Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Christfest, 2. Feiertag - Lukas 2, 20 Atheisten und Hirten

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'The Adoration of the Shepherds', 1646,  Workshop of Rembrandt

Christfest, 2. Feiertag

Atheisten und Hirten Lukas 2, 20

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt am 26.12.2010 im Kirchsaal Süd

Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war. Lukas 2, 20

In dem US-Bundesstaat Wisconsin, in einem Bezirk mit dem Namen Madison, gab es vor einigen Jahren eine Protestaktion gegen Weihnachten. Eine Gruppe von Atheisten stellte ein Schild auf. Auf diesem Schild war folgender Text zu lesen:

„In dieser Jahreszeit der Sonnenwende, möge Vernunft herrschen. Es gibt keine Götter, keine Teufel, keine Engel, keinen Himmel, keine Hölle. Es gibt nur unsere materielle Welt. Religion ist Mythos und Aberglauben, die Herzen verhärtet und den menschlichen Geist versklavt.“

Offenbar haben diese Atheisten damit gerechnet, dass jemand versuchen würde, dieses Plakat zu entfernen, entweder aus Verärgerung oder um ein Souvenir zu sammeln. Auf der Rückseite des Plakats zitierten diese Freidenker das siebte Gebot: „Du sollst nicht stehlen“.

Dass diese Atheisten sich auf ein biblisches Gebot berufen hatten, um ihre eigene Bekanntmachung zu schützen, ist ironisch. Denn wer Gott leugnet, hat keine Begründung für ein Gebot gegen Diebstahl. Wenn es keinen Gott gibt, dann ist jeder Mensch sein eigener Gott und bestimmt selbständig, was er klauen und nicht klauten will. Wer will ihn zur Rechenschaft ziehen, wenn kein Polizist in der Nähe ist?

Es gab einmal einen Pfarrer, der eine Verbindung zwischen Kirche und Arbeitswelt herstellen wollte. Er wollte das Evangelium in den Alltag eines Betriebes hineinbringen. Er bekam die Erlaubnis, während einer Mittagspause mit den Arbeitern über die Möglichkeit zu sprechen, eine Andacht in der Kantine anzubieten. Als er über sein Angebot sprach, meldete sich eine Person und sagte: „Wozu brauchen wir eine Andacht? Es geht uns gut. Wir haben alles, was wir brauchen.“ Als Erwiderung deutete der Pfarrer auf ein Schild, das an der Wand der Kantine hing. Da hieß es: „Wegen regelmäßigen Diebstahls sind wir nicht mehr in der Lage, Besteck zur Verfügung zu stellen. Wir bitten Sie, Ihr eigenes Besteckt mitzubringen.“ Einem Menschen, der keinen Gott kennt, ist nicht zu trauen.

Diese Art Diebstahl könnte man Wohlstandsdiebstahl nennen. Etwas wird geklaut, nicht weil ein Mensch in einer Notlage ist, sondern einfach aus Raffgier, aus Maßlosigkeit. Wohltandsdiebstahl ist eine Form der Selbstverwirklichung und der Selbstoptimierung.

Diese Art Diebstahl ist auch weit verbreitet. Zum Beispiel gibt es eine bekannte Drogeriekette. Der Leiter dieses Unternehmens sagte neulich in einem Interview: „In einer unserer Filialen hatten wir Verluste von mehr als einer halben Million Euro“. Erst bei einer verdeckten Videoüberwachung stellte sich heraus, „dass sich 21 Mitarbeiter von der Putzfrau bis zur Filialleitung jeden Abend die Taschen vollgestopft haben“. Eine Untersuchung hat ergeben, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für 23% des Verlustes durch Diebstahl verantwortlich sind. Etwa 20% aller Mitarbeiter von Firmen und Kaufhäusern sind nicht zu trauen. Auch in Altersheimen und Krankenhäusern muss man fest mit Dieberei durch Mitarbeitende rechnen.

Für Teile unserer Bevölkerung ist Diebstahl eine Sportart. Aber Wohlstandsdiebstahl bezeugt, wozu ein Mensch ohne Beziehung zu Gott fähig ist.

Denn Diebstahl ist eine Veranschaulichung des Sündenfalls. Der Sündenfall von Adam und Eva bestand darin, dass sie eigenständig entscheiden wollten, was für sie gut und böse wäre, ohne Bevormundung, ohne Unterordnung. Der Sündenfall geschieht täglich, wenn ein Mensch völlig autonom für sich selbst definiert, was gut und böse ist.

Aber vor allem bedeutet der Sündenfall, dass der Mensch definiert, wer für ihn „Gott“ sein wird. Der Mensch schafft sich ein Bild von Gott. Und dieser Phantasiegott ist relativ harmlos. Er ist lieb und einfältig. Er stellt keine unangenehmen Fragen oder Forderungen. Er fordert z. B. nicht, dass man „jeden Sonntag in die Kirche rennen“ muss, wie ich öfters gehört habe. Für die Christenheit ist die Menschwerdung Gottes die Antwort auf den Sündenfall. In der Geburt Jesu offenbart sich Gott, so wie er wirklich ist. Das Kind in der Krippe ist auf der einen Seite lieb und harmlos – so wie man sich das von einem Gott wünscht – aber auf der anderen Seite wird die Beziehung zu Gott durch diesen unscheinbaren Jesus wiederhergestellt, so dass ein Mensch verwandelt wird und nicht mehr ohne Weiteres autonom für sich selbst entscheidet, was gut und böse ist.

'Anbetung der Hirten', 2. Viertel 17. Jh., Gerard van Honthorst

Es ist in diesem Zusammenhang passend, dass die Hirten dazu eingeladen wurden, diese Gotteserscheinung in der Krippe von Bethlehem aufzusuchen. Denn Hirten waren dafür bekannt, dass ihnen nicht zu trauen war. Sie durften im Judentum vor Gericht nicht als Zeugen auftreten. Sie waren dafür bekannt, dass sie ihre Augen zudrückten, wenn ihre Herden auf fremde Weiden wanderten und alles abgegrast hatten.

Wir wissen nicht, ob die Hirten, die nach Bethlehem kamen, raffgierige Menschen waren oder nicht. Aber etwas können wir mit Sicherheit sagen. Lukas erzählt: „Die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten.“

Es gibt in diesem Text zwei Feinheiten. Wenn Lukas schreibt, dass die Hirten zurückkehrten, verwendet er ein Lieblingswort. In seinem Doppelwerk: „Lukasevangelium-Apostelgeschichte“ schreibt Lukas 33 Mal von einer Rückkehr. In den anderen 3 Evangelien kommt dieses Wort nur 1 Mal vor. Immer wieder kommt es bei Lukas vor, dass Menschen, die in Jesus eine Offenbarung Gottes erleben, einen Richtungswechsel vollziehen. Sie kehren um, sie kehren zurück, sie kehren heim, sie kehren hin zu Jesus.

Die zweite Feinheit steckt in dem Wort, dass Luther als „priesen“ übersetzte. Besser wäre es von „verherrlichen“ zu sprechen. Denn in diesem Tätigkeitswort steckt dasselbe Wort „Herrlichkeit“, das vorhin zwei Mal vorkam und das auch ein Lieblingswort des Lukasevangeliums ist. Die Herrlichkeit Gottes erschien auf dem Hirtenfeld, danach riefen die Engel: „Herrlichkeit sei Gott in der Höhe“. Und jetzt tragen die Hirten diese Herrlichkeit Gottes in sich, wie Lukas sprachlich andeutet.

Diese Hirten sind selbstverständlich nach wie vor fehlerhafte Menschen. Aber ich bin ziemlich sicher, dass sie nach diesem Besuch in Bethlehem etwas genauer aufgepasst haben, dass ihre Schafe nicht auf fremdem Eigentum weideten. Wer etwas von der Herrlichkeit Gottes gesehen hat und diese Herrlichkeit in sich trägt, kann nicht rücksichtslos vereinnahmen, was einem anderen gehört.

Oder um dieses Bild zu aktualisieren. Wenn diese Hirten heute leben würden, ist es unvorstellbar, dass sie nach dem Besuch in Bethlehem in ein Kaufhaus gehen und eine DVD oder ein iPhone klauen könnten.

Wie Lukas feststellt: auf die Wegrichtung eines Menschen sollte man achten, denn sie ist ausschlaggebend. Stellen Sie sich folgende Situation vor. Es ist nachts, Sie sind in einer dunklen Gasse und plötzlich tauchen drei junge Männer auf. Was wäre für Sie angenehmer: zu erfahren, dass sie gerade aus einer Kneipe gekommen sind, oder dass sie gerade in einem Gottesdienst waren?

Auch die Atheisten, die am Anfang erwähnt wurden, würden vermutlich lieber in einer Welt leben, die von Gottesdiensten geprägt ist.

Und die Erscheinung der Engel auf dem Hirtenfeld ist eine Urvorlage für jeden Gottesdienst. In jedem Sonntagsgottesdienst singen wir das Lied der Engel auf dem Hirtenfeld: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“

Die Anbetung und die Verherrlichung Gottes werden nicht ohne Folgen bleiben. Dafür sei Gott gelobt in Ewigkeit.

Das Gemälde 'The Adoration of the Shepherds', 1646, Workshop of Rembrandt, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.
Das Bild 'Anbetung der Hirten', 2. Viertel 17. Jh., Gerard van Honthorst, und dessen Reproduktion gehört weltweit zum "public domain". Das Bild ist Teil einer Reproduktions-Sammlung, die von The Yorck Project zusammengestellt wurde. Das copyright dieser Zusammenstellung liegt bei der Zenodot Verlagsgesellschaft mbH und ist unter GNU Free Documentation lizensiert.
Die Photographie 'Candelabro de Januca prendido el 7º día', 2008, Foto Propia, ist lizernsiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.
Das Gemälde 'Christmas', from 1810(1810) until 1893, Grigory Gagarin, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.
Das Bild 'Christ in the House of Simon', Dieric il Vecchio Bouts's art, wurde von Ihrem Urheber dem pubic domain zur Verfügung getellt.

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