Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Frankfurt am Main - Sachsenhausen

Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: JONA

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Feier der Osternacht: Andacht zu Beginn

Gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2003 im Kirchsaal Süd:

Jona wird befreit

Jona wird befreit, 1976

JONA

(In der ursprünglichen Fassung wurden zwischendurch Lieder gesungen).
Alle Bilder von der Jona-Geschichte sind Farbholzschnitte von Walter Habdank.*

Jona, wartend (Ausschnitt)

Jona, wartend (Ausschnitt), 1972.
Andeutung von Dornenkrone an seiner Stirn: damit wird angezeigt, dass Jona eine Christusvorlage ist

Die Geschichte des Propheten Jona dient als Vorlage für die Auferstehung Christi.

Denn Jesus sagte:
"Ein böses und abtrünniges Geschlecht fordert ein Zeichen, aber es wird ihm kein Zeichen gegeben werden, es sei denn das Zeichen des Propheten Jona. Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Schoß der Erde sein. Die Leute von Ninive werden auftreten beim Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und werden es verdammen; denn sie taten Buße nach der Predigt des Jona. Und siehe, hier ist mehr als Jona."
(Matthäus 12,39-41)

Wir werden heute Abend die Geschichte Jonas betrachten. Diese Geschichte ist voller Ironie. Und die ironischen Wendungen in dieser Geschichte vermitteln Botschaften, die auch für uns relevant sind.

Jona am Hafen

Jona am Hafen, 1972
(In dem Bild ist zu sehen, wie ein Hund erkennt, dass etwas an Jona unheimlich ist. Durch seine Körpersprache kündigt er das Unheil an, das Jona über sich bringen wird)

Jonas Berufung und Flucht vor Gott

"Es geschah das Wort des HERRN zu Jona, dem Sohn Amittais: Mache dich auf und geh in die große Stadt Ninive und predige wider sie; denn ihre Bosheit ist vor mich gekommen. Aber Jona machte sich auf und wollte vor dem HERRN nach Tarsis fliehen und kam hinab nach Jafo. Und als er ein Schiff fand, das nach Tarsis fahren wollte, gab er Fährgeld und trat hinein, um mit ihnen nach Tarsis zu fahren und dem HERRN aus den Augen zu kommen."

Kleinkariert

Tarsis lag vermutlich an der Südwestküste Spaniens und galt damals als das Ende der Welt. Nach dem Propheten Jesaja gehörte Tarsis zu den Orten „wo man nichts von mir (d. h. von Gott) gehört hat und die meine Herrlichkeit nicht gesehen haben“. An Jona zeigt sich, wie kleinkariert er ist, wenn er meint, er könnte einen Erdteil finden, wo Gott nicht vorkommt.

Jona würde sich im Grab umdrehen, wenn er das wüsste

Um Gott zu fliehen, sucht er zuerst die Hafenstadt Jafo auf. Jafo heißt im Neuen Testament Joppe. Diese Stadt spielt in der Ausbreitung des christlichen Glaubens eine besondere Rolle. Am Anfang bestand die urchristliche Gemeinde aus Juden.
Und wo gab es die ersten Heidenchristen, d. h. die ersten Nicht-Juden, die durch die Wirkung des Heiligen Geistes Christusanhänger wurden? Laut Apostelgeschichte wohnten sie in Joppe: ausgerechnet in der Stadt, die Jona aufsuchte, weil er verhindern wollte, dass Nicht-Juden in die Gemeinschaft mit Gott aufgenommen werden. Diese Begebenheit ist eine Ironie der biblischen Geschichte.

Jona, schlafend

Jona, schlafend, 1972

Jona schläft

"Da ließ der HERR einen großen Wind aufs Meer kommen, und es erhob sich ein großes Ungewitter auf dem Meer, dass man meinte, das Schiff würde zerbrechen. Und die Schiffsleute fürchteten sich und schrien, ein jeder zu seinem Gott, und warfen die Ladung, die im Schiff war, ins Meer, dass es leichter würde. Aber Jona war hinunter in das Schiff gestiegen, lag und schlief.
Da trat zu ihm der Schiffsherr und sprach zu ihm: Was schläfst du? Steh auf, rufe deinen Gott an! Ob vielleicht dieser Gott an uns gedenken will, dass wir nicht verderben.
Und einer sprach zum andern: Kommt, wir wollen losen, dass wir erfahren, um wessentwillen es uns so übel geht. Und als sie losten, traf's Jona. Da sprachen sie zu ihm: Sage uns, warum geht es uns so übel? Was ist dein Gewerbe, und wo kommst du her? Aus welchem Lande bist du, und von welchem Volk bist du?
Er sprach zu ihnen: Ich bin ein Hebräer und fürchte den HERRN, den Gott des Himmels, der das Meer und das Trockene gemacht hat.
Da fürchteten sich die Leute sehr und sprachen zu ihm: Warum hast du das getan? Denn sie wussten, dass er vor dem HERRN floh; denn er hatte es ihnen gesagt. Da sprachen sie zu ihm: Was sollen wir denn mit dir tun, dass das Meer stille werde und von uns ablasse? Denn das Meer ging immer ungestümer."

Jona, ins Meer geworfen

Jona, ins Meer geworfen, 1972

"Er sprach zu ihnen: Nehmt mich und werft mich ins Meer, so wird das Meer still werden und von euch ablassen. Denn ich weiß, dass um meinetwillen dies große Ungewitter über euch gekommen ist. Doch die Leute ruderten, dass sie wieder ans Land kämen; aber sie konnten nicht, denn das Meer ging immer ungestümer gegen sie an. Da riefen sie zu dem HERRN und sprachen: Ach, HERR, lass uns nicht verderben um des Lebens dieses Mannes willen und rechne uns nicht unschuldiges Blut zu; denn du, HERR, tust, wie dir's gefällt.
Und sie nahmen Jona und warfen ihn ins Meer. Da wurde das Meer still und ließ ab von seinem Wüten. Und die Leute fürchteten den HERRN sehr und brachten dem HERRN Opfer dar und taten Gelübde."

Dieser Abschnitt des Textes ist voller Ironie. Jona wollte in Ninive kein Glaubenszeugnis vor Heiden ablegen, jetzt wird er gezwungen, vor den Heiden auf dem Schiff ein Glaubenszeugnis abzulegen. Und er bekehrt tatsächlich die heidnischen Matrosen, obwohl er scheinheilig ist, denn er behauptet, dass er den Gott Israels fürchtet.

Die folgende Tabelle zeigt einige Gegensätze:

Matrosen (angeblich gottlose Heiden)

Jona (angeblich Prophet Gottes)

Beteten

Kein Gebet

Lebensbejahend: wollten am Leben bleiben

Kein Lebenswille (Schlaf der Gleichgültigkeit)

Wollten Sünde aufdecken

Wollte in Sünde beharren

Menschlich: wollten Jonah retten, obwohl er sie in Lebensgefahr brachte

Unmenschlich: obwohl er die Schiffsmannschaft durch sein Verhalten in Gefahr gebracht hat, ändert er seine Einstellung nicht

Wollten Gott gegenüber verantwortlich handeln

Wollte Gott nicht gehorchen

Beteten Gott an

Keine Anbetung

Entsetzt über die Sünde Jonas

Kein Schuldbewusstsein

Ehrfurcht Gott gegenüber

Keine Ehrfurcht

Ein Ausleger hat diese Episode folgendermaßen zusammengefasst: Wen möchten Sie als Nachbar haben: Jona oder einen von diesen Matrosen?

Scheinheiligkeit ist keine Entschuldigung

Auffallend ist, dass die Matrosen eine Verbindung zu dem Gott Jonas finden, obwohl Jona ein Heuchler ist. Zu allen Zeiten der Kirche hat es Menschen gegeben, die sich von einer Gemeinde trennten oder aus der Kirche ausgetreten sind, weil sie Heuchelei in einem Vertreter der Kirche erkannten. Diese Matrosen bezeugen aber, dass Scheinheiligkeit keine legitime Ausrede ist. Die Maskerade des Jona hat diese Matrosen nicht davon abgehalten, Gott zu suchen, Gott zu vertrauen, Gott anzubeten und, so gut sie konnten, Gott zu gehorchen.

Jona im Fischleib

Jona im Fischleib, 1972

Jona im Fisch

"Aber der HERR ließ einen großen Fisch kommen, Jona zu verschlingen. Und Jona war im Leibe des Fisches drei Tage und drei Nächte.
Und Jona betete zu dem HERRN, seinem Gott, im Leibe des Fisches und sprach: Ich rief zu dem HERRN in meiner Angst, und er antwortete mir. Ich schrie aus dem Rachen des Todes, und du hörtest meine Stimme. Du warfest mich in die Tiefe, mitten ins Meer, dass die Fluten mich umgaben. Alle deine Wogen und Wellen gingen über mich, dass ich dachte, ich wäre von deinen Augen verstoßen, ich würde deinen heiligen Tempel nicht mehr sehen. Wasser umgaben mich und gingen mir ans Leben, die Tiefe umringte mich, Schilf bedeckte mein Haupt. Ich sank hinunter zu der Berge Gründen, der Erde Riegel schlossen sich hinter mir ewiglich.
Aber du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, HERR, mein Gott!
Als meine Seele in mir verzagte, gedachte ich an den HERRN, und mein Gebet kam zu dir in deinen heiligen Tempel. Die sich halten an das Nichtige, verlassen ihre Gnade. Ich aber will mit Dank dir Opfer bringen. Meine Gelübde will ich erfüllen dem HERRN, der mir geholfen hat. Und der HERR sprach zu dem Fisch, und der spie Jona aus ans Land."

Jona, ausgespien

Jona, ausgespien, 1975

Immer noch scheinheilig

Es wirkt so, als ob Jona jetzt endlich zur Einsicht gekommen ist. Jetzt betet er. Jetzt preist er Gott. Seine Worte klingen fromm, denn sie sind ähnlich wie die Psalmen.

Aber wenn sein Psalmgebet mit den Psalmen Davids verglichen wird, fällt es auf, dass eine Menge fehlt.

Erstens: es gibt immer noch kein Schuldbekenntnis. Jona gibt immer noch nicht zu, dass er selber Schuld daran ist, dass er buchstäblich so tief gesunken ist. Jona hat vor, falls er aus dem Fisch herauskommt, nach Jerusalem zu pilgern und Gott ein Dankopfer zu bringen. Aber er ist immer noch nicht bereit, nach Ninive zu gehen.

Zweitens: sein Gebet ist völlig ichbezogen. Jona dankt Gott, dass er noch am Leben ist und dass seine Verbindung zu Gott noch besteht, aber er kann sich immer noch nicht dazu bringen, für die Matrosen zu beten, die er in Lebensgefahr brachte. Und ob die Heiden im Schiff das Heil Gottes erfahren und Gott anbeteten, ist Jona völlig egal, denn sie kommen in seinen Gedanken nicht vor.

In seinem Gebet stellt er heraus, dass die Gebete der Götzendiener nichtig sind, und dass er zu dem auserwählten Volk gehört und dass seine Gebete den Tempel in Jerusalem erreichen, wo Gott wohnt. Jona ist immer noch ein sturer Bock. Sein Gebet klingt zwar wie Spiritualität, aber Jona sieht nicht Gott, so wie er sich gerade offenbart hat, sondern er will Gott auf das beschränken, was in sein eigenes Konzept passt.

Zum Kotzen

Und dann heißt es: Und der HERR sprach zu dem Fisch, und der spie Jona aus ans Land. Diese Übersetzung gibt nicht wieder, wie drastisch die Sprache hier ist. Ein Bibelausleger schreibt folgendes: „Das hebräische Wort für „ausspeien“ kommt im Alten Testament nur in Ekel erregenden Bildern vor und entspricht unserem derben Wort „kotzen“, so dass es eigentlich heißen müsste: Und der Fisch kotzte Jona aus ans Land." Jona ist buchstäblich zum Kotzen.

Erlösung ist oft erniedrigend

Es kommt hier ein bitterer Humor zum Vorschein. Und dieser derbe Humor vermittelt eine Botschaft: wenn Gott Menschen rettet, ist die Rettung manchmal erniedrigend.

Als Israel aus der ägyptischen Knechtschaft befreit wurde, wurde es erniedrigt durch eine 40-jährige Wüstenwanderung, die notwendig war, damit es Glauben lernte.

Oder das 2. Buch der Könige berichtet, wie ein Feldhauptmann vom Aussatz geheilt wurde: er musste es sich gefallen lassen, dass der Prophet Gottes Elisa nicht direkt mit ihm sprach, sondern einen Boten schickte, der ihm mitteilte, dass er siebenmal in dem schlammigen Jordanfluss baden müsste. Der Feldhauptmann war beleidigt, so herablassend behandelt zu werden und eine solch lächerliche Anweisung zu bekommen, aber schließlich ging er hin, badete in dem Jordan und wurde geheilt. Hinterher erfuhr er eine weitere Kränkung, als der Prophet sich weigerte, eine Belohnung für diese Heilung anzunehmen. Und so ist es immer wieder in der Bibel: die Rettung Gottes ist eine Kränkung der menschlichen Selbstgefälligkeit.

Wie in einer Jauchgrube

Und was Jona betrifft: es ist fast witzig, wie Jona gerettet wird. Er wird von einem großen Fisch verschluckt, er muss drei Tage und drei Nächte in dem Bauch dieses Fisches verbringen. Ein Ausleger des Jona-Buches, der diese Begebenheit wortwörtlich versteht, sprach von dem Gestank im Bauch eines großen Fisches, verursacht durch die Magensäfte und die verwesenden Fischleichen. Drei Tage und drei Nächte in einem Fischbauch zu verbringen, ist ungefähr so angenehm, wie drei Tage und drei Nächte in einer Jauchgrube. Und dann muss der Fisch sich übergeben und Jona herausspucken. Wie demütigend!

Aber die Botschaft hier lautet: Wenn Gott einen Menschen rettet, muss der Mensch es sich gefallen lassen, dass Gott keine Rücksicht auf unsere Eitelkeit nimmt, und dass Gott Erlösungswege anbietet, die wir uns nicht ausgedacht hätten.

Es wäre Jona am liebsten gewesen, wenn Gott sofort mit einem Engel eingegriffen hätte, um ihn aus dem Wasser herauszuholen. Und es wäre uns am liebsten, wenn Gott mit Gewalt eingreifen würde, um diese Welt mit einem Schlag friedlich und gerecht zu machen.

Erlösung, nicht wie wir wollen

Aber statt dessen kommt Gott in unsere Welt hinein als ein Mensch, der genau so verwundbar und ohnmächtig ist, wie wir es sind. Dieser Mensch, Jesus von Nazareth, wurde erniedrigt und hingerichtet und nach drei Tagen stand er von den Toten wieder auf. Dieser Erlösungsweg ist eine Beleidigung des gesunden Menschenverstands. Wie Paulus schrieb: der gekreuzigte Christus ist den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit.

Und das Abendmahl, das diese Erlösung vermittelt, ist für Viele eine Blockade, bei der sie sich selbst nicht überwinden können. Viele Kirchenmitglieder missachten das Abendmahl als Belanglosigkeit oder haben Hemmungen, diesen einfachen Schritt zu vollziehen, bei dem man einfach als Empfangender da steht, angewiesen auf ein winziges Stück Brot und einen winzigen Schluck Wein. Das Abendmahl bietet keine Bestätigung des Geltungsbedürfnisses. Wir müssen es uns gefallen lassen, dass Gott uns nicht so rettet, wie wir es uns wünschen, sondern wie er es eingerichtet hat. Diese Wahrheit hat Jona erlebt, als er von einem großen Fisch gerettet wurde.

Jona, predigend

Jona, predigend, 1972

Jona predigt in Ninive

"Und es geschah das Wort des HERRN zum zweitenmal zu Jona: Mach dich auf, geh in die große Stadt Ninive und predige ihr, was ich dir sage! Da machte sich Jona auf und ging hin nach Ninive, wie der HERR gesagt hatte. Ninive aber war eine große Stadt vor Gott, drei Tagereisen groß. Und als Jona anfing, in die Stadt hineinzugehen, und eine Tagereise weit gekommen war, predigte er und sprach: Es sind noch vierzig Tage, so wird Ninive untergehen.
Da glaubten die Leute von Ninive an Gott und ließen ein Fasten ausrufen und zogen alle, groß und klein, den Sack zur Buße an."

Die schlechteste Predigt aller Zeiten

Die Predigt, die Jona in Ninive hielt, könnte eine Auszeichnung bekommen als die schlechteste Predigt, die es jemals gab. Seine Predigt wurde mit den Worten zusammengefasst: „Es sind noch vierzig Tage, so wird Ninive untergehen.“

Man merkt, dass Jona nur widerwillig ermahnt, dass er eigentlich keine Lust hat. Er sagt gerade so viel, wie er sagen muss. Es ist ihm anzumerken, dass er auch hofft, dass Ninive untergeht, denn er bietet keinen Ausweg und kein Mitleid. Er sagt kategorisch: noch 40 Tage und ihr seid tot. Basta!

Wenn ein Theologiestudent heute eine solche Predigt als Prüfungspredigt halten würde, würde er glatt durchfallen. Denn diese Botschaft ist völlig negativ. Es gibt hier kein Evangelium, keine Gnadenbotschaft und keine Hoffnung. Gott wird nicht erwähnt. Dass Gott gnädig und barmherzig ist, wird verschwiegen.

Trotzdem wirksam

Und jetzt kommt wieder Ironie ins Spiel: Jona hält die schlechteste Predigt aller Zeiten, aber seine Predigt ist trotzdem wirksam. Sie ist erfolgreicher als jede andere Predigt, die es jemals gab, denn er bekehrte die ganze Stadt. Nicht einmal Billy Graham in seinen besten Zeiten ist es gelungen, eine ganze Stadt zu bekehren.

"Und als das vor den König von Ninive kam, stand er auf von seinem Thron und legte seinen Purpur ab und hüllte sich in den Sack und setzte sich in die Asche und ließ ausrufen und sagen in Ninive als Befehl des Königs und seiner Gewaltigen: Es sollen weder Mensch noch Vieh, weder Rinder noch Schafe Nahrung zu sich nehmen, und man soll sie nicht weiden noch Wasser trinken lassen; und sie sollen sich in den Sack hüllen, Menschen und Vieh, und zu Gott rufen mit Macht. Und ein jeder bekehre sich von seinem bösen Wege und vom Frevel seiner Hände!
Wer weiß? Vielleicht lässt Gott es sich gereuen und wendet sich ab von seinem grimmigen Zorn, dass wir nicht verderben.
Als aber Gott ihr Tun sah, wie sie sich bekehrten von ihrem bösen Wege, reute ihn das Übel, das er ihnen angekündigt hatte, und tat's nicht."

Jona, wartend

Jona, wartend, 1972

Umfassende Bekehrung – mit einer Ausnahme

Diese Bekehrung war umfassend; denn auch die Tiere wurden einbezogen; auch sie wurden in Sack gehüllt. Und weil die Bevölkerung von ihren bösen Wegen umkehrte, kehrte auch Gott von seiner Drohung ab. In dem Buch Jona gibt es eine Bekehrung nach der anderen: die der Matrosen, die der Stadt Ninive und sogar die Umkehr Gottes. Nur eine Person will sich nicht ändern: Jona.

Jona wartet, dass Ninive zerstört wird

Das aber verdross Jona sehr, und er ward zornig und betete zum HERRN und sprach: Ach, HERR, das ist's ja, was ich dachte, als ich noch in meinem Lande war, weshalb ich auch eilends nach Tarsis fliehen wollte; denn ich wusste, dass du gnädig, barmherzig, langmütig und von großer Güte bist und lässt dich des Übels gereuen.
So nimm nun, HERR, meine Seele von mir; denn ich möchte lieber tot sein als leben. Aber der HERR sprach: Meinst du, dass du mit Recht zürnst?
Und Jona ging zur Stadt hinaus und ließ sich östlich der Stadt nieder und machte sich dort eine Hütte; darunter setzte er sich in den Schatten, bis er sähe, was der Stadt widerfahren würde.

Jona unterm Rizinus

Jona unterm Rizinus, 1972.
Er ist glücklich über den Schatten

Jona glücklich über Schatten

Gott der HERR aber ließ eine Staude wachsen; die wuchs über Jona, dass sie Schatten gäbe seinem Haupt und ihm hülfe von seinem Unmut. Und Jona freute sich sehr über die Staude.
Aber am Morgen, als die Morgenröte anbrach, ließ Gott einen Wurm kommen; der stach die Staude, dass sie verdorrte. Als aber die Sonne aufgegangen war, ließ Gott einen heißen Ostwind kommen, und die Sonne stach Jona auf den Kopf, dass er matt wurde. Da wünschte er sich den Tod und sprach: Ich möchte lieber tot sein als leben. Da sprach Gott zu Jona: Meinst du, dass du mit Recht zürnst um der Staude willen? Und er sprach: Mit Recht zürne ich bis an den Tod.
Und der HERR sprach: Dich jammert die Staude, um die du dich nicht gemüht hast, hast sie auch nicht aufgezogen, die in einer Nacht ward und in einer Nacht verdarb, und mich sollte nicht jammern Ninive, eine so große Stadt, in der mehr als hundertundzwanzigtausend Menschen sind, die nicht wissen, was rechts oder links ist, dazu auch viele Tiere?

Zum ersten Mal ist Jona glücklich - momentan

Gott gibt sich große Mühe mit Jona. Er lässt eine Pflanze wachsen, damit er Schatten bekommt. Und zum ersten Mal in diesem Buch heißt es: Jona war glücklich. Dann verliert Jona den Schatten und ist der heißen Sonne und dem Wüstenwind ausgesetzt. Warum hat Gott das getan? Gott will Jona in die Lage Gottes versetzen. Er will ihm klar machen, warum die Bewohner und Tiere der Stadt Ninive ihm wichtig sind. Er sagt: Das sind meine Geschöpfe, ich investiere Liebe und Mühe in meine Geschöpfe und will sie deshalb am Leben erhalten.

Jona mit dem Wurm

Jona mit dem Wurm, 1979.
Er ist Sonne und Wind ausgesetzt

Die größte Herabsetzung, die es gibt - Gleichwertigkeit

Aber Jona will nicht mehr leben, denn er hat seinen Lebensinhalt verloren. Sein Lebensinhalt war, dass er zu einer auserwählten Elite gehört hat: das Volk Israel. Und jetzt hat Gott – durch seine Gnade und Barmherzigkeit - die „gottlosen Heiden“ ihm gleichgesetzt. Jona musste erleben, dass er nicht besser oder wichtiger ist als alle anderen Menschen. Diese Geschichte endet mit einer Frage: wird Jona Gott zustimmen, dass alle Geschöpfe vor Gott gleichwertig sind? Die Frage bleibt offen.

Der Stachel der Gnade

Aber dadurch wird die Frage an uns gerichtet. Natürlich, als evangelisch-lutherische Christen wissen wir Bescheid über die Rechtfertigung durch Gnade, und deswegen wissen wir theoretisch, dass alle Menschen vor Gott gleichwertig sind. Aber wie sieht die Praxis aus? Was passiert, wenn eine Erschütterung eintritt: eine Krankheit, ein Unfall, Arbeitslosigkeit, jahrelanges Alleinsein? Wenn Erschütterung oder Verlust eintreten, wird auf einmal deutlich, dass wir alle aus dem gleichen Stoff gemacht sind: wir sind alle verwundbar, wir sind alle anfällig für Verlust, von einem Moment zum Nächsten kann man alles verlieren, was das Leben lebenswert gemacht hatte. In solchen Momenten erlebt man die Gleichwertigkeit aller Menschen. In solchen Momenten erlebe ich: ich bin nichts Besonderes. Ich bin wie jeder andere Mensch. Ich bin genauso auf die Gnade Gottes angewiesen, wie die Gottlosen, die Leichtsinnigen, die Unverantwortlichen.
Die Botschaft des Buches Jona lautet deshalb: wir Menschen gehören vor Gott alle zusammen, ob es uns passt oder nicht.

Jona – und auch wir Menschen heute – müssen das akzeptieren, was Gott zu Mose sagte: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich. (2.Mose 33,19.) Gott verfügt souverän über seine Gnade; der Mensch kann Gott nicht erpressen, bestechen oder Ansprüche ihm gegenüber geltend machen, wenn es um seine Gnade geht.

Das Buch Jona verkündet mit Eindeutigkeit die Gnade Gottes, indem es die Beschränktheit Jonas zeigt. Wenn es darum geht, die Schwächen der Beauftragten Gottes zu zeigen, ist die Bibel schonungslos. Denn es geht darum, vorzuweisen, wie groß Gott ist. Die unermessliche Größe Gottes zeigt sich dadurch, dass er seinen Willen verwirklicht durch Menschen, die ihm gegenüber widerborstig sind - und die sogar inkompetent sind. Die Größe der Gnade Gottes zeigt sich daran, dass Gott Jona nie aufgegeben hatte, sondern an ihm arbeitete und seine Beauftragung nicht zurücknahm. Gerade weil Jona so kleinkariert und so engherzig ist, kommt die Unermesslichkeit der Gnade Gottes um so deutlicher zum Vorschein.

Auferstehungsikone, Ikonenmuseum Frankfurt

Auferstehungsikone, Ikonenmuseum Frankfurt

Die Jonageschichte diente als Vorlage für Darstellungen des Totenreiches. So wie Jona von einem großen Fisch verschlungen wurde, so sind alle Menschen dazu bestimmt, von dem Totenreich – wie von einem gigantischen Seeungeheuer - verschlungen zu werden. In der Auferstehungsikone, die hier zu sehen ist, kommen die Verstorbenen aus einem Fischmaul heraus – denn das Totenreich wird so dargestellt, als ob es sich um einen kolossalen Fisch handelt.
Aber Jesus ist der neue Jona. Und nicht er allein kommt aus dem „Bauch“ des Todes heraus, sondern er befreit alle, die dort eingeschlossen waren.

Es gibt eine christliche Hymne aus dem späten ersten Jahrhundert, die davon spricht, dass Jesus aus dem Totenreich „ausgespieen“ wurde - so wie Jona aus dem Fisch. Und dieser Lobgesang feiert, dass Jesus nicht allein aus dem Totenreich ausgespuckt wurde, sondern mit ihm alle Toten:

Gegen allen Anschein bin ich nicht verworfen worden. Obwohl man es von mir dachte, bin ich nicht umgekommen. Das Totenreich sah mich, doch ihm wurde elend dabei. Der Tod spie mich aus und viele andre mit mir.... Die Toten liefen zu mir und riefen: „Erbarm dich unser, Sohn Gottes!... Öffne uns das Tor, durch das wir hinausziehen können zu dir! Denn wir begreifen, dass unser Tod dir nichts antun kann. Lass uns mit dir zusammen erlöst werden, denn du bist unser Erlöser.“ Dann hörte ich ihre Stimme und nahm mir ihren Glauben zu Herzen. Ich legte meinen Namen auf ihr Haupt, denn sie sind frei und sie gehören mir.

Das Buch Jona bezeugt, dass Gott an allen Menschen (und Tieren) interessiert ist. Sein Heil ist für alle. Dementsprechend sind alle für die Gnade der Auferstehung vorgesehen:

„Denn wie sie in Adam alle sterben, so werden sie in Christus alle lebendig gemacht werden“ (1. Kor. 15, 22)

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* Wir danken Frau Friedgard Habdank sehr herzlich, dass sie uns die Bilder ihres Mannes auf so großzügige und kostenlose Weise zur Verfügung gestellt hat.
© Galerie Habdank, www.habdank-walter.de

Und wir danken dem Ikonenmuseum Frankfurt (www.ikonenmuseumfrankfurt.de ) für die Genehmigung, Ikonen aus diesem Museum kostenlos zeigen zu dürfen.

PSch