Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Ansprachen: Invocavit: 2. Kor. 12, 9 Hauptsache gesund?

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1. Sonntag der Fastenzeit - Invocavit: Bittgottesdienst um Heilung

Hauptsache gesund? 2. Kor. 12, 1 - 7

Ansprachen gehalten von Gabriele Moog und Pfarrer Phil Schmidt am 21. Februar 2010 im Kirchsaal Süd

Und damit ich mich wegen der hohen Offenbarungen nicht überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlagen soll, damit ich mich nicht überhebe. Seinetwegen habe ich dreimal zum Herrn gefleht, dass er von mir weiche. Und er hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, damit die Kraft Christi bei mir wohne. Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit, in Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten, um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark. 2. Kor. 12, 1 - 7

'Bittgottesdienst um Heilung,  Kirchsaal', 2008, AB

Was hat Paulus da geschrieben? Dreimal hat er zum Herrn gefleht, damit es ihm besser geht. Doch die Antwort war keine Spontanheilung seiner als "Schwachheit" beschriebenen Krankheit. Die Antwort lautete schlicht: "Laß dir an meiner Gnade genügen." Ganz schön schwer ist das.

Da leidet man schlimme Qualen, Schmerzen, Sorge, Angst. Gesund zu werden erscheint einem als das einzig Erstrebenswerte. Und da soll so etwas Abstraktes wie Gottes Gnade genug sein können?

Und dann auf einmal das: "Darum bin ich gutes Muts in Schwachheiten, in Mißhandlungen, in Nöten, in Verfolgungen, in Ängsten, um Christi willen; denn, wenn ich schwach bin, so bin ich stark."

Wie hat Paulus das geschafft? Nun: So abstrakt ist die Gnade vielleicht gar nicht. Sie ist so viel. Sie ist der Weg zum Heil. Heil werden - Heilung, das ist es ja, worum wir auch in diesem Gottesdienst bitten wollen. "Hauptsache gesund", so sagen wir manchmal, zum Beispiel wenn jemand Geburtstag hat. Aber so wichtig Gesundheit auch ist: Heilung ist etwas anderes, ist mehr als Gesundheit, ja, sie ist sogar möglich, wenn der Körper nicht unversehrt ist. Und hier setzt die Gnade Gottes ein. Sie ist Gottes vorbehaltsloses Geschenk an uns. Keiner muß sie sich verdienen, etwa mit einer gesunden Lebensweise. Was Gott uns mit seiner Gnade anbietet, ist eine umfassende Heilung. Er bietet uns eine ungestörte Beziehung an. Etwas, worauf wir vertrauen können, etwas worauf wir uns verlassen dürfen. Haben wir uns von Gott entfernt, mag dieses Vertrauen verloren gehen. Aber wenn wir Gottes Gnadengeschenk annehmen, können wir uns getragen fühlen.

Es ist kaum zweieinhalb Wochen her, da durfte ich genau das selbst erfahren. Ein Notfall war passiert. Ein Familienmitglied lag hilflos vor mir auf der Erde, Verdacht auf Herzinfarkt. Das ganze Programm: Ohnmacht, Zusammenbruch, Blässe, kalter Schweiß, dazu die beiden Helfer aus dem Rettungswagen, aufgeklebt die Dioden, hektische Betriebsamkeit. Danach Blaulicht, Notaufnahme, Intensivstation. Ich stehe daneben, bin besorgt, kann nicht viel tun. Jetzt müßte ich doch beten: "Herr, mach ihn wieder gesund, laß es gut gehen." Tatsächlich habe ich auf einmal ein ganz merkwürdig ruhiges Gefühl. Ich bin geborgen. Zwar stürmen die Gedanken auf mich ein, "vielleicht wird er gar nicht mehr gesund", "das könnte jetzt ganz schlimm werden", "er könnte jetzt sterben". Aber irgendwie fühle ich mich getragen. Ich bin mir nicht sicher, daß das gut geht. Es ist nicht eine Gewißheit, daß sich die Gesundheit mit genügend Zuversicht, Glaube oder Gebet garantiert wiederherstellt. Es ist auch gar nicht so sehr ein klarer, rationaler Gedanke - obwohl das durchaus typisch für mich wäre. Es ist mehr ein Gefühl. Ein Gefühl von Sicherheit. Gott ist bei mir. Er schenkt mir seine Nähe, er schenkt mir Gnade. In einem Moment, in dem ich mich durchaus existentiell bedroht fühle, ist da etwas, auf das ich mich verlassen kann. Ich werde das durchstehen und ich bin nicht einmal alleine damit.

Am nächsten Tag stand übrigens fest, daß es doch kein Herzinfarkt war. Wir wissen noch nicht, was die Ursache für den Zusammenbruch gewesen ist. Für mich bleibt die Erfahrung, daß Gott Heilung schenkt, daß ich mir an seiner Gnade genügen lassen kann. "Wenn ich schwach bin, so bin ich stark." Genau das habe ich erlebt.

Ansprache, gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2010

Wenn Menschen krank werden, dann sagen sie oft, dass sie dadurch erneut gemerkt haben, wie kostbar die Gesundheit ist. Scheinbar ist Gesundheit das höchste Gut. Sehr häufig sagt man als Geburtstagsgruß: „Ich wünsche Ihnen gute Gesundheit im neuen Lebensjahr.“ Und die Erwiderung lautet – fast unweigerlich: „Ja, das ist die Hauptsache.“

Menschlich gesehen, ist es verständlich, dass Gesundheit so hoch geschätzt wird. Und es ist keine Frage, dass es der Wille Gottes ist, dass wir gesund bleiben. Krankheit kommt nicht von Gott und entspricht nicht dem Willen Gottes. Krankheit ist eine Form der Versklavung, die Gott zuletzt endgültig abschaffen will.

Aber trotzdem: Gesundheit ist nicht die Hauptsache und Gesundheit ist nicht das höchste Gut. Das höchste Gut ist Gott – und zwar Gott in seiner Gnade. Und manchmal muss man krank werden, um das zu merken.

Wenn ein Mensch krank wird und gezwungenermaßen zur Ruhe kommt, merkt er auf einmal, dass er nicht unentbehrlich ist, dass das Leben weiter geht, auch wenn er untätig ist. In einer solchen Situation kann man wahrnehmen, wie absolut unentbehrlich Gott ist.

Wenn ich auf mein eigenes Leben zurückschaue, muss ich feststellen, dass die entscheidendsten Momente in meinem Leben die Zeiten der Ohnmacht waren, denn nur so konnte ich lernen, was Gnade ist. Zeiten der Schwäche hängen oft mit Krankheit zusammen – aber nicht nur. Ich kann eindeutig sagen: wenn ich immer nur gesund gewesen wäre, wäre ich heute in einem erbärmlichen Zustand. Denn nur durch Krankheit und Schwäche lernt man, wie unentbehrlich die Gnade Gottes ist. Wie Paulus sagte: „Durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin.“

Und deshalb ist Krankheit manchmal wichtiger als Gesundheit. Das hat auch Paulus gelernt, als er Gott bat, ihn von einer stechenden gesundheitlichen Belastung zu befreien. Die Antwort Gottes lautete nicht: „Hauptsache gesund“, sondern: „Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ Die Hauptsache ist, dass die Gnade Gottes zur Geltung kommt.

Möge Gott uns helfen, immer wieder zu lernen, wie ausschlaggebend seine Gnade ist.

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