Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: 1. Mose 2, 4b - 9. 15 Warum man nicht leichtsinnig sein sollte

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15. Sonntag nach Trinitatis: 1. Mose 2, 4b - 9. 15 Warum man nicht leichtsinnig sein sollte

Gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2002

'Zweiter Schöpfungstag', 1987 - Walter Habdank. © Galerie Habdank

'Zweiter Schöpfungstag', 1987
Walter Habdank. © Galerie Habdank

Es war zu der Zeit, da Gott der HERR Erde und Himmel machte. Und alle die Sträucher auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen; denn Gott der HERR hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und kein Mensch war da, der das Land bebaute; aber ein Nebel stieg auf von der Erde und feuchtete alles Land. Da machte Gott der HERR den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen. Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen.... Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.

1.Mose 2,4-9. 15

Im Jahre 1982 gab es ein modernes Kunstwerk, das auch lebensgefährlich war. Dieses sogenannte Kunstwerk bestand aus einem Stuhl und einer Schrotflinte, die auf den Stuhl gerichtet war. Die Schrotflinte war an einem Schaltgerät so angeschlossen, dass sie irgendwann innerhalb der nächsten 100 Jahre einen Schuss abgeben würde. Bei der Ausstellung, auf der dieses Werk stand, konnten sich die Besucher – wenn sie wollten – in den Stuhl setzen. Wie viele wollten sich auf diesen Stuhl setzen? Erstaunlicherweise gab es eine Schlange von Menschen, die darauf warteten, sich für ein paar Sekunden in den Stuhl zu setzen. Obwohl die Besucher genau wussten, dass es völlig unberechenbar war, wann die Schrotflinte einen tödlichen Schuss abfeuern würde, wollten viele dieses Risiko auf sich nehmen.

'A Tyne & Wear Metrotrain crosses a level crossing at Kingston Park', 2001, SPSmiler

Diese Risikofreude sollte uns nicht überraschen, denn sie ist täglich zu beobachten. Zum Beispiel: jeder Mensch weiß, dass harte Drogen eine tödliche Sucht erzeugen, aber sie werden trotzdem eingenommen. Jeder Autofahrer weiß, dass es ein tödliches Risiko ist, Alkohol zu trinken und anschließend Auto zu fahren, aber es wird trotzdem gemacht. Jeder Autofahrer weiß, dass es ein Spiel mit dem Tod ist, an einer unübersichtlichen Stelle zu überholen, aber es kommt trotzdem vor. Oder an Stellen, wo eine Eisenbahnlinie eine Straße kreuzt, dürfte es eigentlich nie zu einem Unfall kommen, wenn es an der Kreuzung eine Schranke und rote Warnlichter gibt. Aber in einem Land wurde festgestellt, dass 43% aller tödlichen Unfälle mit Eisenbahnen genau da passieren, wo es Warnlichter und Schranken gibt, wo Autofahrer versuchen, vor einem herankommenden Zug eine Eisenbahnlinie zu überqueren, indem sie das Risiko auf sich nehmen, schneller als die Schrankenschließung fahren zu wollen, oder indem sie versuchen, um die Schranken herum zu kurven.

Solche Situationen, wo Menschen für einige Sekunden oder einige Minuten ihr Leben aufs Spiel setzen, offenbaren etwas. Sie offenbaren eine Selbstüberschätzung und sie offenbaren eine Verachtung des Lebens. Es gibt Menschen, die nicht wahrgenommen haben, wie unermesslich kostbar es ist, leben zu dürfen. Es gibt Menschen, die nicht glauben, dass das Leben ein unverdientes Geschenk ist, dass es eine Gnade Gottes ist, Leben zu dürfen, sondern meinen, dass sie das Recht haben, ihr Leben und das Leben anderer leichtfertig aufs Spiel zu setzen.

Wir haben vorhin den Text aus dem 1. Buch Mose gehört. Dieser Text entstand in der Zeit von David und Salomo. Es war eine Zeit des Größenwahns, denn das Land Israel war zu diesem Zeitpunkt, militärisch gesehen, mächtiger als jemals zuvor. Es war eine Zeit der Dekadenz, denn Salomo hatte 300 Frauen und 700 Nebenfrauen. Es war eine Zeit der Ausbeutung, denn zu dieser Zeit wurden Sklaven eingesetzt, um den Tempel in Jerusalem zu bauen.

Der Text von der Erschaffung der Menschen sollte in dieser Situation etwas bezeugen. Es geht hier nicht darum, zu erklären, wie der Mensch entstanden ist, sondern es geht darum, zu bezeugen, dass das Leben ein Geschenk Gottes ist. In der Lutherübersetzung heißt es an einer Stelle:

Da machte Gott der HERR den Menschen aus Erde vom Acker.

Aber wortwörtlich heißt es:

Und der Herr Gott formte den Menschen, der Staub ist, aus der Erde.

Hier wird betont, dass der Mensch kein eigenständiges Leben hat, sondern dass es ein Geschenk Gottes ist, dass er leben darf. Denn ohne Gott ist der Mensch bloß Staub und Asche, und diese Erkenntnis sollte ihn bescheiden, dankbar und behutsam machen.

Später in dem ersten Buch Mose gibt es ein Gebet Abrahams, bei dem er sagt:

Ach siehe, ich habe mich unterwunden, zu reden mit dem Herrn, wiewohl ich Erde und Asche bin.

Hier sehen wir die Ehrfurcht, die in jedem von uns vorkommen sollte. Weil wir Staub und Erde sind, ist es keine Selbstverständlichkeit, mit Gott reden zu dürfen, so wie es keine Selbstverständlichkeit ist, leben zu dürfen. Martin Luther hat diesen Gedanken noch drastischer ausgedrückt, als er sich selbst einen „armen, stinkenden Madensack“ nannte. Luther hat so geredet, weil er die Gnade Gottes entdeckt hatte und voller Ehrfurcht war, dass wir als vergängliche Menschen für Unvergänglichkeit vorgesehen sind. Indem er sich selbst als einen armen, stinkenden Madensack bezeichnete, - ein Hinweis auf die Vergänglichkeit des Menschen - wollte er offenbar verhindern, dass er jemals vergisst, dass er total auf die Gnade Gottes angewiesen ist. Denn leben zu dürfen ist eine unverdiente Gnade.

Wer das nicht glaubt, sollte folgendes Gedankenspiel machen. Es gibt in jedem Leben Momente, die peinlich, schmerzhaft, aufwühlend und unerträglich sind. Manchmal ist das Leben unzumutbar. Nehmen wir an, Sie hätten die Möglichkeit, alles aus dem Gedächtnis zu löschen, was in Ihrem Leben unerträglich war. Nehmen wir mal an, Sie könnten eine Tablette einnehmen und danach würden Sie sich nicht mehr an das erinnern, was unangenehm war. Würden Sie diese Tablette nehmen? Ich würde eine solche Tablette nicht nehmen wollen. Und warum nicht? Weil das Leben in allen seinen Dimensionen etwas unermesslich Kostbares ist, und auch das, was unzumutbar und aufwühlend ist, trägt zuletzt zu der Reichhaltigkeit und Tiefgründigkeit des Lebens bei. Denn das Leben in seiner Gesamtheit ist eine Gnade Gottes.

Und weil das Leben eine Gnade Gottes ist, gibt es Folgen.

'Charles Spurgeon', 2008, American Eagle

Zum Beispiel: Es gibt Menschen, die sich selbst aufgegeben haben. Sie achten nicht auf ihre Gesundheit, sie lassen sich hängen, sie haben es aufgegeben, etwas Sinnvolles aus ihrem Leben zu machen, sondern sie leben so, als ob es Ihnen egal ist, ob sie leben oder sterben. Aber ein solches Verhalten leugnet die biblische Botschaft, dass das Leben ein Geschenk Gottes ist, das uns anvertraut ist, aber das uns nicht gehört. Wir Christen können bezeugen, dass wir das Leben als Geschenk Gottes verstehen, indem wir lebensbejahend bleiben, uns nicht hängen lassen und leichtsinnige Risiken vermeiden.

Oder es gibt Menschen, die sich wundern, dass das Leben nicht immer glatt abläuft. Es gibt schlimme Krankheiten, es gibt Depressionen, es gibt unzumutbare Belastungen und es gibt Verlust, denn das Leben ist vergänglich. Es gibt Momente, wenn Gott scheinbar völlig weg ist. Zum Beispiel: einer der größten Prediger aller Zeiten war der Engländer Charles Spurgeon. Aber er hatte manchmal Depressionen, die so schlimm waren, dass auch Gebet keine Hilfe war. Er war manchmal hilflos verzweifelt und völlig am Boden zerstört, obwohl er ein tief gläubiger Mensch war. Wenn solche Dinge eintreten, gibt es eine typische Reaktion, die lautet: Wie kann so etwas passieren? Wie kann Gott so etwas zulassen? Wer so redet, hat vergessen, dass wir Staub und Asche sind. Dass alles glatt abläuft, ist deshalb nicht das normal zu erwartende. Wenn das Leben gut geht, dann ist das eine unverdiente Gnade, für die wir uns bei Gott zu selten bedanken.

Und es gibt Menschen, die andere Menschen versklaven oder als Objekte behandeln. Am Donnerstag z.B. gab es einen Gemeindeausflug nach Eisenach. Und unmittelbar vor dem Mittagessen lief ein Teil der Gruppe über eine Straße von dem Busparkplatz zur Gaststätte. Ein junger Autofahrer – er sah aus wie ein „Skinhead“ - musste deshalb einen Moment warten. Zwischendrin verlor er die Geduld und motze die Gruppe an, so dass man merkte, er war nicht nur ungeduldig, sondern es war Verachtung in seiner Stimme zu hören. In dem Moment hatte er offenbar vergessen, oder nie gelernt, dass es sich um Menschen handelt, die eine Würde haben, die von Gott abgeleitet ist. Für einen Moment hat er nicht Menschen gesehen, sondern Objekte, die ihm im Wege stehen. Und das Ergebnis war eine menschenverachtende Sprache.

Wer Menschen verachtet oder Menschen nur als lästige Objekte ansieht, dem wird nicht gefallen, was die Bibel zu sagen hat. Der Text aus dem 1. Buch Mose, der für heute vorgesehen ist, ist, wie gesagt, zu einer Zeit entstanden, als Menschen versklavt wurden, d.h. als Objekte behandelt wurden. Und es gab in der antiken Welt eine theologische Rechtfertigung für solches Verhalten. Denn in manchen Schöpfungsmythen wurden Götter vorgeführt, die die Menschen erschaffen hatten, um sie dann als ihre Sklaven einzusetzten. Wenn also die Götter Menschen angeblich versklaven, dann darf auch der Mensch so etwas tun. Aber der Gott der Bibel ist anders. Er schafft den Menschen und setzt ihn in einen Garten, damit er sinnvoll leben und arbeiten kann. Aber der Mensch wird nicht von Gott versklavt, sondern er wird als Mitarbeiter Gottes eingesetzt, der die Aufgabe bekommt, die Schöpfung zu pflegen. Aber er wird zu nichts gezwungen. Der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen ist ein Symbol für die Freiheit des Menschen, jeden Tag zu entscheiden, ob er sich Gott anvertrauen oder sich von Gott unabhängig machen will. Der Mensch hat also die Würde der Entscheidungsfreiheit, für Gott oder gegen Gott zu arbeiten. Und wenn Gott den Menschen nicht zu einem Objekt seines Willens abwertet, dann darf auch der Mensch so etwas nicht tun.

Möge Gott uns also helfen, dass wir dankbar, bescheiden und behutsam bleiben, denn wir sind Staub und Asche, aber durch die Gnade Gottes dürfen wir leben und sind für ewige Herrlichkeit vorgesehen. Deswegen wird alles, was im Leben vorkommt, zuletzt dem Leben dienen. Amen.

Die Photographie 'A Tyne & Wear Metrotrain crosses a level crossing at Kingston Park', 2001, SPSmiler wurde von ihrem Urheber zur uneingeschränkten Nutzung freigegeben. Diese Datei ist damit gemeinfrei („public domain“). Dies gilt weltweit.
Die Abbildung 'Charles Spurgeon', 2008, American Eagle, ist gemeinfrei in den Vereinigten Staaten. Dies gilt für US-amerikanische Werke, deren Urheberrecht erloschen ist, üblicherweise, weil ihre Erstveröffentlichung vor dem 1. Januar 1923 liegt.
Wir danken Frau Friedgard Habdank sehr herzlich, dass sie uns die Bilder ihres Mannes auf so großzügige und kostenlose Weise zur Verfügung gestellt hat. © Galerie Habdank, www.habdank-walter.de

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