Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: 2. Korinther 9, 6 – 15 Der Kreislauf des Segens

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Erntedankfest: 2. Korinther 9, 6 – 15 Der Kreislauf des Segens

Gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2010

'Columns at Corinth', 2005, Michael Condouris

Ich meine aber dies: Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen. Ein jeder, wie er's sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk; wie geschrieben steht (Psalm 112,9): »Er hat ausgestreut und den Armen gegeben; seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit.« Der aber Samen gibt dem Sämann und Brot zur Speise, der wird auch euch Samen geben und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte eurer Gerechtigkeit. So werdet ihr reich sein in allen Dingen, zu geben in aller Einfalt, die durch uns wirkt Danksagung an Gott. Denn der Dienst dieser Sammlung hilft nicht allein dem Mangel der Heiligen ab, sondern wirkt auch überschwänglich darin, dass viele Gott danken. Denn für diesen treuen Dienst preisen sie Gott über eurem Gehorsam im Bekenntnis zum Evangelium Christi und über der Einfalt eurer Gemeinschaft mit ihnen und allen. Und in ihrem Gebet für euch sehnen sie sich nach euch wegen der überschwänglichen Gnade Gottes bei euch. Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe!

2. Korinther 9, 6 – 15

Im Jahre 1837 gab es im US-Bundesstaat Georgia eine Kirchengemeinde mit 80 Mitgliedern. In dieser Gemeinde entstand ein Streit über die künftige Ausrichtung der Gemeinde. Eine Gruppierung wollte missionarische Tätigkeit unterstützen. Eine andere Fraktion war gegen eine missionarische Orientierung.

Wie wir alle wissen, ist das Wort „Mission“ ein belasteter Begriff. Mission wird manchmal als eine Form des Imperialismus betrachtet. Es gibt eine Karikatur von Missionaren, dass sie Fanatiker sind, die ein Land überfallen und ohne Respekt für gewachsene Traditionen den Einheimischen eine Fremdreligion überstülpen, die die ortsansässigen Kultur kaputt macht. Dass Mission auch respektvoll, auch mit Bescheidenheit, auch mit selbstkritischer Nachdenklichkeit betrieben worden ist, hat sich nicht allgemein herumgesprochen. Dass Mission auch Krankenheilung, Waisenheime, Schulbildung, Gerechtigkeit und Hilfe zur Selbsthilfe bedeutet hat, gehört auch nicht zum Allgemeinwissen.

Aber diese Fragestellung ist nicht neu. Schon vor 173 Jahren hat sich eine Gemeinde in Georgia Gedanken über Mission gemacht. Und es kam in dieser Gemeinde zu einer Kampfabstimmung: 42 waren für die Unterstützung von christlicher Mission; 37 waren dagegen. Die Anti-Mission Gruppierung wollte sich allerdings nicht unterdrücken lassen, sondern verließ die Gemeinde und machte sich selbständig. Einer von den Abtrünnigen sagte beim Weggehen: „Wir werden sehen, wer recht hat! Denn der Segen Gottes wird mit der Gemeinde bleiben, die im Recht ist.“

Im Jahre 1957, 120 Jahre nach dieser Spaltung, waren beiden Gemeinden noch am Leben, und es gab damals eine Bestandsaufnahme. Die Gemeindegliederzahl der Gemeinde, die gegen Mission war, die ursprünglich bei 37 lag, war auf 18 zurückgegangen, und es gab nur noch einmal im Monat Gottesdienste in dieser Gemeinde. Die missionarisch-orientierten Gemeinde, die ursprünglich 42 Mitglieder hatte, hatte inzwischen 1200 Mitglieder, und sie hatte 500 Kinder in der Sonntagsschule. In den vorherigen 15 Jahren hatte diese Gemeinde mehr als eine Million Dollar für missionarische Arbeit gespendet.

'Icon of en:Saint Paul Apostle', 1407, Andrej Rublev

Dieser Vergleich der zwei Gemeinden hat selbstverständlich keine Beweiskraft. Aber der Vergleich veranschaulicht zwei Möglichkeiten für eine Gemeinde: Ausrichtung nach außen oder Ausrichtung nach innen. Die gespaltene Gemeinde in Georgia ist eine Veranschaulichung dessen, was der Korintherbrieftext, der für heute vorgesehen ist, bezeugen will.

Paulus schildert zwei Möglichkeiten, wie die Gemeinde in Korinth auf seinen Spendenaufruf reagieren könnte. Eine Gemeinde, die nur auf sich selbst bezogen ist, die keine Ausrichtung nach außen hat, ist eine Gemeinde, die „kärglich sät“, wie seine Formulierung lautet:

Wer kärglich sät, der wird auch kärglich ernten.

Aber eine Gemeinde, die es wagt, viel Geld für Menschen in Not einzusetzen, wird einen spürbaren Segen empfangen, verkündet Paulus.

Wie er schreibt:

Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk.

Was Paulus verkündet klingt zu pragmatisch. Er behauptet, dass eine Gemeinde, die viel für die Armen spendet – und zwar nicht widerwillig, sondern mit fröhlichem Herzen – nie Mangel erleiden - sondern im Gegenteil - immer reicher wird. Paulus schreibt ungeniert:„So werdet ihr reich sein in allen Dingen“. Je mehr Segen eine Gemeinde investiert, um so mehr Segen wird eine Gemeinde empfangen. Paulus klingt hier fast wie ein Bankmanager, der seine Kunden ermutigen will, viel für eine Sache zu investieren, weil er Gewinnausschüttungen garantieren kann.

Was Paulus schreibt, klingt berechnend. Aber es ist immer wieder festgestellt worden, dass Paulus irgendwie recht hatte.

Es gibt z. B. einen Pfarrer, der seine langjährige Gemeindeerfahrung folgendermaßen zusammengefasst hat:

„Ich habe noch nie erlebt, dass eine großzügige Person geklagt hätte, weil es viel Geld kostet, eine Kirchengemeinde zu finanzieren. Personen, die geizig spenden, meckern über hohe Kosten; Personen, die großzügig spenden, machen sich Gedanken, ob sie nicht mehr geben sollten.
Ich habe nie erlebt, dass eine Familie, die freigiebig spendet, irgendwann aufhören musste so freigiebig zu sein, weil sie es sich nicht mehr leisten konnte. Ich habe nie eine großzügig spendende Familie kennen gelernt, die nicht im Allgemein glücklich und zufrieden war. Auf der anderen Seite habe ich nie eine geizige, berechnende Familie kennen gelernt, die nicht unzufrieden war über fast alles.
Ich habe nie eine Person kennen gelernt, die aggressiv und überempfindlich war und die gleichzeitig großzügig in ihrem Spendenverhalten war. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Personen, die der Meinung sind, dass wir in der Kirche zu viel über Geld sprechen, das Thema Finanzen völlig ausklammern wollen. Wer großzügig spendet, begrüßt es, wenn Finanzen thematisiert werden.
Ich bin zu der Schlussfolgerung gekommen, dass es einen direkten Zusammenhang gibt zwischen Glaubensinhalten und Großzügigkeit. Wer freigiebig spendet, ist treu und verlässlich. Wer geizig spendet, ist weniger treu und zuverlässig“

'Mühlbach(Eppingen) Evangelische Kirche Klingelbeutel', 2010, GFreihalter

Diese Feststellungen sind keine empirischen Ergebnisse; sie sind ohne Beweiskraft. Aber sie veranschaulichen, was Paulus in dem Korintherbrieftext andeutet, nämlich, dass der Segen Gottes, wenn er gebefreudig weiter gegeben wird, eine bereichernde Wirkung auf den Spender hat. Wer den Segen Gottes mit offenen Händen und offenem Herzen weiter gibt, wird mindestens reich im Geist sein, wird „in allen Dingen allezeit volle Genüge“ haben und „noch reich sein zu jedem guten Werk“, wie Paulus schreibt.

Aber damit ist das Wesentlichste noch nicht gesagt worden. Es geht hier nicht nur darum, dass notleidenden Menschen geholfen wird. Es geht nicht nur um eine Strategie des Gemeindeaufbaus durch eine Spendenaktion. Es geht Paulus nicht bloß um Geld und nicht bloß um notleidende Menschen. Es geht hier um etwas, was noch größer ist als die Linderung von Armut.

Sehr häufig wird Christsein mit Nächstenliebe gleichgesetzt. Was könnte größer sein, als dort zu helfen, wo Menschen dringend Hilfe brauchen? Aber es gibt etwas, was noch größer ist. Es geht hier um die Frage, wozu wir überhaupt existieren. Wozu hat Gott uns geschaffen? Wohin zielt alles, was wir empfangen, was wir tun und was wir sind?

Die Antwort auf solche Fragen ist nicht etwas, was in jedem Herzen Motivation freisetzen wird, denn die Antwort klingt abstrakt und belanglos. Die Antwort lautet: Alles, was auf dieser Erde geschieht, sollte der Ehre und der Herrlichkeit Gottes dienen.

Es gibt ein Wort in den biblischen Ursprachen, das gleichzeitig als Ehre oder als Herrlichkeit übersetzt werden kann. Meistens hat sich Luther für „Ehre“ entschieden, aber diese Übersetzung ist nicht ausreichend.
Paulus schrieb z. B.:

  • Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre (Herrlichkeit) in Ewigkeit! Amen. (Röm. 11, 36)
  • Ob ihr nun esst oder trinkt oder was ihr auch tut, das tut alles zu Gottes Ehre (Herrlichkeit) (I. Kor. 10, 31)
  • Wie ein Prophet des alten Testamentes verkündete: Denn die Erde wird voll werden von Erkenntnis der Ehre (der Herrlichkeit) des HERRN, wie Wasser das Meer bedeckt. (Hab. 2, 14)

In dem Korintherbrieftext, der für heute vorgesehen ist, hat Paulus vor Augen, dass es zuletzt um die Herrlichkeit Gottes geht. Denn was er in dem zweiten Teil des Textes schreibt, könnte man folgendermaßen zusammenfassen:
Wenn die judenchristliche Gemeinde in Jerusalem die großzügigen Spenden aus einer hellenistischen Gemeinde empfängt, wird sie die Größe Gottes erkennen. Sie wird sehen, dass Gott unter den Völkern mit Wunderkraft am Wirken ist, so dass eine Solidargemeinschaft entstanden ist, die die Kluft zwischen Juden und Heiden überbrückt hat. Deswegen werden Menschen in aller Welt Gott danken und preisen. Die Judenchristen in Jerusalem werden für die Heidenchristen in Korinth auch beten. Auf diese Weise wird der Segen Gottes, der durch eine Spendenaktion weitergeleitet wurde, zu den Gebern und zu Gott selbst zurückkehren. Die Größe und Herrlichkeit Gottes werden offenbart, und darauf kommt es an.

Durch einen Segenskreislauf wird Gott verherrlicht – einen Kreislauf, der mit himmlischem Segen beginnt, der durch großzügige Spendenbereitschaft weitergeleitet wird, der durch Dank- und Fürbittengebet an die Segensspender zurückkehrt und dazu beiträgt, dass Himmel und Erde Gott preisen.

Und in diesem Sinne feiern wir Erntedank. Es geht darum, Gott zu verherrlichen, indem wir ihm danken für alles, was er uns gibt, und indem wir heute für Brot für die Welt sammeln. Durch Danksagung und durch Spendensammlung wird der Segen, den wir empfangen haben, vor aller Welt bezeugt und an Gott zurückgegeben. Durch Dank und Spenden bezeugen wir, dass alles, was wir empfangen, zuletzt der Herrlichkeit Gottes in Ewigkeit dienen wird. Das ist unser Lebensinhalt, das ist unsere Mission, unser Auftrag, Gott zu verherrlichen - heute und für immer. Amen.

Das griechische Wort "doxa" hat Luther mit vier verschiedenen Begriffen übersetzt: "Ehre", "Preis", "Klarheit," und "Herrlichkeit".

'Columns at Corinth', 2005, Michael Condouris, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution 2.0 Generic license.
Die Abbildung 'Icon of en:Saint Paul Apostle', 1407, Andrej Rublev, ist im public domain, weil ihr copyright abgelaufen ist.
Die Photographie 'Mühlbach(Eppingen) Evangelische Kirche Klingelbeutel', 2010, GFreihalter, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.

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