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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Feier der Osternacht: Auferstehung als Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes

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Feier der Osternacht:
Auferstehung als Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes

Andacht - Gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2004 im Kirchsaal Süd
In der ursprünglichen Form gehörten Lieder und Lichtbilder zu dieser Andacht

'Warum-Gedenkstätte am Waidmarkt', 2009, Duhon

Warum-Gedenkstätte am Waidmarkt

Was bedeutete Auferstehung zur Zeit Jesu? In den 30er Jahren des ersten Jahrhunderts christlicher Zeitrechnung wurde verkündet, dass Gott Jesus von den Toten auferweckt hat. Was genau war der Inhalt dieser Aussage? Bevor man die Auferstehung Jesu bestätigt oder bestreitet, an sie glaubt oder nicht, muss man wissen, was die Behauptung, Jesus sei auferstanden, bedeutete und bedeutet.

Auferstehung hat etwas mit Gerechtigkeit und mit Ungerechtigkeit zu tun. Die größte Herausforderung für einen gläubigen Menschen ist es, unschuldiges Leiden zu erklären. Wenn Gott uns Menschen liebt und wenn Gott gerecht ist, wie kann er es zulassen, dass maßloses Leiden vorkommt, dass Menschen auf eine Weise leiden, die in keinem Verhältnis steht zu dem, was sie verdient hatten? Und wie kann ein gerechter, liebender Gott es zulassen, dass bösartige Menschen manchmal unbegrenzte Macht bekommen und eine Hölle auf Erden anrichten? Die Auferstehung Jesu Christi ist die Antwort Gottes auf solche Fragen.

Lasset uns beten:

Barmherziger, ewiger Gott. Wir bitten dich um deinen Beistand, wenn wir heute Abend versuchen, deine Gerechtigkeit zu verstehen. Hilf uns, die biblischen Texte zu verstehen, die wir hören werden. Hilf uns, wenn wir versuchen, uns in die Geschichte deines Volkes zu versetzen, dass wir die Botschaften begreifen, die für uns relevant sind. Hilf uns heute Abend, dass wir die Auferstehung Jesu Christi so verstehen, wie sie gemeint ist, damit wir getröstet und damit wir lebensfähig gemacht werden. Lass uns dich loben und dir danken, heute und in Ewigkeit. Amen.

Jahrtausend ohne Jenseitshoffnung

Es wird manchmal behauptet, dass die Jenseitshoffnungen der Christen entstanden sind, weil wir sonst die harte Wirklichkeit dieser Welt nicht ausgehalten hätten. Es ist behauptet worden, dass die Hoffnung auf Auferstehung und ewiges Leben eine Flucht von dieser Welt wäre, die aus einem Wunschdenken heraus entstanden ist. Wer aber die Bibel kennt, weiß, dass diese Behauptung unbegründet ist. Auferstehungsglaube ist nicht leichtfertig entstanden, denn die Menschen aus biblischen Zeiten hatten sich lange geweigert, an ein Leben nach dem Tod zu glauben. Sie kamen jahrhundertelang ohne Jenseitshoffnung aus.

Etwa tausend Jahre lang glaubte Israel nicht an ein Leben nach dem Tod. Es gab für Israel keine unsterbliche Seele, es gab keine Auferstehung des Körpers. Die Toten gelangten in die „Scheol“, einen Ort der Unterwelt, der einem großen Grab gleichkam. Es gab keine jenseitige Gerechtigkeit. Gerechtigkeit bestand aus Vergeltung und vollzog sich im Diesseits.

Gerechtigkeit bestand zuerst aus Vergeltung

'Justice and law', 2007, Tomeq183

„Wenn du nun der Stimme des HERRN, deines Gottes, gehorchen wirst, dass du hältst und tust alle seine Gebote, die ich dir heute gebiete, so wird dich der HERR, dein Gott, zum höchsten über alle Völker auf Erden machen, und weil du der Stimme des HERRN, deines Gottes, gehorsam gewesen bist, werden über dich kommen und dir zuteil werden alle diese Segnungen:...“ (5. Mose 28)

„Wenn du aber nicht gehorchen wirst der Stimme des HERRN, deines Gottes, und wirst nicht halten und tun alle seine Gebote und Rechte, die ich dir heute gebiete, so werden alle diese Flüche über dich kommen und dich treffen: Verflucht wirst du sein in der Stadt, verflucht wirst du sein auf dem Acker. Verflucht wird sein dein Korb und dein Backtrog. Verflucht wird sein die Frucht deines Leibes, der Ertrag deines Ackers, das Jungvieh deiner Rinder und Schafe. Verflucht wirst du sein bei deinem Eingang und verflucht bei deinem Ausgang. Der HERR wird unter dich senden Unfrieden, Unruhe und Unglück in allem, was du unternimmst... „ (5. Mose 28, 15 – 22)

Jahrhunderte lang wurden Leid und Katastrophe als Strafe Gottes verstanden. Es war ein einfaches Gerechtigkeitssystem: wer die Gebote einhält, bekommt Segen. Wer die Gebote nicht einhält, bekommt eine angemessene Strafe. Aber im 2. Jahrhundert vor Christi Geburt wurde dieses System in Frage gestellt. Denn die Rechnung ging nicht mehr auf.

Es gab eine Gerechtigkeitskrise im 2. Jahrhundert vor Christus

'Antiochos IV Epiphanes', 2007, CNG

Antiochus IV. (175-164 v.Chr.) versuchte, Jerusalem in eine griechische Stadt zu verwandeln. In Jerusalem durfte Gott nicht angebetet werden; stattdessen war die Verehrung von Zeus Olympios vorgeschrieben, dessen Standbild im oder vor dem Tempel aufgestellt wurde. Dies führte zum Aufstand der Makkabäer, einer Gruppe von Landpriestern.

Wie es heißt: „Antiochus erfand etwas radikal Neues – eine religiöse Verfolgung – nach der Weise: Wenn du deiner Religion abschwörst, wirst du leben, wenn du dich zu ihr bekennst, wirst du sterben.“
„Wie konnte man von der Gerechtigkeit Gottes sprechen, wenn man mit den übel zugerichteten, geschundenen Körpern der Märtyrer konfrontiert war?“
(„Jesus Ausgraben“, S. 310, 311)

Es ergab sich die Frage: Wo bleibt die Gerechtigkeit Gottes, wenn Gehorsam Gott gegenüber einen grausamen Tod bringt? Wo bleibt die Gerechtigkeit Gottes, wenn Ungehorsam Gott gegenüber das Leben bedeutet?

Als Erwiderung auf diese Gerechtigkeitskrise entstanden vier Antwortmöglichkeiten.

Vier vorläufige Antworten auf ungerechtes Leiden und Sterben

1. Der schöne Tod.

'Leiden I Maccabees 9 recto', 1190-1200

(2. Makkabäer 6, 28)
Der Jugend aber hinterlasse ich ein leuchtendes Beispiel, wie man mutig und mit Haltung für die ehrwürdigen und heiligen Gesetze eines schönen Todes stirbt. Nach diesen Worten ging er geradewegs zur Folterbank.

Der Tod des Sokrates galt als Vorbild, anstatt auszuweichen, hat er die Hinrichtung angenommen. Durch seinen Tod bezeugte er die Integrität seiner Lehre. So konnten auch Juden den ungerechten Tod annehmen und auf diese Weise ein heldenhaftes Zeugnis für die Heiligkeit Gottes ablegen.

2. Freiwillige, stellvertretende Sühne nach der Tradition des leidenden Knechts aus Jesaja 53.

Ein Fürbittengebet veranschaulicht diese Antwort: „Sei deinem Volk barmherzig und lass unsere Bestrafung genügen, lass mein Blut sie reinigen und nimm mein Leben an Stelle der ihren“ (4. Makkabäer 9, 29, geschrieben Mitte des 1. Jahrhunderts vor Christus). Stellvertretende Sühne galt in diesem Zusammenhang als Geschenk, das von Menschen angeboten und von Gott gnädig aufgenommen wird.

3. Die „Seele“ wird bei Gott sein.

„Denn wir werden aufgrund unseres Leidens und Ausharrens den Preis der Tugend erringen und bei Gott sein, nach dessen Ratschluss wir leiden.“ (4. Makkabäer 9, 8)

'Ascent of the Blessed', Ca. 1490 or later, Hieronymus Bosch

Die Voraussetzung für diese Antwort, ist, dass die Seele vom Körper abtrennbar ist. Diese Vorstellung von der Seele, dass sie das Wesentliche eines Menschen darstellt, dass sie ein selbständiges Leben hat, das von dem körperlichen Leben nicht abhängig ist, ist eine hellenistische Vorstellung – und gehört nicht zu der biblischen Tradition. Nach der biblischen Vorstellung sind Seele, Geist und Körper eine untrennbare Einheit.

4. Die Wiederherstellung des Körpers.

Ein ehrenvoller Tod, eine stellvertretende Sühne oder eine unsterbliche Seele waren keine angemessenen Antworten auf die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes. Gestorben waren nicht die Seelen, sondern die Leiber der Märtyrer. Nicht ihr Geist, sondern ihr Fleisch war gepeinigt und gebrandmarkt worden. Wie trug die Gerechtigkeit Gottes der Leiber der Märtyrer Rechnung?

Eine andere (4.) Antwort wird in 2. Makkabäer deutlich formuliert. Sie wird nicht näher begründet, so als sei sie nicht völlig neu, sondern allseits bekannt.

Die Antwort lautet: Irgendwann, irgendwie, irgendwo wird Gott die Leiber jener Märtyrer öffentlich und sichtbar wiederherstellen.

Das zweite Buch der Makkabäer, Kapitel 7 (Auszüge)

Als er in den letzten Zügen lag, sagte er: Du Unmensch! Du nimmst uns dieses Leben; aber der König der Welt wird uns zu einem neuen, ewigen Leben auferwecken, weil wir für seine Gesetze gestorben sind.

Nach ihm folterten sie den dritten. Als sie seine Zunge forderten, streckte er sie sofort heraus und hielt mutig die Hände hin. Dabei sagte er gefasst: Vom Himmel habe ich sie bekommen und wegen seiner Gesetze achte ich nicht auf sie. Von ihm hoffe ich sie wiederzuerlangen.

Dieser sagte, als er dem Ende nahe war: Gott hat uns die Hoffnung gegeben, dass er uns wieder auferweckt. Darauf warten wir gern, wenn wir von Menschenhand sterben.

Nein, der Schöpfer der Welt hat den werdenden Menschen geformt, als er entstand; er kennt die Entstehung aller Dinge. Er gibt euch gnädig Atem und Leben wieder, weil ihr jetzt um seiner Gesetze willen nicht auf euch achtet.

Wird die Erwartung einer körperlichen Wiederherstellung durch das Grabtuch von Turin veranschaulicht?

Egal, ob dieses Tuch das Grabtuch Jesu war oder nicht: der Mensch in diesem Tuch wurde offensichtlich nach jüdischen Vorschriften begraben. Denn es gibt eine Beerdigungsvorschrift des Judentums, die lautet: Der Leib eines Menschen, der gewaltsam umkam, dessen Blut vergossen wurde, darf nicht gewaschen werden. Es ging dabei um die zu erwartende körperliche Wiederherstellung

'Shroud of turin'

Die Pharisäer zur Zeit Jesu glaubten an eine Auferstehung am Ende der Zeit, die eine physische Wiederherstellung des Körpers bedeutet: alles, was zum Körper gehörte – z.B. das „Lebensblut“ (=Blut, das nach dem Tode aus dem Körper herauskam, das auch eine sühnende Wirkung hat) – muss mit dem Körper beerdigt werden, damit alles vorhanden ist, was für die körperliche Auferstehung notwendig ist. Auch die Erde, die das Lebensblut aufnahm, muss mit dem Körper beerdigt werden. Die Leiche darf nicht gewaschen werden. (Da wo die Fußabdrücke im Tuch vorkommen, wurde auch Erde entdeckt; nicht so viel, dass das Auge es sieht, aber mit dem Mikroskop sichtbar.)

Das Blut am Körper sollte möglichst nicht gestört werden. Deshalb sollte eine blutige Leiche in einem einzigen großen Tuch (Heb.: Sovev), das um den ganzen Körper herum geht, beerdigt werden. (Quelle: Victor Tunkel, Faculty of Laws, Queen Mary College, University of London).

Ein Mensch, der gewaltsam umgekommen ist, dessen Blut an den Kleidern haftet, sollte mit seinen Kleidern begraben werden; wenn er nackt war, wurde er auch nackt begraben.

Eine andere Quelle bestätigt diese Informationen: „Der Leichnam, der noch das Blut an sich trägt, das im Moment des Todes vergossen wurde -, ‚Blut der Seele‘ genannt -, darf nicht abgewaschen werden, darf nicht die Taharah (rituelle Reinigung) und auch keine Salbungen erhalten und muss in dem Zustand, in dem er sich befindet, in ein Laken gewickelt werden..."

“Weder Waschungen noch Taharah. Der Körper wird bestattet, ohne dass die blutigen Kleider entfernt werden, wenn er welche trägt. Das Blut ist Teil des Körpers und muß mit ihm begraben werden.(Quelle: „Geschichte der Riten des Judentums“, Rabbi Jehudah Arjiej, Venedig, 1678)

Die entscheidende Frage lautete nicht: "Bin ich ewig?", sondern: "Ist Gott gerecht?"

Es entstand die Erwartung, dass es für die Verfolgten eine Zeit und einen Ort der Gerechtigkeit geben muss. Sie müssen von Gott zurückerhalten, was sie um Gottes willen verloren haben. Irgendwann, irgendwie und irgendwo muss es eine allgemeine Auferstehung der Toten geben, bei der die Märtyrer Gerechtigkeit von ihrem Gott erfahren.

Und von den Märtyrern geht die Hoffnung auf alle Gerechten über, all jene, die für die Gerechtigkeit gelebt und unter der Ungerechtigkeit gelitten hatten.

Die entscheidende Frage lautete nicht: "Bin ich ewig?", sondern: "Ist Gott gerecht?"

Was ist Auferstehung?

Kommen wir jetzt zu der Frage, die am Anfang gestellt wurde: Was genau meinte jemand, der in den 30er Jahren des ersten Jahrhunderts christlicher Zeitrechnung lebte, wenn er verkündete, dass Gott Jesus von den Toten auferweckt hat? Was genau war der Inhalt dieser Aussage?

Zunächst: was Auferstehung nicht ist.

'The Raising of Lazarus', 1310–11, Duccio di Buoninsegna

1. Auferstehung ist nicht bloß Wiederbelebung:

Die Evangelien berichten von drei Wiederbelebungen, die Jesus vollzog: Lazarus, die Tochter des Jairus und ein Junge in Nain. Es wird ausdrücklich verkündet im Neuen Testament, dass Jesus der Erste war, der auferstanden ist.

Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind. 1. Kor. 15, 20

Die drei Totenerweckungen Jesu waren nicht Auferstehungen, denn die drei Wiederbelebten kehrten zu der Vergänglichkeit zurück. Wiederbelebung bedeutet Rückkehr; ein wiederbelebter Mensch wird durch die Rückkehr nicht verwandelt oder verklärt; er ist nach wie vor sterblich. Auferstehung aber bedeutet Verwandlung und Verklärung. Ein Auferstandener kehrt nicht zurück, sondern zieht durch den Tod hindurch in die Herrlichkeit Gottes. Ein Auferstandener ist unsterblich geworden.

„So auch die Auferstehung der Toten. Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. Es wird gesät in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Armseligkeit und wird auferstehen in Kraft. Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib. Gibt es einen natürlichen Leib, so gibt es auch einen geistlichen Leib.“ (1. Kor. 15, 42 – 44)

Die drei Tage, die Jesus im Grab verbrachte, sollen auch bezeugen, dass Jesus wirklich und wahrhaftig tot war. Nach damaliger Denkweise war ein Mensch absolut nicht mehr wiederzubeleben, nachdem er drei Tage im Grab war.

Außerdem: Wiederbelebung ist zu wenig

Am 25. Februar erschien der Spielfilm: „Die Passion Christi“. Dieser Film versucht, darzustellen, wie grausam das Leiden Christi war. In einem Kommentar zu diesem Film heißt es: „The Passion of the Christ“ ist ein Film, der die Qualen des Erlösers so überdeutlich ausstellt, dass er selbst immer wieder zur Tortur wird. Vielleicht braucht man eher Nerven als Glaubensstärke, um „The Passion“ bis zum Schluss auszuhalten, bis zu jener Szene, in der ein wundersam genesener und jungendschöner Jesus sich am Tag der Auferstehung von seinem steinernen Lager in der Gruft erhebt, ohne dass man nach den vorangegangenen zwei Stunden das Gefühl hätte, dadurch würde irgend etwas wieder gut.“ Das ist der springende Punkt: Wiederbelebung reicht nicht aus, um die Gerechtigkeit Gottes herzustellen

2. Auferstehung ist nicht dasselbe wie Erscheinung, denn Auferstehung ist nicht bloß Seelenbefreiung

Ist es möglich, dass die Leiche Jesu im Grab geblieben ist und dass seine Seele zu Gott heimgekehrt ist? Ist es möglich, dass die Jünger den Auferstandenen nur in Visionen gesehen hatten?

Jesus ist nach seiner Kreuzigung seinen Jüngern zwar „erschienen“, wie Paulus in dem 1. Korintherbrief mit überlieferten Zeugenworten berichtet. Aber diese „Erscheinungen“ waren unermesslich mehr als Visionen. Denn die ursprüngliche Tradition erwähnt ausdrücklich, dass Jesus begraben worden ist. Damit wurde bezeugt, dass der, der begraben worden ist, auch derjenige ist, der auferstanden ist. Wenn Auferstehung bloß Seelenbefreiung bedeutet, dann ist es völlig überflüssig, das Begräbnis Jesu zu erwähnen.

Auffallend ist, dass in der Apostelgeschichte 5 mal bezeugt wird, dass Christus die Verwesung nicht erlitten hatte.

Ansonsten: Die Osterberichte betonen die Leibhaftigkeit des Auferstandenen. Er wurde angefasst; er hauchte seinen Jünger an; er nahm ein Stück Brot in die Hand, brach es und verteilte die Stücke; er aß ein Stück gebratenen Fisch.

Seht meine Hände und meine Füße, ich bin's selber. Fasst mich an und seht; denn ein Geist hat nicht Fleisch und Knochen, wie ihr seht, dass ich sie habe. Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und Füße. (Lukas 24, 39. 40)

Außerdem wäre Seelenbefreiung viel zu wenig. Jesus erlitt eine maßlose Ungerechtigkeit: er wurde - obwohl unschuldig - körperlich gedemütigt: er wurde angespuckt, gegeißelt, bekam eine Dornenkrone und wurde mit Nägeln durchbohrt. Ihm wurde mit einer Lanze ins Herz gestochen. Zuletzt wurde er auch entkleidet, denn ein Kreuzigungsopfer hing nackt am Kreuz, sein Leiden war eine obszöne Zurschaustellung.

(Kyril von Jerusalem bestätigte, dass Jesus bei der Kreuzigung auf die übliche Weise entblößt wurde; deswegen wurden die Taufkandidaten vor der Taufe vollständig entkleidet, u. a. als Erinnerung an diese Nacktheit Jesu am Kreuz)

Eine bloße Seelenbefreiung - wie eine bloße Widerbelebung - wäre eine schwache Antwort auf diese maßlose Ungerechtigkeit, die an dem Körper Jesu vollzogen wurde. Und es geht dabei nicht nur um Jesus, sondern Jesus gilt stellvertretend für alle unschuldige Opfer, die körperlich misshandelt und gedemütigt wurden. Seelenbefreiung wäre eine Flucht aus dieser Welt, bei der das Leiden der Opfer widerspruchslos hinzunehmen wäre. Seelenbefreiung würde bedeuten, dass die Täter eine stillschweigende Rechtfertigung bekämen. Aber wo bliebe dann die Rechtfertigung des Opfers? Für die Bibel wäre es zu wenig, wenn die Antwort auf Ungerechtigkeit eine Verklärung der Seele wäre, denn das Hauptthema der Bibel ist nicht der Mensch, sondern Gott. Es geht um die Ehre Gottes. Die Gerechtigkeit Gottes ist das Hauptmotiv der Bibel.

Warum Seele und Körper zusammengehören: „Körperwelten“

Es gibt im Moment in Frankfurt die kontroverse Ausstellung: „Körperwelten“, bei der menschliche Skelette mit Muskeln und Organen ausgestellt werden. Diese Ausstellung wurde heftig kritisiert als eine Entwürdigung der Menschen, deren Überreste hier gezeigt werden. Ende Januar gab es im Hessischen Rundfunk einen Fernsehbericht von der Ausstellung. Da wurden Besucher gefragt, was sie von der Ausstellung hielten. Zweimal wurde gesagt: die Seelen dieser „ehemaligen Menschen“ sind weit weg, deswegen ist es nicht schlimm, wenn ihre körperliche Überreste ausgestellt werden.

'Dr. Gunther von Hagens', 2000, Túrelio

Hier sehen wir eine Meinung, die weitverbreitet ist. Hier wird behauptet, dass die ganze Identität eines Menschen von seiner sogenannten Seele abhängt, und dass die Seele eines Menschen etwas ist, was sich von dem Körper selbständig machen kann, und dass es deshalb zuletzt egal ist, was aus dem Körper wird.

Wenn diese Behauptung stimmt, dann war es nicht schlimm, dass die Römer ihre Kreuzigungsopfer nach dem Tode hängen ließen – um die Opfer zur Schau zu stellen - denn auch hier hätte man argumentieren können, dass die Seelen längst weit weg sind und dass das, was übrig geblieben ist, mit der wahren Identität eines Menschen nichts mehr zu tun hat.

Und diese Denkweise führte auch dazu, dass Menschen zügellos gelebt hatten: es wurde in der Gemeinde in Korinth im 1. Jahrhundert folgendermaßen argumentiert: wenn ich mich betrinke oder wenn ich eine Prostituierte aufsuche, dann geht das nur meinen Körper etwas an, und mein Körper ist zuletzt nur Abfall; die Seele bleibt unberührt, denn die Seele existiert selbständig von dem Körper! Gegen diese Denkweise ging Paulus in dem 1. Korintherbrief vor.

Gott aber hat den Herrn auferweckt und wird auch uns auferwecken durch seine Kraft. Wisst ihr nicht, dass eure Leiber Glieder Christi sind? Sollte ich nun die Glieder Christi nehmen und Hurenglieder daraus machen? Das sei ferne! ...wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört? Denn ihr seid teuer erkauft; darum preist Gott mit eurem Leibe. (1. Kor. 6, 12 – 20)

In dem 1. Korintherbrief im 15. Kapitel, als es um die Frage ging, mit welchem Leib die Toten auferstehen werden, verwendete Paulus das Wort „Fleisch“, um unseren heutigen Begriff „Identität“ zu umschreiben. Die Auferstehung „des Fleisches“ (apostolisches Glaubensbekenntnis) betont, dass das, was die Identität eines Menschen ausmacht, nicht verloren geht, sondern für Auferstehung vorgesehen ist. Und die Identität eines Menschen besteht nicht bloß aus der Seele, sondern Leib und Seele sind eine Einheit, und es ist der Leib und die Körpersprache, die einen Menschen unverwechselbar machen.

'Resurrection of the dead', 2009, sailko

Die Auferstehung Jesu war die Antwort Gottes auf die Ungerechtigkeit der Römer und auf alle Ungerechtigkeit der Welt. Diese Antwort lautet: Gott erweckt die Toten zum Leben, Gott verwandelt einen geschundenen Körper in einen verklärten Leib. Gott setzt seine Gerechtigkeit durch, auch wo der Mensch mit aller Gewalt Ungerechtigkeit produziert. Das heißt: die Täter der Ungerechtigkeit kommen gegen Gott nicht an und haben keine Zuflucht – auch nicht im Tod. Ein Adolf Hitler, der Selbstmord begeht, kann auf diese Weise der Gerechtigkeit Gottes nicht ausweichen. Menschen, die in Vernichtungslagern gedemütigt und umgebracht wurden, werden eine Gerechtigkeit bekommen, die ausreichen wird für alles, was an ihnen getan wurde. Niemand wird ungeschoren davon kommen, der gegen Gott arbeitet. Unschuldige Opfer können nicht ausgelöscht werden.

Wie Feodor Dostojewskij schrieb:
„Ich bin überzeugt....dass zuletzt am Ende der Welt in dem Moment der ewigen Harmonie etwas unermesslich Kostbares erscheinen wird, das für alle Herzen genügen wird, um allen Streit zu versöhnen, um alles vergossenes Blut zu sühnen; es wird ausreichen, um alles zu vergeben und alles zu rechtfertigen, was mit den Menschen geschehen ist.“

Was Auferstehung wirklich bedeutet

Dass Gott Jesus von den Toten auferweckt hat, bedeutete, dass damit die Auferstehung der Toten begonnen hatte. Die Auferstehung Christi und die allgemeine Auferstehung der Toten gehören organisch zusammen. Man kann das eine ohne das andere nicht haben. Dies wird von Paulus im 1. Korintherbrief 15 eindeutig bezeugt.

Wenn aber Christus gepredigt wird, dass er von den Toten auferstanden ist, wie sagen dann einige unter euch: Es gibt keine Auferstehung der Toten? Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferstanden.
Denn wenn die Toten nicht auferstehen, so ist Christus auch nicht auferstanden. Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind. (1. Kor. 15, 12. 13. 16. 20)

'Descent of Christ to Limbo', 1365-1368, Andrea Bonaiuti da Firenze

Die Auferstehung Jesu war eine Demonstration, dass Gott angefangen hat, die Welt zu verwandeln. Die Rechtfertigung all jener, die um der Gerechtigkeit willen gelebt, gelitten und gestorben waren, hat begonnen. Die Rechtfertigung aller, die in ihrem Leben unter Ungerechtigkeit gelitten hatten und gestorben waren, hat begonnen.

Die Pharisäer – und vermutlich auch die Jünger Jesu - erwarteten eine Auferstehung der Toten am Ende der Welt:

„Marta spricht zu ihm: Ich weiß wohl, dass er auferstehen wird - bei der Auferstehung am Jüngsten Tage. Jesus spricht zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben. Glaubst du das?“ (Joh. 11, 24 – 26)

Aber mit der Auferstehung Jesu Christi wurde Auferstehung neu definiert. Weil die Auferstehung Jesu und eine allgemeine Auferstehung der Toten organisch zusammengehören, hat die Auferstehung der Toten schon angefangen. Das heißt: Gott hat angefangen, seine Gerechtigkeit zu verwirklichen.

Die Auferstehung Christi hatte deshalb eine rückwirkende Kraft: sie erfasste auch die Menschen, die vor ihm gelebt hatten und schon im Totenreich waren.

Und siehe, der Vorhang im Tempel zerriss in zwei Stücke von oben an bis unten aus. Und die Erde erbebte, und die Felsen zerrissen, und die Gräber taten sich auf, und viele Leiber der entschlafenen Heiligen standen auf und gingen aus den Gräbern nach seiner Auferstehung und kamen in die heilige Stadt und erschienen vielen. (Matt. 27, 51 – 53)

Denn auch Christus hat einmal für die Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, damit er euch zu Gott führte, und ist getötet nach dem Fleisch, aber lebendig gemacht nach dem Geist. In ihm ist er auch hingegangen und hat gepredigt den Geistern im Gefängnis, die einst ungehorsam waren, als Gott harrte und Geduld hatte zur Zeit Noahs, als man die Arche baute, in der wenige, nämlich acht Seelen, gerettet wurden durchs Wasser hindurch. (1. Petrus 3, 18 – 20)

Aber sie werden Rechenschaft geben müssen dem, der bereit ist, zu richten die Lebenden und die Toten. Denn dazu ist auch den Toten das Evangelium verkündigt, dass sie zwar nach Menschenweise gerichtet werden im Fleisch, aber nach Gottes Weise das Leben haben im Geist. (1. Petrus 4, 5. 6)

'Christus erscheint Magdalena', 1308-1311, Duccio di Buoninsegna

Außerhalb der Bibel:
Gegen allen Anschein bin ich nicht verworfen worden.
Obwohl man es von mir dachte, bin ich nicht umgekommen.
Das Totenreich sah mich, doch ihm wurde elend dabei.
Der Tod spie mich aus und viele andre mit mir...
Die Toten liefen zu mir und riefen: „Erbarm dich unser, Sohn Gottes!...
Öffne uns das Tor, durch das wir hinausziehen können zu dir!
Denn wir begreifen, dass unser Tod dir nichts antun kann.
Lass uns mit dir zusammen erlöst werden, denn du bist unser Erlöser.“
Dann hörte ich ihre Stimme und nahm mir ihren Glauben zu Herzen.
Ich legte meinen Namen auf ihr Haupt, denn sie sind frei und sie gehören mir.
(Oden Salomos 42, 10 – 20)

Die Botschaft, die hier verkündet wird, ist atemberaubend. Die Auferstehung Christi erfasst die gesamte Menschheitsgeschichte und die gesamte Schöpfung. Diese Botschaft wird in dem Johannesevangelium angedeutet, wo Jesus als der Auferstandene in dem Friedhofsgarten von Maria entdeckt wird. Jesus wird zuerst für den Gärtner gehalten, eine Anspielung auf Adam, den ersten Gärtner. Der Friedhofsgarten ist das neue Eden, der Anfang einer neuen Schöpfung. Die Auferstehung Jesu Christi war der Anfang einer Verwandlung der gesamten Wirklichkeit. Gott hat angefangen, seine Gerechtigkeit zu verwirklichen. Und wir als Christusanhänger können uns an dieser Gerechtigkeit beteiligen.

Lasset uns beten:

Barmherziger, ewiger Gott.
Wir danken dir für die Auferstehung Jesu Christi. An dem ersten Ostermorgen hast du deine Gerechtigkeit offenbart, die alle Menschen aus allen Zeiten und an allen Orten erfassen wird. Hilf uns, dass wir durch die Auferstehung Jesu Christi verwandelt werden, dass wir deiner Gerechtigkeit dienen, indem wir geduldig und besonnen leben, indem wir die Gnade und Güte weitergeben, die wir von dir empfangen haben, indem wir mit Freude und Dankbarkeit Gottesdienste feiern, die deiner Verherrlichung dienen. Amen.

(Viele Inhalte dieser Andacht stammten von dem Buch „Jesus Ausgraben“ John Dominic Crossan, Jonathan L. Reed Patmos Verlag 2003)
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