Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: 1. Sonnntag im Advent: Jer. 23, 5 – 8 Vorboten der Zukunft

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'Hermann-Kuchen', 2007, Wildfeuer

1. Sonnntag im Advent

Vorboten der Zukunft Jer. 23, 5 – 8

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt am 28.11.2010

Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, dass ich dem David einen gerechten Spross erwecken will. Der soll ein König sein, der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird. Zu seiner Zeit soll Juda geholfen werden und Israel sicher wohnen. Und dies wird sein Name sein, mit dem man ihn nennen wird: »Der HERR unsere Gerechtigkeit«. Darum siehe, es wird die Zeit kommen, spricht der HERR, dass man nicht mehr sagen wird: »So wahr der HERR lebt, der die Israeliten aus Ägyptenland geführt hat!«, sondern: »So wahr der HERR lebt, der die Nachkommen des Hauses Israel herausgeführt und hergebracht hat aus dem Lande des Nordens und aus allen Landen, wohin er sie verstoßen hatte.« Und sie sollen in ihrem Lande wohnen. Jer. 23, 5 – 8

Im Dezember 1944 während des Krieges gab es einen letzten Versuch der Wehrmacht, den Angriff der Alliierten von Westen zu stoppen. Dieses militärisches Unternehmen, das sich in Belgien und Luxemburg abspielte, wurde die „Ardennenoffensive“ genannt. Während dieses Angriffs wurden amerikanische Soldaten gefangen genommen. Unter diesen Gefangenen entdeckte ein Wehrmachtsoffizier einen Behälter mit einem Kuchen. Als der Offizier dieses Gebäck untersuchte, stellte er fest, dass der Kuchen so schnell von Bosten an die Front in Belgien geschickt worden war, dass er noch frisch war. Dieser Offizier berichtete später, dass er in diesem Moment erkannte, dass die Wehrmacht den Krieg verloren hatte. Ein Gegner, der die Ressourcen und den Willen hat, inmitten eines globalen Weltkrieges einen frischen Kuchen Tausende von Kilometern an die Front zu schicken, ist nicht zu schlagen. Für ihn war dieser Kuchen ein Vorbote der Zukunft: für ein katastrophales Ende aber auch für einen Neuanfang.

'Der Prophet Jeremias', 1508-1512, Michelangelo Buonarroti

Der Prophet Jeremia erlebte etwas Vergleichbares. Zu seiner Lebzeit wurde Jerusalem von den Babyloniern überfallen und restlos zerstört. Jeremia hatte immer wieder im Voraus gewarnt, dass diese Katastrophe bevorstand, und er wurde deswegen ins Gefängnis gesteckt. Während er im Gefängnis saß, waren die Babylonier dabei, die Mauern von Jerusalem niederzureißen. Es gab in Jerusalem nichts mehr zu essen, so dass Kannibalismus ausbrach. Es war eine Situation, die absolut finster, hoffnungslos und entsetzlich war. Jeremia beschrieb diese Lage mit den Worten:

»Der Tod ist zu unsern Fenstern hereingestiegen und in unsere Häuser gekommen. Er würgt die Kinder auf der Gasse und die jungen Männer auf den Plätzen.«

In dieser grausamen Situation kam ein Bote zu Jeremia. Ein Vetter besuchte ihn im Gefängnis und teilte ihm mit, dass er die Möglichkeit hätte, ein Grundstück zu kaufen, das im Familienbesitz war. In einem solchen Moment überhaupt daran zu denken, einen Acker zu kaufen, ist nach menschlichem Ermessen der reinste Wahnsinn. Aber Jeremia sah in diesem Angebot eine Botschaft Gottes. Für den Propheten war dieses Kaufangebot ein Zeichen, dass das Volk Israel doch eine Zukunft im Lande hatte. Jeremia kaufte das Grundstück und achtete sogar darauf, dass der Verkauf juristisch korrekt vollzogen wurde. Der Kaufpreis, 17 Lot Silber, wurde mit einer Waage abgemessen. Alle Anwesenden im Gefängnis wurden als Zeugen herangeführt. Der Kaufbrief wurde unter Augenzeugen versiegelt, eine offene Abschrift über den Verkauft wurde angefertigt, und beide Schriften wurden in ein irdenes Gefäß gelegt, damit sie lange erhalten blieben. Schließlich wurde das Gefäß einem treuen Diener anvertraut.
Wie Jeremia feststellte:

Denn so spricht der HERR Zebaoth, der Gott Israels: Man wird wieder Häuser, Äcker und Weinberge kaufen in diesem Lande.

So wie es ein Wahnsinn war, während des zweiten Weltkrieges einen frischen Kuchen über den Atlantik an eine Kriegsfront zu schicken, so war es ein Wahnsinn, im 6. Jahrhundert vor Christus ein Grundstück zu kaufen, - und dabei auf juristische Feinheiten zu achten - als die totale Verwüstung Jerusalems und die babylonische Gefangenschaft unmittelbar bevorstanden. Aber beide Momente haben prophetischen Charakter. Inmitten eines tödlichen Konflikts wird ein Vorbote der Zukunft erkennbar.

Aber jeder von uns kennt solche Momente, die Vorschaucharakter haben. Es handelt sich um kleine Momente, die so unscheinbar sind, dass sie leicht zu übersehen sind. Aber es gibt in jedem Menschenleben Momente, wo man sich fragen muss: Warum gibt sich Gott so viel Mühe, um mir eine Freude zu machen? Und was will er mir damit sagen?

'Big and small red phonebox', 2007, Oxyman

Einen solchen Moment erlebte ich z. B. in der englischen Stadt Manchester, als ich dort im Jahre 1974 eine Fortbildung hatte. Es gab in einem Postamt ein Münztelefonapparat, der scheinbar defekt war. Die Telefonapparate in England waren so eingerichtet, dass man erst abwarten musste, bis eine Verbindung hergestellt wurde – d. h. bis man die Stimme am anderen Ende der Leitung hörte - , und erst dann konnte man Münzen einwerfen. Das hatte ich nicht verstanden und ging zu einem Postschalter, um Hilfe zu bekommen. Der Mitarbeiter hinter dem Schalter tat etwas, was ich nie vergessen hatte. Er hat sich nicht damit begnügt, mir die Sache mündlich zu erläutern, sondern er kletterte mühsam über seine Theke, obwohl er gelähmt war – wie ich hinterher entdeckte – und ging mit mir zu dem Telefonapparat und zeigte mir genau, was ich zu tun hatte. Dann hinkte er zu seinem Schalter zurück und kletterte mühevoll zurück über die Theke. In dem Moment habe ich unermesslich mehr gesehen als eine menschenfreundliche Geste. Es war ein Moment, bei dem ich die Güte und Freundlichkeit Gottes gesehen hatte. Die Mühe dieses gelähmten Mannes war eine Veranschaulichung, wie viel Mühe sich Gott gibt, kleine Botschaften seiner Liebe zu schicken, die uns zeigen sollen: „Du bist unendlich geliebt, du bist geborgen in mir, deine ewige Zukunft besteht aus meiner Güte und meiner Liebenswürdigkeit. Und das nenne ich Gerechtigkeit.“

Der Text aus dem Propheten Jeremia, der für heute vorgesehen ist, bietet einen Oberbegriff für das, was für uns in Ewigkeit vorgesehen ist. Der Begriff lautet: “Der Herr unsere Gerechtigkeit“. So wird der Messias heißen, verkündet Jeremia. Und die Gerechtigkeit, die in diesem Zusammenhang gemeint ist, besteht aus Güte. Für Jeremia bestand diese Güte aus der Verheißung, dass der Tag kommen wird, an dem Israel in seinem gelobten Land in Frieden und Sicherheit leben würde. Der Ackerkauf, den er im Gefängnis vollzog, war für ihn ein Anzeichen dieser künftigen Zeit.

Für uns Christen gibt es auch Vorboten der Zukunft, die aus kleinen Zeichen bestehen. Wenn wir z. B. Abendmahl feiern, sind die winzigen Bruchstücke Brot, die wir essen, Vorboten einer himmlischen Mahlzeit. Wenn Gott am Ende der Zeit Himmel und Erde vollendet, werden alle Völker in der Anwesenheit Gottes ein Festmahl feiern. Brot und Kelch sind Vorläufer dieser Mahlzeit im himmlischen Jerusalem. Oder die Loblieder, die wir im Gottesdienst singen sind Vorläufer der Loblieder, die wir mit den himmlischen Heerscharen singen werden.

'Préparation des dons pour l'eucharistie', 2006, Waelsch

Die Vorboten, die uns geschenkt werden, haben eine praktische Auswirkung auf das Leben. Im Jahre 1938 wurde der Psychologe Carl Jung von einem evangelischen Theologen mit dem Namen Walter Uhsadel besucht. Diese Begegnung war in Küsnacht in der Schweiz. Dort hatte Jung in seinem Haus eine Nachbildung eines Glasfensters, das die Kreuzigung Jesu darstellt. Jung zeigte auf dieses Bild und sagte: „Sehen Sie, das ist doch das Entscheidende für uns. Ich komme gerade aus Indien, da ist mir dies von neuem aufgegangen. Der Mensch muss mit dem Problem des Leidens fertig werden. Der östliche Mensch will sich des Leidens entledigen, indem er das Leiden abstreift. Der abendländische Mensch versucht, das Leiden durch Drogen zu unterdrücken. Aber das Leiden muss überwunden werden, und überwunden wird es nur, indem man es trägt. Das lernen wir alle von Christus.“

Und deswegen schickt uns Gott Vorboten seiner ewigen Güte, damit wir das Leiden tragen können, das uns auferlegt ist.

Aber er schickt uns Vorboten, auch damit wir bezeugen können, was Gott mit dieser Welt vorhat. Es wird unter uns Christen oft übersehen, wie sehr das Neue Testament auf die Zukunft ausgerichtet ist. Es gibt in dem Neuen Testament 266 Kapitel. Innerhalb dieser 266 Kapitel gibt es 318 Hinweise auf die zweite Ankunft Jesu Christi am Ende der Zeit. Wir Christen glauben zwar, dass der Messias gekommen ist, aber auch, dass er noch einmal in Macht und Herrlichkeit erscheinen wird, um seine Gerechtigkeit überall und endgültig zu verwirklichen, die aus bedingungsloser Güte besteht.

Möge Gott uns helfen, die Vorboten seiner Gerechtigkeit zu erkennen, die in unseren Gottesdiensten und im Alltag zu entdecken sind.

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Das Fresco 'Der Prophet Jeremias', 1508-1512, Michelangelo Buonarroti (Deckenfresko zur Schöpfungsgeschichte in der Sixtinischen Kapelle, Szene in Lünette: Der Prophet Jeremias), und dessen Reproduktion gehört weltweit zum "public domain". Das Bild ist Teil einer Reproduktions-Sammlung, die von The Yorck Project zusammengestellt wurde. Das copyright dieser Zusammenstellung liegt bei der Zenodot Verlagsgesellschaft mbH und ist unter GNU Free Documentation lizensiert.
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