wohltat, die er an mir tut? Ich will den Kelch des Heils nehmen und des HERRN Namen anrufen.“

Die Photographie 'Morse Telegraph (1837)', 2008, Zubro, wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.
Die Photographie 'Crepuscular Rays', 2008, Mila Zinkova, wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.

^ Zum Seitenanfang

PSch