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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Hebräer 13, 15. 16 Kein Platz für magisches Denken

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Erntedankfest - Hebräer 13, 15. 16 Kein Platz für magisches Denken

Gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2008 in der Bergkirche und im Kirchsaal Süd:

Erntedank

So lasst uns nun durch ihn Gott allezeit das Lobopfer darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen. Gutes zu tun und mit andern zu teilen vergesst nicht; denn solche Opfer gefallen Gott.

Magisches Denken ist etwas, was zum Menschsein gehört. Und magisches Denken ist nicht auszurotten. Diese Wahrheit wurde in der Stadt New York deutlich. In diesem Jahr wurde dort ein neues Baseballstadion gebaut – für $1,3 Milliarden. Es gibt eine sportliche Rivalität zwischen New York und Bosten, die ungefähr vergleichbar ist mit der zwischen Frankfurt und Offenbach, als beide noch zusammen in der Bundesliga waren. Während der Bauarbeiten des neuen Stadions in New York hat ein Bauarbeiter aus Boston ein Trikot seiner Lieblings-Mannschaft heimlich in den nassen Beton hineingesteckt. Er wollte damit das neue Stadion verhexen. Es wäre etwas Vergleichbares, wenn ein Bauarbeiter aus Offenbach ein Trikot der Kickers in den nassen Beton der Commerzbank Arena während der Bauarbeiten eingegraben hätte.

Der Konstruktionsarbeiter aus Boston wurde aber beobachtet - von einem anderen Bauarbeiter, der diesen Vorgang nachträglich meldete, als der Beton schon trocken war. Als Grund, weshalb er endlich reden musste, sagte er: „Ich wollte nicht dafür verantwortlich sein, dass die Mannschaft untergeht.“ Und anhand seiner Meldung wurde das Bauprojekt momentan unterbrochen. Mit Pressluftbohrern wurde der Beton aufgebrochen und das verhasste Trikot herausgeholt, damit es keinen Schaden anrichten konnte. Aber der springende Punkt hier lautet: Diese Rettungsaktion hat 5 Stunden gedauert und hat $50.000 gekostet. Diese $50.000 sind ein Hinweis, wie sehr wir Menschen von magischem Denken geprägt sind.

Was magisches Denken ausmacht ist die Vorstellung, dass es verborgene Kräfte gibt, die heilsam oder schädlich wirken können, je nachdem wie der Mensch sich verhält. Es kommt darauf an, diese verborgenen Kräfte zu lenken oder sich ihnen anzupassen. Es gibt z. B. Firmen, die Feng Schui-Spezialisten anstellen, damit die versteckten Strahlungen eines Bürogebäudes optimal berücksichtigt werden.

Ein anderes Beispiel für modernes magisches Denken ist George Michael, ein ehemaliger musikalischer Mitarbeiter der Beatles. Er hat das Klavier gekauft, auf dem John Lennon sein bekanntestes Lied „Imagine“ komponiert hatte. Er schickt dieses Klavier in Gebiete, die Katastrophen erlitten haben, z. B. da, wo ein Orkan Verwüstung angerichtet hat, oder da, wo es ein Massaker gegeben hat - in der Erwartung, dass dieses Klavier (auf dem jeder, der will, spielen darf) eine spirituelle Ausstrahlung hat, die für angeschlagene Menschen seelisch heilsam ist.

Magisches Denken ist so alt wie die Bibel. Und es gibt zwei biblische Begriffe, die magisches Denken umschreiben: Götzendienst und Heidentum.

Das Urbild des Heidentums ist Kain, der Sohn von Adam und Eva. Er baute einen Altar und opferte Getreide von seiner Ernte. Es hieß: Gott sah nicht gnädig auf seine Opfergabe. Kain war deshalb verärgert, er war wutentbrannt und ermordete seinen Bruder Abel, dessen Opfergabe von Gott gnädig angenommen wurde. Kain ist das Urbild des magischen Denkens. Denn durch seine Mordtat kann man erkennen, dass seine Opfergabe kein Dank-Geschenk an Gott war, sondern ein Versuch, Gott durch Bestechung zu manipulieren. Magisches Denken hat immer etwas mit Manipulationsversuchen zu tun.

Dass Gott ohne Begründung die Opfergabe von Kain nicht annahm, sollte ein für allemal demonstrieren, dass Gott absolut souverän ist. Gott ist kein magisches Wesen, über das wir verfügen können. Er kann nicht gesteuert werden. Ein Mensch, der jeden Sonntag im Gottesdienst ist, kann nicht damit rechnen, dass er dadurch Sonderrechte bei Gott erwerben kann. Ein Mensch, der großzügig für die Armen spendet, kann nicht damit rechnen, dass er dadurch einen besonderen Schutz für sich selbst erkauft hat. Und die Kehrseite lautet: ein Mensch, der z. B. schwerkrank geworden ist, sollte nicht denken, dass er krank geworden ist, weil er ein Gebot Gottes übertreten hat.

Auf der einen Seite: Wir dürfen Gott um alles bitten. Gott reagiert auf Gebet. Und Gott wirkt im Verborgenen mit Kraft. Aber auf der anderen Seite: jeder Versuch, Gott zu manipulieren, ist magisches Denken.

Und das Teuflische ist, dass magisches Denken kaum auszurotten ist. Aberglaube wird unweigerlich zum Vorschein kommen, wenn Lebenskrisen eintreten. Ein Mensch, der abgrundtief erschüttert worden ist, wird sich unweigerlich fragen – egal wie intelligent oder bibelfest er ist: Was habe ich getan, dass Gott mich so bestraft? Diese Frage: was habe ich getan, dass Gott mich so bestraft? ist der Inbegriff des magischen Denkens.

Und in diesem Zusammenhang bietet das Erntedankfest einen Gegenangriff gegen magisches Denken. Was die Christenheit am Erntedankfest feiert, ist, dass Danken und Aberglaube nicht zusammen existieren können. Danksagen vertreibt magisches Denken.

In dem Hebräerbrieftext, der für heute vorgesehen ist, heißt es:

So lasst uns nun durch ihn (d. h. durch Jesus) Gott allezeit das Lobopfer darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen.

Der Begriff „Lobopfer“ ist ein Fachausdruck. Um diesen Begriff zu verstehen, muss man wissen, dass es zwei Arten von Opfern gab. Und diese zwei Opfer-Arten werden in Psalm 50 gegenübergestellt.

Es gab zuerst die Tieropfer, für die es im Alten Testament genaue Vorschriften gab. Warum wurden Tiere geopfert und verbrannt? Die Menschen der antiken Welt hatten eine magische Denkweise. Sie glaubten, dass die Götter auf Nahrung angewiesen wären. Tierbrandopfer galten als Nahrung für die Götter. Je mehr Tiere geopfert wurden, um so stärker war die Heilkraft, die von den Göttern ausging. Die Menschen der antiken Welt glaubten, dass sie die göttlichen Heilkräfte stärken und auf sich lenken könnten, indem sie Opfergaben auf Altäre verbrannten. Das ist magisches Denken pur.

Für die Bibel ist es natürlich völlig ausgeschlossen, sich Gott so vorzustellen, dass er auf Opfertiere angewiesen wäre, um seine Kraft zu vermehren. Aber der Mensch kann sich von magischen Vorstellungen doch nicht ohne Weiteres befreien. Diese Vorstellungen wurden in der Bibel bekämpft – und besonders in Psalm 50, wo es heißt - als Gotteswort an das Volk:

Ich will von deinem Hause Stiere nicht nehmen noch Böcke aus deinen Ställen. Denn alles Wild im Walde ist mein und die Tiere auf den Bergen zu Tausenden. Ich kenne alle Vögel auf den Bergen; und was sich regt auf dem Felde, ist mein. Wenn mich hungerte, wollte ich dir nicht davon sagen; denn der Erdkreis ist mein und alles, was darauf ist. Meinst du, dass ich Fleisch von Stieren essen wolle oder Blut von Böcken trinken?

Und dann kommt in dem nächsten Satz eine Aufforderung, etwas Anderes zu opfern – anstatt Tiere. Es heißt: Opfere Gott Dank. Und gemeint ist in diesem Zusammenhang ein Danklied. Opfere Gott Danklieder. Der letzte Vers von Psalm 50 wurde von einem Ausleger so übersetzt: „Wer Danklieder opfert, der ehrt mich, und da ist der Weg, dass ich ihm zeige das Heil Gottes.“ Und der Ausleger schreibt als Kommentar dazu: „Den Platz des Opfers nahm das Danklied ein.“

Und der heutige Text aus dem Hebräerbrief spricht dieses Motiv genau an. Wenn es heißt:
So lasst uns nun Gott allezeit das Lobopfer darbringen, so ist das eine direkte Anspielung auf die Inhalte von Psalm 50. Lob- und Dankopfer sollen alle magischen Vorstellungen von Gott ausrotten. Denn Lob- und Danklieder sind reine Geschenke an Gott. Lob- und Danklieder werden ohne egoistische Hintergedanken an Gott gerichtet. Lobopfer wird an Gott gerichtet, nicht um seine heilsamen Kräfte magisch auf uns zu lenken, sondern einfach weil er unser Gott ist, der uns seine Gnade ausschenkt - ohne arglistige Hintergedanken. Lobopfer und magisches Denken können nicht in derselben Seele zusammen leben. Lobopfer wird zuletzt allen heidnischen Aberglauben aus dem Herzen vertreiben.

Einmal gab es in einer amerikanischen Gemeinde eine Versammlung, bei der ein reiches Mitglied der Gemeinde erzählte, dass er es Gott zu verdanken hat, dass er so wohlhabend geworden ist. Er erzählte, dass es eine Zeit gab, als er nur einen einzigen Dollar besaß. Und eines Abends gab es einen Vortrag über die missionarische Arbeit der Kirche und es wurde erzählt, wie sehr diese Arbeit auf Spenden angewiesen war. Danach wurde ein Kollektenbeutel herumgereicht. Er musste schnell überlegen: gebe ich alles, was ich habe – diesen einen Dollar - , oder gebe ich nichts. Er entschied sich, den Dollar zu geben. Und er glaubt, dass Gott ihm deshalb mit Reichtum gesegnet hatte. Er hatte jetzt mehr als eine Million Dollar und glaubte, dass dieser Reichtum entstand, weil er einmal bereit war, Gott alles zu geben, was er hatte. Nach dieser Aussage gab es Stille. Er setzte sich wieder hin, und eine ältere Dame, die hinter ihm saß, sagte zu ihm: „Wenn Sie wirklich glauben, was Sie gerade gesagt haben, dann opfern Sie Gott noch einmal alles, was Sie haben.“

Es wird nicht berichtet, wie er auf diese Herausforderung reagiert hat. Aber auf jeden Fall wäre es falsch, Gott ein Opfer zu geben, weil man damit rechnet, dass Gott dieses Opfer mit Reichtum vergelten würde. Das ist Aberglaube. Sondern auch unsere Geldopfer sollen ohne egoistische Berechnung sein.

Wie es in dem Hebräerbrieftext heißt: Gutes zu tun und mit andern zu teilen vergesst nicht; denn solche Opfer gefallen Gott.

Das heißt: Wer Gott ein Opfer bringt, sollte es einfach aus Liebe zu Gott tun. Es sollte ein reines Geschenk sein, das aus dem Herzen kommt. Denn in dem Herzen eines Christen ist kein Platz für magisches Denken.

Paul Gerhardt fasst alles gut zusammen mit seinem Liedvers:

Lasset uns singen,
dem Schöpfer bringen
Güter und Gaben;
was wir nur haben,
alles sei Gotte zum Opfer gesetzt!
Die besten Güter
sind unsre Gemüter;
dankbare Lieder
sind Weihrauch und Widder,
an welchen er sich am meisten ergötzt.

(Paul Gerhardt, 1666)

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