Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: 2. Tim. 1, 7 - 10 Warum man höflich sein sollte

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'Painting of Jesus Christ', 2008, Roman Zacharij

16. Sonntag nach Trinitatis

Warum man höflich sein sollte 2. Tim. 1, 7 - 10

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2004

Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. Darum schäme dich nicht des Zeugnisses von unserm Herrn noch meiner, der ich sein Gefangener bin, sondern leide mit mir für das Evangelium in der Kraft Gottes. Er hat uns selig gemacht und berufen mit einem heiligen Ruf, nicht nach unsern Werken, sondern nach seinem Ratschluss und nach der Gnade, die uns gegeben ist in Christus Jesus vor der Zeit der Welt, jetzt aber offenbart ist durch die Erscheinung unseres Heilands Christus Jesus, der dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hat durch das Evangelium. 2. Tim. 1, 7 - 10

Es gab vor einiger Zeit eine Notiz in einer Zeitung mit der Überschrift “Einfach nett sein”. Es ging dabei um die Feststellung, dass Höflichkeit und Nettsein immer seltener werden. Es wurden einige konkrete Anhaltspunkte genannt. Zum Beispiel im Straßenverkehr: „Man lässt einem anderen Autofahrer den Platz, um bequem einfädeln zu können. Das Angebot wird angenommen, grußlos und ohne eine Geste des Danks. Dafür sollen aber gefälligst alle anderen warten, wenn man den Wagen auf der Fahrbahn abstellt, um schnell einmal zum Briefkasten oder dem Zigarettenautomaten zu huschen.“

Und zu Fuß unterwegs ist es nicht besser. Es heiß: „Man muss schon zufrieden sein, wenn man vom Vordermann nicht die Tür vor der Nase zugeschlagen bekommt.“ Und dann wird die allgegenwärtige Muffeligkeit erwähnt, die in Supermärkten und Einkaufszentren vorkommt. In dem Artikel heißt es: „Ausdrücklich nicht gemeint sind die Kassiererinnen, denen wahrscheinlich ihr Arbeitsvertrag das Lächeln verbietet, sondern die Kunden. Warum sollte man sich auch entschuldigen, wenn man dem Vordermann in der Warteschlange den Einkaufswagen in die Hacken rammt oder sich wortlos vorbeidrängelt?“

Und die Umgangsformen zwischen Nachbarn und Arbeitskollegen ist auch ein Thema: „Manchem ist es offenbar zu viel, Nachbarn oder Kollegen mit einem kurzen Nicken zu begegnen. Schließlich muss am Handy auch ein knappes „Ja“ als Begrüßung der Anrufer genügen, er wird sich schon nicht verwählt haben.“

Natürlich gibt es immer noch eine Menge höfliche und freundliche Menschen. Was aber bedenklich ist – nach Meinung des Artikelschreibers - ist, dass ein gewisses Maß an Rücksichtslosigkeit als selbstverständlich hingenommen wird. Unfreundlichkeit und Unhöflichkeit sind fast das normal zu erwartende geworden. Gerade vor drei Tagen war ich im Postamt und ein Mann drängte sich nach vorne an die Schalter, obwohl drei Personen vor ihm da waren. Er wurde ermahnt, dass er sich vorgedrängt hätte, aber er tat so, als ob er nicht gemeint war. Und wir, die wir vor ihm da waren, haben diese Grobheit akzeptiert. Denn man hat sich daran gewöhnt, dass die Umgangsformen Fremden gegenüber rau geworden sind. Wir sind nicht überrascht, wenn jemand unhöflich ist, sondern freundliche Höflichkeit ist eine Überraschung geworden.

Und es ist festgestellt worden, dass Unhöflichkeit und Unfreundlichkeit mit Anonymität zusammenhängen. Gerade im Auto, wo ein Mensch von allen anderen isoliert ist, kann sich eine aggressive, egoistische Umgangsform besonders gut entfalten. Die meisten Menschen fühlen sich immer noch verpflichtet, Bekannten und Freunden gegenüber höflich und freundlich zu sein. Aber warum soll man Fremden gegenüber Rücksicht zeigen? Hier liegt das Problem. Wenn ich durch eine Tür gehe und den Menschen hinter mir nicht kenne, warum soll ich anhalten und ihm die Tür aufhalten? Wenn ich die Personen nicht kenne, die im Postamt warten, warum soll ich mich nicht vordrängen, wenn die Gelegenheit sich bietet? Was gehen mich fremde Leute an?

Diese Frage ist aber eine Glaubensfrage. Höflichkeit und Unhöflichkeit – gerade Fremden gegenüber - haben etwas mit Glaubensinhalten zu tun. Wie Jesus in der Bergpredigt sagte:

Wenn ihr nur zu euren Brüdern freundlich seid, was tut ihr Besonderes? Tun nicht dasselbe auch die Heiden?

Oder wie es wortwörtlich heißt:

Wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr Besonderes?

Höflichkeitsformen wildfremden Menschen gegenüber ist ein Thema der Bergpredigt, die eine zentrale Aussage Jesu darstellt. Es geht hier um die Frage, ob wir Menschen alle zusammengehören oder nicht. Freundlichkeit Fremden gegenüber ist ein Glaubenszeugnis: damit bezeugt man, dass wir alle Kinder Gottes und deshalb Brüder und Schwestern sind.

Aber es ist auch eine Frage der allgemeinen Grundstimmung des Lebens. Es gibt viele Menschen, die schlecht gelaunt und muffig sind, die verschlossen wirken, denn die Grundstimmung ihres Lebens ist negativ. Solche Menschen wirken so, als ob das Leben eine Zumutung wäre, als ob sie betrogen worden wären, als ob sie es sich nicht leisten könnten, Zeit oder Energie durch Höflichkeit zu vergeuden. Um noch einmal die Bergpredigt zu zitieren:

So bringt jeder gute Baum gute Früchte; aber ein fauler Baum bringt schlechte Früchte. Ein guter Baum kann nicht schlechte Früchte bringen, und ein fauler Baum kann nicht gute Früchte bringen.

Es gibt Menschen, die in ihrem innersten Kern vergleichbar sind mit einem verfaulten Baum; und so etwas wird nach außen hin sichtbar durch Unhöflichkeit und Unfreundlichkeit Fremden gegenüber.

Und damit kommen wir zu dem Text aus dem 2. Timotheusbrief, der für heute vorgesehen ist. Es geht hier um die Macht Gottes über den Tod. Es wird von Jesus Christus bezeugt, dass er „dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hat durch das Evangelium.“ Diese Aussage bedeutet, dass die Menschheit zunächst eingeteilt werden könnte in zwei Kategorien: Menschen, die wissen, dass sie zu der Unvergänglichkeit gehören – weil sie zu Jesus Christus gehören – und Menschen, die zunächst damit rechnen müssen, dass sie zu der Vergänglichkeit gehören. Gott ist natürlich grenzenlos gnädig, aber um das zu wissen, muss man wissen, zu wem man gehört. Es gibt eine Menge Menschen, die nicht wissen, zu wem sie in Ewigkeit gehören, die nicht wissen, ob es einen Ausweg aus der Vergänglichkeit gibt oder nicht. Diese Ungewissheit muss auf die Dauer das ganze Wesen eines Menschen vergiften. Deswegen gibt es so viele Menschen, die muffig, unhöflich und unangenehm wirken. Wer aber weiß, dass er zu Gott in Ewigkeit gehört, wird ganz anders auftreten. Wie es am Anfang des Textes heißt: Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
Und man könnte dazufügen: den Geist der Höflichkeit.

Im April 1988 wurde in den Abendnachrichten ein erschütternder Film gezeigt. Ein Kameramann, der auch Fallschirmspringer war, war mit einer Gruppe von Fallschirmspringern aus einem Flugzeug gesprungen. Der Zuschauer sah die Springer, wie sie den freien Fall genossen hatten und wie ein Schirm nach dem anderen aufgegangen ist. Aber dann auf einmal wurde das Bild chaotisch und man konnte nichts mehr erkennen. Danach brach der Film ab. Der Nachrichtensprecher teilte dann mit, dass der Kameramann vergessen hatte, einen Fallschirm anzuziehen. Erst als er seinen Schirm aufmachen wollte, hat er gemerkt, dass er nicht da war. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Sprung aus dem Flugzeug sicherlich ein aufregendes Erlebnis.

Und es gibt Menschen, die so leben wie dieser Kameramann. Sie genießen das Leben und es scheint alles in Ordnung zu sein. Aber irgendwann kommt der Zeitpunkt, wo man merkt, dass die Vernichtung der Vergänglichkeit droht. Vielleicht merkt man diesen Zeitpunkt nicht mit klarer Deutlichkeit– aber unterschwellig auf jeden Fall. Und dann ergibt sich die Frage: Habe ich etwas, was mich retten könnte oder bin ich hilflos ausgeliefert? Wie viele Menschen haben einen Halt – vergleichbar mit einem Fallschirm – der ihnen Trost gibt, wenn der Abgrund der Vergänglichkeit droht? Wenn man bedenkt, wie wenige Menschen einen festen Halt haben – z.B. durch die bewusste Zugehörigkeit zu Jesus Christus -, ist es kein Wunder, dass so viele Menschen so mies gelaunt und unhöflich wirken. Und auch hektisch.

In diesem Zusammenhang könnte man an ein Gebet denken, dass Augustin formulierte: „Du, Herr, hast uns zu dir hin geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis dass es ruht in dir.“ In der letzten Woche gab es in einer Zeitung einen Reisebericht über das Wetterstein-Gebirge an der deutsch-österreichischen Grenze. Und in der Überschrift stand: „Unruhig ist unser Herz, bis es ruht im Blick auf die Wettersteinwand.“ Diese Notiz veranschaulicht unsere Situation. Menschen suchen ihr Seelenheil in Dingen, die vergänglich sind, und nicht in Gott. Wenn unser Herz in etwas ruht, was nicht Gott ist, ist diese Ruhe trügerisch. Kein Wunder, dass so viele Menschen eine nervöse Hektik in sich haben, die unweigerlich zu Unhöflichkeit führen muss. Nur Gott selber kann unser Herz zur Ruhe bringen.

'Harrowing of Hell/ 15 c. Hermitage', 2008, Shakko

Es wird berichtet, dass Martin Luther eine Hausmagd mit Namen Elisabeth hatte. Irgendetwas war vorgefallen, was diese Frau dazu veranlasst hatte, in einem Wutanfall ihren Dienst im Haus der Familie Luther fristlos zu kündigen. Danach wurde sie schwerkrank und bat Luther, sie zu besuchen. Als er ankam, war sie tief verzweifelt und aufgewühlt. Sie hat ihre Situation zusammengefasst mit den Worten: „Ich habe meine Seele an den Satan verkauft; ich bin verloren“. Luther erwiderte:
„Elisabeth, höre gut zu. Nehmen wir mal an, du hättest während deines Dienstes in unserem Haus meine Kinder an einen Fremden verkauft. Wäre dieser Verkauf verbindlich und rechtmäßig gewesen?“ Die Frau erwiderte: „Nein, dazu hätte ich kein Recht gehabt.“ Luther sagte daraufhin: „Also, ist es genauso mit deiner Seele, die du angeblich an den Erzfeind verkauft hast; sie gehört dir genauso wenig wie meine Kinder. Sie gehört allein dem Herrn Jesus Christus; er hat sie geschaffen, und als sie verloren war, hat er sie erlöst; sie gehört ihm.“ Damit wollte Luther deutlich machen, dass unsere ewige Geborgenheit in Gott abgesichert ist. Sie hängt nicht davon ab, wie wir uns verhalten, sondern allein davon ab, dass Gott etwas getan hat. Wie es in unserem Text heißt: Er hat uns selig gemacht und berufen mit einem heiligen Ruf, nicht nach unsern Werken, sondern nach seinem Ratschluss und nach der Gnade, die uns gegeben ist in Christus Jesus. Und selig gemacht heißt: er hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht.

Wer zu Gott in Ewigkeit gehört, wird eine positive, lebensbejahende Grundstimmung haben und wird allen Menschen gegenüber freundlich und höflich sein. Wer diese positive Grundstimmung nicht hat, wird weniger behutsam mit seinen Mitmenschen umgehen.

Möge Gott uns helfen, ihm zu vertrauen und ihm unser ewiges Schicksal anzuvertrauen.

Das Bild 'Painting of Jesus Christ', 2008, Roman Zacharij, wurde von ihrem Urheber, zur uneingeschränkten Nutzung freigegeben. Diese Datei ist damit gemeinfrei („public domain“). Dies gilt weltweit.
Die Abbildung 'Harrowing of Hell/ 15 c. Hermitage', 2008, Shakko, wurde unter den Bedingungen der Creative Commons "Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported"-Lizenz veröffentlicht.

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