Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Markus 2, 23 – 28 Kein Mensch darf gedemütigt werden

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20. Sonntag nach Trinitatis: Markus 2, 23 – 28 Kein Mensch darf gedemütigt werden

Gehalten von Pfarrer Phil Schmidt am 17. Oktober 2010 im Gemeinsamen Gottesdienst mit der Sarangegemeinde

'Klatschmohn (Papaver rhoeas) in einem Weizenfeld (Triticum)', 2009, 3268zauber

Und es begab sich, dass er am Sabbat durch ein Kornfeld ging, und seine Jünger fingen an, während sie gingen, Ähren auszuraufen.
Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Sieh doch! Warum tun deine Jünger am Sabbat, was nicht erlaubt ist? Und er sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen, was David tat, als er in Not war und ihn hungerte, ihn und die bei ihm waren: wie er ging in das Haus Gottes zur Zeit Abjatars, des Hohenpriesters, und aß die Schaubrote, die niemand essen darf als die Priester, und gab sie auch denen, die bei ihm waren? Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. So ist der Menschensohn ein Herr auch über den Sabbat.

Markus 2, 23 – 28

Der Sabbat ist nach biblischer Definition die Zeit zwischen Freitagabend und Samstagabend. Wie viele von Ihnen haben am Sabbat gearbeitet? Haben Sie z. B. eingekauft, gekocht oder geputzt? Haben Sie im Garten gearbeitet, den Rasen gemäht oder Blumen gegossen? Haben Sie am PC gearbeitet? Sind Sie Auto gefahren? Haben Sie aufgeräumt oder Geschirr gespült? Wenn Sie gestern am Samstag irgendeine Arbeit geleistet haben, dann haben Sie scheinbar ein biblisches Gebot übertreten, das lautet: „Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des HERRN, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun.“ Aber als Christen sind wir nicht unbedingt dazu verpflichtet, dieses Gebot einzuhalten. Denn das Gebot der Sabbatheiligung ist ausdrücklich an das Volk gerichtet, das Gott aus Ägypten führte, an das Volk Israel, an die Juden. Der christliche Sonntag ist nicht identisch mit dem jüdischen Sabbat.

Zu allen Zeiten war es unter Juden umstritten, wie Arbeit zu definieren ist und welche Arbeiten am Sabbat verboten sind. In dem Text, der für heute vorgesehen ist, wird es den Jüngern Jesu vorgehalten, dass sie den Sabbat entheiligt hatten, indem sie Weizenähren ausrauften. Aber es gab im Judentum unterschiedliche Meinungen dazu. In dem Talmud, einem jüdischen Lehrbuch, wird ein Rabbi Jehuda zitiert, der sagte: „Es ist erlaubt, am Sabbat mit der Hand Früchte zu zerreiben, um sie zu essen.“ Andere Lehrmeister – wie die Pharisäer – hatten eine andere Meinung dazu. Im Judentum gibt es keine höchste Instanz, die entscheidet, wer recht hat, wenn es gegensätzliche Auslegungen gibt. Und so ist es auch bei uns Protestanten; wir leben mit einer Vielfalt von Auslegungsmöglichkeiten, wenn es um biblische Texte geht.

In der Auseinandersetzung mit den Pharisäern beruft sich Jesus auf ein Auslegungsprinzip des Judentums, nämlich dass biblische Gebote dazu da sind, dem Leben zu dienen. Wenn ein biblisches Gebot in einer bestimmten Situation dem Leben nicht dient, dann darf es außer Kraft gesetzt werden. Die Heiligkeit des Lebens ist deshalb höher als die Heiligkeit des Sabbats. Schon lange vor der Zeit Jesu galt im Judentum das Prinzip: „Der Sabbat unterliegt eurer Gewalt, und nicht ihr der Gewalt des Sabbats!“ Weil die Jünger Hunger hatten und in eine Notsituation geraten waren, durften sie Ähren ausraufen, auch wenn diese Tätigkeit wie eine Entheiligung des Sabbats aussah.

Auch wenn wir Christen nicht verpflichtet sind, den Sabbat zu heiligen, sind wir auf jeden Fall dazu berufen, die Heiligkeit des Lebens zu bezeugen. Jesus Christus ist für alle Menschen gestorben und auferstanden. Deswegen ist jedes Menschenleben Gott geweiht und sollte deshalb mit Liebe und mit Behutsamkeit behandelt werden. Die Pharisäer kritisierten Jesus und seine Anhänger. Es wird nicht berichtet, ob diese Kritik liebevoll oder lieblos vorgetragen wurde. Aber gerade das ist die entscheidende Frage. Denn wir Christen sind auf jeden Fall dazu berufen, liebevoll, behutsam und geduldig mit Menschen umzugehen, besonders wenn wir Personen begegnen, die Ansichten haben, mit denen wir nicht einverstanden sind. Denn jeder Mensch ist ein Ebenbild Gottes; in jedem Menschen soll die Heiligkeit Gottes sichtbar werden. Deshalb darf kein Mensch gedemütigt werden. Jedes Menschenleben ist vor Gott heilig.

Die Photographie 'Klatschmohn (Papaver rhoeas) in einem Weizenfeld (Triticum)', 2009, 3268zauber, wurde unter den Bedingungen der Creative Commons "Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported"-Lizenz veröffentlicht.

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