Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Philipper 4, 4 – 7 Eine überwältigende Freude

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4. Sonnntag im Advent

Eine überwältigende Freude Philipper 4, 4 – 7

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2009

'People', 2006, Mombas

Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe! Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Philipper 4, 4 – 7

Im Laufe meines Berufslebens habe ich eine Menge Vorträge und Grußworte über mich ergehen lassen müssen. Ich habe viele Reden gehört, die langatmig und steril waren. Und etwas, was ich dabei gelernt habe, ist, dass die schlimmsten Reden mit der folgenden Redewendung eingeleitet werden: „Es ist mir eine große Freude, heute hier zu sein und zu Ihnen zu sprechen...“ Wenn eine Rede so anfängt, wird sie garantiert eine narkotische Wirkung haben und viel zu lang sein. Wenn ein Redner von seiner Freude spricht, dann wird es für die Zuhörer keine Freude sein, ihm zuzuhören.

In diesem Zusammenhang wird das Wort „Freude“ missbraucht. Denn Freude ist grundsätzlich etwas, was man zunächst nicht selber merkt.

Denn was bedeutet der Begriff „Freude“? Wahrhaftige Freude ist eine seltene Erscheinung. Unsere Bevölkerung kennt Spaß, Unterhaltung, Vergnügung, Zerstreuung, Genuss, Erheiterung, Fröhlichkeit, Heiterkeit, gute Laune, Gaudi, Klimbim, Jux, Fez, Ausspannung, Kurzweil, Ausgelassenheit, Belustigung. Aber Freude liegt auf einer anderen Eben als Spaß und Genuss. Freude entsteht, wenn ein Mensch sich selbst vergisst. Freude stellt sich ein, wenn eine Person so völlig hineinversetzt wird in eine andere Wirklichkeit, dass sie nicht mehr an sich selbst denkt. Wenn ein Mensch befreit wird von der ständigen Beschäftigung mit sich selbst, wenn die eigene Person nicht mehr im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit ist, tritt Freude ein.

'The Morning of the Resurrection', 1882, Edward Burne-Jones

Freude entsteht zum Beispiel, wenn man von der Schönheit der Natur so überwältigt wird, dass die eigene Person anscheinend völlig unwesentlich wird. Freude entsteht, wenn man hinreißende Musik hört, die dazu führt, dass man nicht mehr an sich selbst denken will, sondern ganz in der Musik aufgeht. Die höchste Freude heißt „Ekstase“ und Ekstase bedeutet buchstäblich: außer sich zu geraten. Das Markusevangelium berichtet von einem Moment der Ekstase: als drei Frauen an dem ersten Ostermorgen das leere Grab entdeckten und hörten, dass Jesus auferstanden ist, flohen sie von der Grabstätte und waren voller Zittern und Entsetzen. Das Wort, das Luther mit „Entsetzen“ übersetzte, heißt im Urtext „Ekstase“. Dieses Erlebnis am Grab war für die Frauen kein Vergnügen und kein Genuss, sie waren nicht fröhlich, sie waren nicht belustigt, sie waren sprachlos und entsetzt, denn die Grabstätte Jesu war der Ort, an dem sie die unmittelbare Nähe Gottes erlebt hatten und sie waren deshalb „außer sich geraten.“ Und das heißt: hier war Freude eingetreten, obwohl die Frauen in dem ersten Moment nicht merkten, dass Freude eingetreten war.

Dementsprechend: für Christusanhänger entsteht Freude in Situationen, die freudlos erscheinen. Zum Beispiel: im Jahre 1950 wurde in Indien der Orden „Missionarinnen der Nächstenliebe“ von Mutter Teresa gegründet. Heute gehören über 3.000 Ordensschwestern und über 500 Ordensbrüder in 133 Ländern der Erde diesem Orden an. Eine Aufgabe dieser Gemeinschaft ist die Sterbebegleitung.

Einmal kam eine neue Schwester nach Indien, die von der Insel Malta stammte. An ihrem ersten Tag wurde sie in ein Haus der Sterbenden geschickt. Später kam sie zu Mutter Teresa und hatte ein strahlendes Gesicht. Sie wurde gefragt, warum sie so voller Freude war. Sie antwortete: „Mutter, ich habe drei Stunden lang Christus in meinen Armen gehalten.“ Offensichtlich dachte diese junge Schwester an das Wort Jesu: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“

'Men's ward at Mother Teresa's Home ', 2005, IndiaBoy

Die Freude, die diese Schwester erlebte, hat zwei Dimensionen. Erstens: sie hat sich völlig in die sterbende Person hineinversetzt, die sie zu betreuen hatte. Wer so etwas tut, vergisst sich selbst. Diese Ordensschwester hatte drei Stunden lang vergessen, dass sie eigene Bedürfnisse hat, weil sie völlig in ihrer Aufgabe aufgegangen ist. Und deshalb ist Freude eingetreten, die sie erst hinterher bezeugen konnte. Und die zweite Dimension ist die Nähe Jesu Christi. Die Nähe Jesu Christi bedeutet Freude. Diese Wahrheit wird immer wieder in den Evangelien berichtet. In dem Johannesevangelium z. B. sagt Jesus: „Das sage ich euch, damit meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen werde.“

Der Zusammenhang zwischen Freude und Nähe Jesu Christi ist auch das Thema des Textes, der für heute vorgesehen ist.

Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe! Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!

Es heißt hier: „Der Herr ist nahe!“ Die Nähe des Herrn ist der Grund aller dauerhaften Freude. Gemeint ist Jesus Christus, der mit dem „Herrn“ des alten Testamentes gleichgesetzt wurde. d.h. mit Gott selber. Und gemeint ist eine Nähe, die schon jetzt realisierbar ist in zwei Dingen, die in dem Text erwähnt werden: in der Güte der Menschen, die zu ihm gehören und in Gebet. Deswegen heißt es: „Eure Güte lasst kund sein allen Menschen... in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!“ So wird Freude spürbar, auch wenn man es selber erst nachträglich merkt.

Aber die Nähe des Herrn ist auch etwas Künftiges. Die Freude im Herrn ist dementsprechend eine Vorfreude. Der Prophet Jesaja kündete einen Tag der Freude an, der noch nicht eingetreten ist, wo es heißt:

Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jes. 35, 10)

Oder bei der Geburtsgeschichte Jesu nach Lukas wird auch eine künftige Freude in Aussicht gestellt, wo es heißt: „Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird.„ Wir sind für eine Freude vorgesehen, die überwältigend sein wird.

'Theatre Farce', 1878–1939, Кузьма Сергеевич

Es gab ein Vorkommnis in London im 18. Jahrhundert, das als Gleichnis dieser überwältigenden Freude dienen kann. Im Jahre 1773 wurde ein Theaterstück aufgeführt, eine Komödie. Der Geschäftsführer des Theaters hatte wenig Vertrauen, dass diese Komödie auf die Zuschauer lustig wirken würde. Er hat deshalb einen Mann engagiert mit dem Namen Adam Drummond, der für sein lautes und ansteckendes Lachen bekannt war. Dieser Mann hatte einen Ruf. Es hieß: das Wiehern eines Pferdes war wie ein Flüstern im Vergleich zu seinem Lachen. Sein Lachen sollte die anderen Zuschauer anstecken und für eine lustige Stimmung sorgen.

Zuerst hat die Sache gut funktioniert. Dieser Adam Drummond setzte sich in einer Loge neben der Bühne und er bekam ein Zeichen, wann er lachen sollte – denn er hatte vorher gesagt, dass er sonst keine Ahnung hatte, was lustig sein sollte. Zuerst hat er sich nach den Zeichen gerichtet, aber nach einer Weile konnte er nicht mehr aufhören zu lachen. Man hat versucht, ihn "abzuschalten", aber sein Lachen war nicht mehr zu unterdrücken. Er fand grundsätzlich alles überwältigend komisch. Bei einer Liebesszene, die ernst gemeint war, lachte er hysterisch bei jedem Satz und jeder Geste. Der Versuch der Schauspieler, etwas Ernstes vorzutragen, kam ihm kleinlich und verbissen und deshalb ungeheuer lustig vor. In einem letzten verzweifelten Versuch, das Theaterstück noch zu retten, wurde er umgedreht, damit er die Bühne nicht mehr sehen konnte, aber er lachte trotzdem weiter und die Zuschauer lachten mit ihm und konnten alles andere nicht mehr ernst nehmen.

Dieses Ereignis dient als Gleichnis. Im Psalm 126 heißt es: „Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll Lachens und unsere Zunge voll Rühmens sein...Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten“ Zuletzt – wenn Gott seine Herrlichkeit offenbart – werden Freude und Lachen alles überwältigen, was jetzt so furchtbar wichtig erscheint. Es wird ein Lachen geben, das ungefähr so abläuft wie in diesem Theater in London vor 200 Jahren: eine ansteckende Freude wird sich ausbreiten, die nicht mehr zu unterdrücken ist. Wenn diese Freude einsetzt, werden wir darüber lachen, wie kleinlich und verbissen wir waren. Wir werden darüber lachen, dass wir uns selbst so furchtbar ernst genommen haben und so sehr mit uns selbst beschäftigt waren.

Wegen dieser Freude, die uns bevorsteht, können wir heute schon etwas besonnener und gütiger sein: „Eure Güte lasst kund sein allen Menschen!“ Denn wir leben in der adventlichen Vorfreude. Möge Gott uns helfen, seine Freude und seine Güte auszustrahlen.

Die Photographie 'People', 2006, Mombas ist lizenziert unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung 2.5.
Das Gemälde 'The Morning of the Resurrection', 1882, Edward Burne-Jones, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.
Die Photographie 'Men's ward at Mother Teresa's Home ', 2005, IndiaBoy, wurde von ihrem Urheber zur uneingeschränkten Nutzung freigegeben. Diese Datei ist damit gemeinfrei („public domain“). Dies gilt weltweit.
Die Photographie 'Sisters of Charity', 2005, Fennec, wurde von ihrem Urheber, zur uneingeschränkten Nutzung freigegeben. Diese Datei ist damit gemeinfrei („public domain“). Dies gilt weltweit.
Das Bild 'Theatre Farce', 1878–1939, Кузьма Сергеевич, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.

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