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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Ewigkeitssonntag: Offb 21,1-5 Was Menschenwürde zuletzt ausmacht

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'Havana City sunset', 2006, Uploaded by en:User:Krasivaja

Ewigkeitssonntag

Was Menschenwürde zuletzt ausmacht Offb 21,1-5

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2000

Und das Meer gab die Toten heraus, die darin waren, und der Tod und sein Reich gaben die Toten heraus, die darin waren.
Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Offb 21,1-5

Vor einigen Jahren gab es eine schockierende Nachricht aus Kuba. Etwa 100 junge Menschen dort infizierten sich absichtlich mit dem AIDS-Virus. Sie haben natürlich gewusst, dass sie nur noch einige Jahre leben würden, wenn sie AIDS haben. Also warum haben sich diese junge Leute absichtlich mit einer tödlichen Krankheit infiziert? Die Antwort hängt damit zusammen, dass alle AIDS-Opfer in Kuba eine bevorzugte Behandlung bekommen. Sie werden in einem Sanatorium untergebracht, wo sie jeden Tag drei vollständige Mahlzeiten bekommen. Es gibt dort eine Klimaanlage, es gibt dort keinen Stromausfall, es gibt keine Polizeiüberwachung, es gibt keine seelenlose Arbeit. Die AIDS-Kranken befinden sich – für kubanische Verhältnisse – in einem Paradies, wo sie verwöhnt werden. Und diese kurze Zeit des Paradieses ist für manche junge Leute scheinbar wichtiger als ein langes, langweiliges Leben.

Aber worum geht es hier wirklich? Diese Begebenheit veranschaulicht eine menschliche Eigenschaft, die in uns allen vorkommt. Etwas, was jeder Mensch unbedingt braucht, ist ein Gefühl der Würde. Für diese kubanischen Menschen geht es nicht bloß darum, für kurze Zeit verwöhnt zu werden, sondern es geht darum, einmal im Leben so etwas wie Menschenwürde zu genießen. Dieses Verhalten erinnert an die Zeit, als der eiserne Vorhang noch stand: da haben Menschen aus der ehemaligen DDR ihr Leben riskiert, um in den Westen zu fliehen, obwohl sie im Osten materielle Sicherheit hatten. Aber es fehlte dort die Würde, eine eigene Meinung vertreten zu dürfen und es fehlte die Würde, die Verantwortung für das eigene Leben tragen zu dürfen. Denn der Mensch braucht mehr als materielle Sicherheit, um sinnvoll Leben zu können. Er braucht eine Menschenwürde, die unabdingbar ist.

Und diese Frage, was die Würde ausmacht, spielt eine große Rolle, wenn das Leben eines Menschen zu Ende geht. Krankheit und Sterben greifen die Würde eines Menschen an. Besonders in der heutigen Zeit, in der es Behandlungsmethoden oder medizinische Geräte gibt, die das Leben eines Menschen verlängern können, da entsteht die Frage, was wichtiger ist, ob ein Mensch möglichst lange lebt oder ob er sein Leben in Würde vollenden darf?

Auch die Begleitung in der letzten Lebensphase ist eine Frage der Würde: deswegen ist es uns so wichtig, dass ein Sterbender möglichst schmerzfrei bleibt und nicht allein gelassen wird. Und auch bei der Beerdigung ist die Frage der Würde noch nicht zu Ende: denn es gibt ein Bedürfnis, bei der Bestattung die Würde des Verstorbenen zu bezeugen: durch Blumen, durch Kränze, durch anerkennende Worte, durch die Gestaltung und Pflege der Grabstätte.

Auch die kirchliche Bestattung will die Würde eines Menschen bezeugen. Aber für uns als Christen hängt die Würde eines Menschen weitgehend davon ab, was jenseits des Grabes eintreten wird. Für unsere nichtgläubige Umwelt hört die Frage der Würde auf, sobald die Grabstätte eingerichtet ist. Denn unsere diesseitsorientierte Welt kennt nur die Vernichtung und zuletzt Vergessenheit als Endergebnisse eines Lebens. Sobald ein Mensch Staub und Asche geworden ist, hat die Frage der Würde seine Relevanz verloren. Aber für uns Christen fängt diese Frage erst dann richtig an.

'Kerzen auf dem Altar am Ewigkeitssonntag im Kirchsaal Süd', 2008, PSch

Denn die Bibel bezeugt, dass unsere Bedeutsamkeit als Menschen davon abhängt, dass wir für eine unmittelbare und ewige Gemeinschaft mit Gott vorgesehen sind. Wie wir in der Epistellesung für Ewigkeitssonntag vorhin gehört haben: Wenn die Zeit der Vollendung da ist, wird Gott unter seinem Volk wohnen und ihm unmittelbar nahe sein. Deswegen gibt es in dem himmlischen Jerusalem keinen Tempel und keine Kirche. Tempel und Kirchen sind überflüssig geworden, denn Gott selber ist für alle sichtbar nahe geworden. Und Gott selber wird die Tränen von allen Augen abwischen und den Tod für immer auslöschen. Dieses rührende Bild von einem Gott, der selber die Tränen abwischt, der die Menschen durch seine persönliche Zuwendung verwöhnt, bezeugt die Würde, die wir Menschen allein in Gott haben. Jenseits der jetzigen, sichtbaren Welt gibt es eine künftige Herrlichkeit, in der kein Mensch durch Leid, Schmerz und Tod entwürdigt wird oder in Vergessenheit geraten kann.

Die Bibel bietet uns die Verheißung, dass unsere Verstorbenen nicht für Vernichtung, sondern für eine ewige Herrlichkeit vorgesehen sind. Unsere Verstorbenen gehören nicht zu der Finsternis, sondern zu einem ewigen Licht, zu dem auch wir schon jetzt gehören dürfen.

Später, wenn die Namen der Verstorbenen verlesen werden, werden Kerzen für sie angezündet. Diese Kerzen sollen bezeugen, dass unsere Verstorbenen zu dem ewigen Licht gehören, das Gott heißt. Deswegen stehen diese Lichter am Altar. Gott kennt sie mit Namen, auch wenn sie von den Menschen vergessen worden sind, denn manche Personen auf dieser Liste sind ohne Trauergemeinde beerdigt worden. Aber sie sind nicht von Gott vergessen worden; das bezeugen wir, indem wir ihre Namen nennen und Kerzen für sie anzünden. Und wenn wir später Abendmahl feiern, sind diese Lichter mitten unter uns – als Teil der Abendmahlsgemeinschaft. Damit bezeugen wir, dass die Verbundenheit zwischen den Verstorbenen und uns nicht endgültig unterbrochen worden ist. Denn die Trennung zwischen Lebenden und Verstorbenen wird in Gott aufgehoben.

Diese biblische Verheißung ist es, was wir brauchen, um sinnvoll leben zu können. Die kubanischen Menschen, die am Anfang erwähnt wurden, die ihre Menschenwürde in einem Sanatorium gesucht hatten, sind ein Hinweis, wie unermesslich wichtig es ist, zu wissen, was die Bedeutsamkeit eines Menschen zuletzt ausmacht. Manche Menschen sind bereit, für ein kurzfristiges irdisches Paradies ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Aber unsere Menschenwürde ist zuletzt nur in einem jenseitigen Paradies zu finden, wie der Text aus der Offenbarung bezeugt.

Unsere Würde und die Würde unserer Verstorbenen hängt zuletzt allein von der Verheißung einer ewigen Herrlichkeit ab. Möge Gott uns helfen, diese Verheißung zu glauben und in diesen Verheißungen unseren Lebenssinn zu finden.

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