Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: 1. Thess. 5, 1 –11 Die Zukunft hat einen Namen

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'Toronto Blackout', 2005, Camerafiend

Drittletzter Sonntag im Kirchenjahr

Die Zukunft hat einen Namen 1. Thess. 5, 1 –11

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2008

Von den Zeiten und Stunden aber, liebe Brüder, ist es nicht nötig, euch zu schreiben; denn ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb in der Nacht. Wenn sie sagen werden: Es ist Friede, es hat keine Gefahr -, dann wird sie das Verderben schnell überfallen wie die Wehen eine schwangere Frau, und sie werden nicht entfliehen. Ihr aber, liebe Brüder, seid nicht in der Finsternis, dass der Tag wie ein Dieb über euch komme. Denn ihr alle seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages. Wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis. So lasst uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasst uns wachen und nüchtern sein.
Denn die schlafen, die schlafen des Nachts, und die betrunken sind, die sind des Nachts betrunken. Wir aber, die wir Kinder des Tages sind, wollen nüchtern sein, angetan mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung auf das Heil. Denn Gott hat uns nicht bestimmt zum Zorn, sondern dazu, das Heil zu erlangen durch unsern Herrn Jesus Christus, der für uns gestorben ist, damit, ob wir wachen oder schlafen, wir zugleich mit ihm leben. Darum ermahnt euch untereinander, und einer erbaue den andern, wie ihr auch tut. 1. Thess. 5, 1 –11

Am 13. Juli 1977 fiel in New York für 25 Stunden der Strom aus. Ein Blitz hatte in ein Transformatorenhaus am nahen Hudson River eingeschlagen und zwei Sicherungsschalter außer Keaft gesetzt. Dieser Blitzeinschlag löste eine Kettenreaktion aus, die dazu führte, dass die ganze Stadt im Dunkeln versank. Das gesamte elektrische Leben der Stadt war ausgeschaltet: Klimaanlagen, Ampeln, Aufzüge, U-Bahnen, nichts ging mehr. Mitten in der Stadt war plötzlich der Sternenhimmel in seiner vollen Pracht wieder zu sehen – so tief war die Dunkelheit.

Aber die Finsternis offenbarte eine andere Art Finsternis. In Harlem, Brooklyn und der Bronx nutzten viele Menschen die Anonymität der Dunkelheit aus. Sie warfen Steine in Schaufenster, stiegen in die Läden und nahmen sich, was ihnen gefiel: Lebensmittel, Fernseher, Möbel, Kleidung. Einem Autohändler wurden 50 Autos gestohlen. 1600 Geschäfte wurden geplündert, Brandstifter legten über tausend Feuer, es brannten Autos, Busse, Läden und Häuser, die Polizei war machtlos gegen diese Sturmwelle von Gewalt, aber nahm knapp 4000 Menschen fest. Es war die größte Massenverhaftung in der Geschichte New Yorks.

An diesen Plünderungen waren nicht nur Personen beteiligt, die zur Kriminalität neigen, sondern auch Menschen, die ansonsten anständig und sogar wohlhabend waren - die überhaupt nicht darauf angewiesen wären, etwas zu klauen. Die Finsternis hat in manchen Menschen eine unbändige Hemmungslosigkeit ausgelöst.

'Mädchen mit Kerze', 1973 - Walter Habdank. © Galerie Habdank

'Mädchen mit Kerze', 1973 - Walter Habdank.
© Galerie Habdank

Dieser Vorgang veranschaulicht den Text aus dem Thessalonicherbrief, der für heute vorgesehen ist.

Ihr aber seid nicht in der Finsternis...Denn ihr alle seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages. Wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis. So lasst uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasst uns wachen und nüchtern sein. Denn die schlafen, die schlafen des Nachts, und die betrunken sind, die sind des Nachts betrunken.

Licht und Finsternis werden hier als innere Zustände beschrieben. Licht und Finsternis sind Zustände des Herzens, die durch eine äußere Dunkelheit – wie die in New York – zum Vorschein kommen.

Der Begriff „Finsternis“ als eine innere Befindlichkeit lässt sich etwas näher definieren. Es gibt eine seelische Störung, die „Integritätsdefizit Störung“ genannt worden ist. Diese Unstimmigkeit wird folgendermaßen beschrieben:

"Wer eine „Integritätsdefizit Störung“ hat, weiß zwar, was richtig ist, aber ist unfähig, das Richtige konsequent zu vollziehen. Menschen, die unter dieser Störung leiden, lassen sich von ihren Gefühlen und Reaktionen bestimmen. Ihre Entscheidungen und Handlungen richten sich nach den momentanen äußeren Umständen. Wenn jemand zu ihnen gehässig ist, reagieren sie automatisch mit Gehässigkeit. Ihr emotionales Leben richtet sich nach ihrer Umgebung und nach dem Verhalten anderer. Die Schwächen der Anderen bestimmen, wie sie sich verhalten. Egal was ihnen passiert, die Schuld liegt immer bei den anderen oder an der Situation. Sie übernehmen keine Verantwortung für das, was ihnen passiert. Schuld für Versagen liegt immer außerhalb der eigenen Person. Der Gegensatz dazu ist in Menschen zu sehen, die Integrität haben. Ihr Verhalten hängt nicht von den Umständen ab. Fiese Menschen, äußere Umstände oder emotionale Schwankungen bestimmen nicht, wie sie sich verhalten. Integrität bedeutet, dass ein Mensch seine Versprechungen einhält, auch wenn er sich später in einer anderen Stimmungslage befindet."

Dieser Gegensatz zwischen Integrität und Integritäts-Defizit-Störung ist wie der Unterschied zwischen Tag und Nacht, zwischen Licht und Finsternis.

Es gibt eine wahre Begebenheit, die veranschaulicht, wie dieser Gegensatz aussehen kann. Zwei Freunde waren auf dem Weg zum Arbeitsplatz. An einem Kiosk hat einer eine Zeitung gekauft. Der Zeitungsverkäufer zeigte ein unfreundliches Gesicht, als ob er den Kunden als lästige Störung betrachtete, und nahm die Bezahlung wortlos an. Dann knallte er die Zeitung hin, als ob es eine Zumutung wäre, ihm die Zeitung auszuhändigen. Hier war also ein Mann, der durch eine innere Finsternis gefangen war. Der Kunde sagte – ohne Ironie: „Danke“ und wünschte dem Kioskbesitzer einen schönen Tag. Sein Freund fragte: „Ist er immer so unhöflich?“ Die Antwort lautete: „Ja, leider.“ „Warum gehst du nicht zu einem anderen Kiosk und warum bist du freundlich zu ihm?“ Die Antwort lautete: „Weil ich mich nicht von ihm bestimmen lassen will, wie ich mich verhalte.“ Diese Begebenheit macht den Gegensatz zwischen Licht und Finsternis anschaulich.

Der Text aus dem Thessalonicherbrief bezeugt einen Zusammenhang zwischen dem inneren Zustand eines Menschen und seiner Zukunftserwartung. Man kann es auf einen einfachen Nenner bringen: Wer von der Zukunft nur Finsternis erwartet – z. B. die Finsternis der Vergänglichkeit, die Finsternis des Grabes - und sonst nichts – der wird dadurch innerlich von Finsternis geprägt. Wer aber dem Licht entgegengeht – dem Licht Jesu Christi, dem Licht der ewigen Herrlichkeit – der wird auch innerlich von diesem Licht geformt.

'The Auldmuir Burn in the Giffordland Glen', 2008, Roger Griffith

Finsternis hat immer etwas mit Anonymität zu tun. Die Finsternis der Anonymität löst Skrupellosigkeit aus, wie in New York zu sehen war. Manche Autofahrer werden rücksichtslos, sobald sie hinter einem Steuerrad sitzen, weil das Auto Anonymität verleiht. Oder U-Bahnhaltestellen mitten in der Nacht sind Orte der Anonymität und dementsprechend Orte der Gewalttätigkeit. Und wenn ein Mensch damit rechnen muss, dass Anonymität sein endgültiges Schicksal ist, dann wird sein Verhalten dementsprechend sein. Aber wenn jemand weiß, dass er von Gott mit Namen gerufen worden ist, dass er vor Gott nicht anonym ist, und dass er in Ewigkeit eine Identität in Gott hat, die nicht auszulöschen ist, dann wird er auch dementsprechend leben.

Der Begriff Anonymität bezieht sich auch auf die Zukunft. Die Zukunft ist anonym, denn sie ist scheinbar völlig ungewiss. Die Zukunft trägt keinen Namen – für die meisten Menschen. Aber nicht für Christusanhänger. Die Bibel offenbart nicht eindeutig, was zuletzt auf uns zukommt, oder wann und wie es auf uns zukommt, aber wir können mit Eindeutigkeit sagen, wer uns entgegenkommt. Für alle, die getauft sind, hat die Zukunft einen Namen und dieser Name heißt „Jesus Christus“. Durch die Evangelien wissen wir mit Eindeutigkeit, wer dieser Jesus von Nazareth ist, der zuletzt am Ende der Zeit in Macht und Herrlichkeit erscheinen wird. Wir wissen, wie er zu uns steht. Wir wissen, wie wir Gemeinschaft mit ihm finden und bestätigen. Und zu wissen, wie die Zukunft heißt und wer auf uns zukommt, ist eine große Befreiung und ein unermesslicher Trost. Wir brauchen zuletzt keine Angst zu haben. Denn wie es im Text heißt:

Gott hat uns nicht bestimmt zum Zorn, sondern dazu, das Heil zu erlangen durch unsern Herrn Jesus Christus

'Glen Coe. Scotland', 2007, aesopus

Es gibt einen schottischen Geistlichen mit dem Namen John McNeill. In seiner Kindheit hatte er wegen der Schule einen langen Fußweg durch eine raue Landschaft zu bewältigen. Eine Stelle war für ihn besonders furchterregend: er musste durch eine Schlucht gehen, die sich in einem Wald befand. Er hatte Berichte gehört, dass es an diesem finsteren Ort wilde Tiere und Räuber gäbe. Er bekam immer eine fast panische Angst, wenn er hier durchging. Er schreibt dazu folgendes: „Eines Abends, als es besonders finster war, befand ich mich in dieser Waldschlucht und merkte, dass irgendetwas vor mir war, das dabei war, langsam und still auf mich zu zukommen. Ich war sicher, dass diese Gestalt in der Finsternis mich überfallen wollte. Dann hörte ich eine Stimme, die etwas rief; der Ton war unheimlich. Ich dachte, jetzt bin ich erledigt. Dann rief diese Stimme ein zweites Mal, und ich hörte die Stimme meines Vaters: „John, bist du es?“ Er wusste, wie viel Angst ich an dieser Stelle hatte und er ist mir entgegengekommen, damit ich nicht allein war und mich nicht fürchten musste.“

Diese Begebenheit veranschaulicht unsere Zukunft. Vielleicht wird der Weg in die Zukunft an manchen Stellen finster und furchterregend sein, aber wir können fest damit rechnen, dass Jesus Christus uns entgegenkommen wird und dass er uns mit Namen kennt. Wer das weiß, kann schon jetzt mit Licht im Herzen leben. Und wer zu dem Licht gehört, wird immer danach streben, das zu tun, was Gott verherrlicht, egal wie die emotionale Stimmlage ist oder wie die äußeren Umstände aussehen. Innerhalb der Finsternis dieser Welt wird es in dem eigenen Herzen ein Licht geben, das nicht zu löschen ist, denn dieses Licht heißt Jesus Christus.

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Die Photographie 'Glen Coe. Scotland', 2007, aesopus, wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.
Die Photographie 'The Auldmuir Burn in the Giffordland Glen', 2008, Roger Griffith, wurde von ihrem Urheber zur uneingeschränkten Nutzung freigegeben. Diese Datei ist damit gemeinfrei („public domain“). Dies gilt weltweit.

Wir danken Frau Friedgard Habdank sehr herzlich, dass sie uns die Bilder ihres Mannes auf so großzügige und kostenlose Weise zur Verfügung gestellt hat.
© Galerie Habdank, www.habdank-walter.de

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