Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Röm. 8, 12 – 17 Heilsgewissheit

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'Bautismo por ablución', 2005, Silvestre

14. Sonntag nach Trinitatis

Heilsgewissheit Röm. 8, 12 – 17

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2004

So sind wir nun, liebe Brüder, nicht dem Fleisch schuldig, dass wir nach dem Fleisch leben. Denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben müssen; wenn ihr aber durch den Geist die Taten des Fleisches tötet, so werdet ihr leben. Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet; sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater! Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind. Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, wenn wir denn mit ihm leiden, damit wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden. Röm. 8, 12 – 17

Am Anfang des 20. Jahrhunderts lebte in einer kleinen Stadt in dem amerikanischen Bundessaat Tennessee ein Junge mit dem Namen Benjamin Hooper, der ein uneheliches Kind war. Er wusste nicht, wer sein Vater war. Damals war es eine große Schande, in einer Kleinstadt ein uneheliches Kind zu sein. Dieser Junge hatte keine Verbindung zur Kirche, aber als ein neuer Pfarrer in die Gemeinde kam, ging er aus Neugier hin, um zu hören, wie er predigt. Er war von der Predigt angetan und kam einigermaßen regelmäßig zum Gottesdienst. Allerdings kam er immer spät und ging frühzeitig weg, denn er wollte nicht angesprochen werden; er wollte nicht die Frage beantworten müssen, wer seine Eltern sind, denn er schämte sich zutiefst, dass er seinen Vater nicht kannte. Aber eines Tages war er von dem Gottesdienst so tief angesprochen worden, dass er vergaß, frühzeitig wegzugehen. Die Menschen standen schon in den Gängen, als er merkte, dass der Gottesdienst zu Ende war. Er versuchte, so schnell wie möglich hinauszukommen. Aber als er dabei war, sich durch die Menschen hindurchzuschleichen, hat ihn jemand an der Schulter gepackt. Er drehte sich um und sah den Prediger, der ein großer Mann war. Der Pfarrer fragte ihn: „Wer bist du? Wer ist dein Vater?“ Jetzt war die Situation eingetreten, die der Junge um jeden Preis vermeiden wollte. Er dachte, er würde sterben. Aber ehe er ein Wort sagen könnte, sagte der Prediger: „Ich weiß, wer du bist. Ich kenne deine Familie. Es gibt eine eindeutige Familienähnlichkeit. Denn du bist ein Sohn Gottes.“ Dieser Moment war ein Wendepunkt in seinem Leben. Er wurde übrigens später der Gouverneur seines Bundesstaates.

Dieser Junge erlebte in der Kirche die Botschaft, die unser Römerbrieftext für heute verkündet. Wir haben vorhin die folgenden Worte aus dem Römerbrief gehört: Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind. Der Geist Gottes arbeitet aber nicht in einem luftleeren Raum, sondern bedient sich konkreter Anhaltspunkte. Bei diesem Jungen war es ein Prediger mit seiner Hand auf seiner Schulter, der ihm vermittelt hatte, dass er ein Kind Gottes ist.

Der Text aus dem Römerbrief wird aber noch verständlicher, wenn man weiß, wie eine Adoption in Rom aussah. Wenn ein Junge als Sohn adoptiert wurde, verlor er alle Rechte innerhalb der alten Familie, aber erwarb alle Rechte eines legitimen Sohnes in der neuen Familie. Der Betreffende erhielt dadurch buchstäblich und gesetzlich absolut bindend einen neuen Vater. Daraus folgte, dass er Erbe des Besitzes seines Adoptivvaters wurde, selbst wenn diesem später noch leibliche Söhne geboren wurden. Außerdem: Vor dem Gesetz galt das Leben, das der Adoptierte vor seiner Adoption geführt hatte, als vollständig ausgelöscht. So wurden zum Beispiel seine Schulden storniert, als ob es sie nie gegeben hätte. Der Adoptierte galt vor dem Gesetz als ein neuer Mensch, dessen neues Leben mit der Vergangenheit nichts mehr zu tun hatte.

Und die Zeremonie der Adoption fand im Beisein von sieben Zeugen statt. Wenn der Adoptivvater starb und Streit darüber entstand, ob der Adoptivsohn Miterbe sei, traten einer oder mehrere der sieben Zeugen vor. Paulus sieht in dem Heiligen Geist einen Zeugen – vergleichbar mit den sieben Zeugen einer Adoption -, der eindeutig bezeugt, dass ein Mensch zu Gott gehört, wie ein Sohn oder eine Tochter zu einem Vater. Es geht hier also um Heilsgewissheit, die Gewissheit, dass wir zu Gott in Ewigkeit gehören, egal was eintreten mag und egal ob es uns gelingt, moralisch einwandfrei zu sein oder nicht.

Zum Beispiel: Im Jahre 1920 in China bekannte sich ein 17-jähriger Junge mit dem Namen Nee Shu-tsu zum christlichen Glauben. Fast sofort fing er an, theologisch und seelsorglich zu arbeiten. 30 Jahre lang war er ein auffälliger Zeuge des christlichen Glaubens in einem Land, das Christen gegenüber oft misstrauisch und feindlich gesinnt war. 1952 wurde er von dem kommunistischen Regime verhaftet und blieb ein Gefangener bis zu seinem Tod im Jahre 1972; ein Zeichen, wie eindeutig sein christlicher Glaube ausgeprägt war. Einmal wurde dieser Nee Shu-tsu von einem Landsmann besucht, der in einer Glaubenskrise steckte. Er sagte: „Egal wie oft ich bete, egal wie sehr ich mich anstrenge, gelingt es mir nicht, Gott treu zu bleiben. Ich habe den Eindruck, dass ich dabei bin, mein Heil zu verlieren.“ Nee Shu-tsu erwiderte: „Schauen Sie diesen Hund an. Das ist mein Hund. Er ist haustrainiert. Er macht nie etwas dreckig. Er ist gehorsam. Er ist für mich eine reine Freude. Und in der Küche ist mein Sohn, ein Säugling. Er macht alles durcheinander, er schmeißt sein Essen in die Gegend, er macht seine Kleider nass und dreckig, er ist total chaotisch. Aber wer wird mein Erbe sein? Nicht mein Hund, sondern mein Sohn. Und du bist ein Erbe Jesu Christi – nicht weil du ordentlich bist – sondern weil er für dich gestorben ist und dich angenommen hat.“ Hier sehen wir noch einmal die Art Gewissheit, die der christliche Glaube zu bieten hat. Unsere ewige Geborgenheit hängt nicht von unserem Verhalten ab, sondern von einer Gnade, die von außerhalb der eigenen Person kommt. Und diese Gewissheit hängt auch von konkreten Anhaltspunkten ab.

'Abschnitt aus einer Darstellung des Tauf- und Misssionsbefehls

Wie vorhin erwähnt: der Junge, der nach einem Gottesdienst hörte, dass er ein Sohn Gottes wäre, bekam eine Heilssicherheit, weil die Worte, die er hörte, mit einer körperlichen Berührung begleitet wurden – mit der Hand auf seiner Schulter. Und diese Zusammenstellung von Wort und Zeichen ist typisch für den christlichen Glauben. Der Heilige Geist bedient sich Zeichen – und ganz besonders der Zeichen, die mit Taufe und Abendmahl zusammenhängen, um uns erleben zu lassen, dass wir Gottes Kinder und Gottes Erben sind – wie es in dem Römerbrieftext heißt.

Martin Luther ist ein Kronzeuge dieser Wahrheit. Wenn er in Anfechtung geriet und unsicher wurde, ob er vor Gott bestehen könnte, eilte er zu seinem Arbeitszimmer und schrieb mit Kreide zwei Worte auf seinen Schreibtisch: „Baptizatus sum“ - Ich bin getauft. Die Gewissheit, dass wir in Gott in Ewigkeit geborgen sind, wird durch objektive Anhaltspunkte vermittelt. Die Taufe ist eine Tatsache, die nicht zu leugnen ist. Und der Geist Gottes kommt in dieser Handlung vor durch die Handauflegung, die zu jeder Taufhandlung gehört. Die Handauflegung bei der Taufe bezeugt, dass die abgrundtiefe Kluft zwischen Gott und Mensch in diesem Moment überbrückt wird – durch die Übertragung des Heiligen Geistes.

Ein anderer konkreter Anhaltspunkt des Heiligen Geistes ist die Abendmahlsfeier. Durch Brot essen und Wein trinken können wir mit unseren Händen, Augen, Ohren und Zungen wahrnehmen, dass wir zu Gott gehören. Auch der Friedensgruß, der diese Handlung abschließt, bei dem wir einander die Hand geben, während wir in einem großen Kreis stehen, ist nicht zu unterschätzen. Alle Worte und Zeichen, die beim Abendmahl vorkommen dienen dem heiligen Geist als Instrumente, mit denen er die Worte aus dem Römerbrief verwirklicht:

Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind.

'Abschnitt aus einer Darstellung des Tauf- und Misssionsbefehls

Diese Gewissheit ist etwas, was wir brauchen, um wirkungsvoll für Gott zu leben. Denn Ungewissheit über das eigene Schicksal in Ewigkeit ist wie ein Gift, das lähmend und verkrampfend wirkt. Heilsgewissheit ist kein Luxus, sondern etwas, was wir brauchen. Der Gründer der methodistischen Kirche, John Wesley, war schon jahrelang im Pfarrdienst gewesen, als jemand ihn fragte: „Sind Sie sicher, Herr Wesley, dass Sie erlöst sind?“ Wesley erwiderte: „Also, Christus ist für die ganze Welt gestorben.“ Der Fragesteller hakte nach: „Ja schon, das glauben wir alle, aber sind Sie sicher, dass Sie in Gott geborgen sind?“ Wesley erwiderte, dass er sicher war, dass Gott für ihn sorgen würde. Der Fragesteller ließ aber nicht locker: „Aber sind Sie wirklich sicher, Wesley, dass Sie gerettet sind?“ Auf einmal merkte John Wesley, dass er in seinem Herzen eine tiefe Unsicherheit hatte, die er bisher verdrängt hatte, und nach diesem Tag kam er nicht mehr zur Ruhe, bis diese Frage geklärt war.

Mit Ungewissheit über das eigene ewige Schicksal kann kein Mensch leben. Entweder muss er diese Frage verdrängen, oder er muss eine Antwort von Gott bekommen. Wer versucht, diese Frage zu verdrängen wird spätestens am Sterbebett merken, dass etwas Wesentliches ungeklärt geblieben ist. Aber wir brauchen nicht mit Ungewissheit zu leben. Wir haben die Bibel, wir haben die Sakramente und wir haben den heiligen Geist, der uns bezeugen will, dass wir Gottes Kinder sind.

Möge Gott uns helfen, die Heilsgewissheit zu finden, die wir brauchen, um liebevoll, besonnen und zuversichtlich zu leben.

Die Photographie 'Bautismo por ablución', 2005, Silvestre, wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren. Die Malerei 'Harrowing of Hell and Resurrection', 2004, Gunnar Bach Pedersen, wurde von ihrem Urheber zur uneingeschränkten Nutzung freigegeben. Diese Datei ist damit gemeinfrei („public domain“). Dies gilt weltweit.

Der Abschnitt eines Glasfensters aus einer Darstellung des Tauf- und Misssionsbefehls gehört zu dem „beweglichen Kunstgut in gesamtkirchlichen Gebäuden der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau“
Abschnitt aus einer Darstellung des Tauf- und Misssionsbefehls
Entwurf: Helmuth Uhrig 1969/79
Hergestellt von Hans Bernhard, Ravensburg
Standort: Martin-Niemöller-Haus, Schmitten, Kappellengang
Herzlichen Dank an die Verwaltung des Martin-Niemöller-Hauses für die Erlaubnis, diese Glasfensterbilder auf unserer Website zu zeigen.

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