Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
Zurück zum Archiv Home der Dreikönigsgemeinde

Evangelisch-Lutherische

DREIKÖNIGSGEMEINDE

Frankfurt am Main - Sachsenhausen

Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Markus 2, 1 – 12 Hat Jesus wirklich geheilt?

« Predigten Home

Predigt zum Bittgottesdienst um Heilung: Markus 2, 1 – 12 Hat Jesus wirklich geheilt?

Gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2008:

'Heilung des Gichtbrüchigen', 1978 - Walter Habdank. © Galerie Habdank

'Heilung des Gichtbrüchigen', 1978
Walter Habdank. © Galerie Habdank

Und nach einigen Tagen ging er wieder nach Kapernaum; und es wurde bekannt, dass er im Hause war. Und es versammelten sich viele, sodass sie nicht Raum hatten, auch nicht draußen vor der Tür; und er sagte ihnen das Wort. Und es kamen einige zu ihm, die brachten einen Gelähmten, von vieren getragen. Und da sie ihn nicht zu ihm bringen konnten wegen der Menge, deckten sie das Dach auf, wo er war, machten ein Loch und ließen das Bett herunter, auf dem der Gelähmte lag. Als nun Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben. Es saßen da aber einige Schriftgelehrte und dachten in ihren Herzen: Wie redet der so? Er lästert Gott! Wer kann Sünden vergeben als Gott allein? Und Jesus erkannte sogleich in seinem Geist, dass sie so bei sich selbst dachten, und sprach zu ihnen: Was denkt ihr solches in euren Herzen? Was ist leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder zu sagen: Steh auf, nimm dein Bett und geh umher? Damit ihr aber wisst, dass der Menschensohn Vollmacht hat, Sünden zu vergeben auf Erden – sprach er zu dem Gelähmten: Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett und geh heim! Und er stand auf, nahm sein Bett und ging alsbald hinaus vor aller Augen, sodass sie sich alle entsetzten und Gott priesen und sprachen: Wir haben so etwas noch nie gesehen.

Hat dieses Heilungswunder wirklich stattgefunden? Hat Jesus wirklich zu einem Gelähmten gesagt: „Steh auf, nimm dein Bett und geh umher“ und ist dieser Gelähmte tatsächlich aufgestanden? Hat er wirklich seine Matte aufgehoben und ist er vor den Augen von Zeugen umhergegangen, die hinterher sagten: „Wir haben so etwas noch nie gesehen“?

Ich möchte an dieser Stelle eine kühne Behauptung machen: Wenn dieses Wunder nicht eingetreten ist, dann kann Jesus keine Sünden vergeben. Denn Jesus sieht eine organische Verbindung zwischen Sündenvergebung und Heilung. Sündenvergebung und Heilung sind eine Einheit, so wie Körper und Seele oder Fleisch und Blut Einheiten sind.

Jesus hat sich selbst auf den Prüfstand gestellt, als er fragte: „Was ist leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder zu sagen: Steh auf, nimm dein Bett und geh umher?“ Es ist scheinbar leichter, eine Sündenvergebung auszusprechen, denn so etwas ist zunächst nicht nachprüfbar. Aber wenn jemand zu einem Gelähmten sagt: „Steh auf, nimm dein Bett und geh umher“, dann wird jeder sehen können, ob göttliche Vollmacht hinter diesem Heilungswort steckt oder nicht. Wenn der Gelähmte liegen geblieben wäre, dann war die Sündenvergebung inhaltslos. Und wenn der Gelähmte liegen geblieben wäre, weil er nicht aufstehen wollte oder weil er Jesus nicht glaubte, wäre die Vergebung auch inhaltslos geblieben.

Denn Sündenvergebung ist nicht nur ein seelischer Vorgang. Sündenvergebung ist nicht bloß ein Defizitausgleich auf einem himmlischen Schuldkonto. Es wäre deshalb auch eine völlig falsche Schlussfolgerung, zu behaupten, dass die Lähmung des Mannes eine Strafe für seine Sünden war. Sünde ist keine Rechnung, die man durch Strafe abarbeiten kann. Jesus lehnte es eindeutig ab, einen direkten Zusammenhang zwischen Schuld und Schicksal feststellen zu wollen. Dass der Mann gelähmt war, war nicht seine Schuld.

Sünde ist eine Entfremdung von Gott, die uns Menschen überwältigt, aber an der wir auch durch eigene Entscheidungen beteiligt sind. Sünde ist kein Schuldkontoproblem, sondern ein Beziehungsproblem. Und Sündenvergebung ist dementsprechend die Wiederherstellung der gebrochenen Gemeinschaft mit Gott. Nur Gott kann diese Gebrochenheit heilen, deshalb heißt es, dass nur Gott die Sünde vergeben kann.

Es gab einen Zauberkünstler mit dem Namen Harry Houdini. Ich habe einmal einen Dokumentarfilm gesehen: Dieser Ausbruchkünstler wurde mit Ketten gefesselt, dann wurde er in einen großen Koffer gesteckt. Der Koffer wurde zugeschlossen und mit Seilen zugebunden. Dann wurde der Koffer in einen Fluss geworfen und sank in die Tiefe. Dieser Vorgang kann für uns als Gleichnis dienen, denn er veranschaulicht, wie aussichtslos die Gefangenschaft der Sünde ist. Es ist, als ob man in Ketten gebunden ist, als ob man in einem engen Gefängnis in einer finsteren Tiefe steckt. Es gibt keine Aussicht, aus eigener Kraft aus diesem Gefängnis herauszukommen. Wir Menschen sind auf einen Erlöser angewiesen, der eine absolute Macht hat über alles.

Und Erlösung von der Sünde bedeutet, dass nicht nur die Seele eines Menschen für Gemeinschaft mit Gott vorgesehen ist, sondern der ganze Mensch. Wenn die Gemeinschaft mit Gott vollständig wiederhergestellt ist, dann haben Dinge wie Krankheit, Blindheit, Lähmung, Behinderung nichts mehr zu suchen. Wenn Jesus wirklich die komplette göttliche Vollmacht hat, Sünden zu vergeben, dann müsste er auch in der Lage sein, den Gelähmten zu heilen.

Es wäre auch eine falsche Deutung dieses Wunders, wenn man behaupten würde, dass es sich hier um einen psychosomatischen Vorgang handelt: als ob diese Lähmung nur das Ergebnis einer seelischen Störung war, die Jesus mit seiner Ausstrahlungskraft überwältigen konnte.

Was gegen diesen psychologischen Erklärungsversuch spricht, ist die Reaktion der Zeugen, von denen es heißt: Sie entsetzten sich alle und priesen Gott und sprachen: Wir haben so etwas noch nie gesehen. Diese Sprache „sie entsetzten sich und priesen Gott“ deutet auf ein Wunder, das größer ist als psychosomatische Vorgänge. Aber waren diese Zeugen vielleicht einfältig und leichtgläubig? Haben sie sich etwas eingebildet?

Wenn es nur dieses eine Wunder gegeben hätte, dann könnte man berechtigte Zweifel haben. Aber Jesus hat 34 Wunder vollbracht. Dazu gehörte die Heilung eines Mannes, der 38 Jahre lang gelähmt war. Wenn ein Mann geheilt wird, der 38 Jahre gelegen hat, denn ist etwas absolut Einmaliges eingetreten, das medizinisch nicht zu erklären ist. Jesus heilte auch einen Blindgeborenen, der hinterher feststellte: „Von Anbeginn der Welt an hat man nicht gehört, dass jemand einem Blindgeborenen die Augen aufgetan habe.“ Jesus hat drei Personen von den Toten auferweckt; einer davon, Lazarus, nachdem er vier Tage im Grab war. Die Feinde Jesu – die Hohenpriester und Sadduzäer - beschlossen, Jesus und Lazarus zu töten, nachdem sie von dieser Totenauferweckung hörten.

Eigenartigerweise kamen die Gegner Jesu nie auf die Idee, die Wunder Jesu in Frage zu stellen. Denn es gab für diese 34 Wunder zu viele Zeugen. Dass Lazarus getötet werden sollte, zeigt, dass es nicht möglich war, die Berichte von seiner Auferweckung zu disqualifizieren, sondern die einzige Möglichkeit für die Feinde Jesu bestand darin, sein Wunder durch rohe Gewalt rückgängig zu machen.

Und hier wird etwas deutlich, was heutzutage nicht allgemein bekannt ist: eine der stärksten Waffen der Christenheit am Anfang ihrer Geschichte waren Zeugenaussagen. Und bis in das 2. Jahrhundert hinein hatten Menschen noch gelebt, die Jesu Wunder gesehen und sogar am eigenen Leibe erfahren hatten. Diese Begebenheit ist von einem Mann namens Quadratus aus dem Jahre 125 schriftlich bezeugt. In einem Brief an den Kaiser schrieb er: „Die Taten unseres Heilands sind immer noch gegenwärtig, denn sie sind wahr. Diejenigen, die geheilt worden sind, diejenigen, die von den Toten auferweckt wurden, waren beständig unter uns. Nicht nur zur Lebzeit des Heilands, sondern auch nachdem er weggegangen war, denn sie lebten für eine längere Zeit, einige sogar bis zu dem heutigen Tag“ d. h. bis in das 2. Jahrhundert hinein.

Es geht jetzt nicht darum, die Wunder Jesu beweisen zu wollen. Die Wunder Jesu lassen sich nicht beweisen. Sondern es geht darum, dass wir unseren eigenen christlichen Glauben richtig verstehen. Unser Glaube hängt untrennbar von Augenzeugenberichten ab. Man muss diesen Augenzeugen nicht glauben, wenn man nicht will, aber man muss akzeptieren, dass sie die erste Anlaufstelle sind. Und diese Augenzeugen haben als Zeugnis hinterlassen – wie es in unserm Markustext heißt: „Wir haben so etwas noch nie gesehen“. Die Heilung des Gelähmten ist genau so gemeint, wie geschrieben steht: als ein Wunder, das nach menschlichem Ermessen absolut unmöglich ist. Diese Heilung konnte Jesus nur deswegen vollbringen, weil er die Erscheinung Gottes ist, denn nur für Gott ist alles möglich, nur Gott kann Sünden vergeben und abgestorbene Körperteile zum Leben erwecken.

Wenn wir heute in diesem Gottesdienst um Heilung bitten – für andere und für uns selbst – sollten wir wissen, dass unsere Gebete heute nicht vergeblich sind. Alle Menschen sind für Heilung vorgesehen, denn alle Menschen sind für eine ewige Gemeinschaft mit Gott bestimmt. Unsere Gebete um Heilung wird Gott erhören und erfüllen. Was wir allerdings nicht in der Hand haben, ist, wie und wann Gott auf unsere Gebete antworten wird. Es hängt allein von der Gnade Gottes ab, wann er einen Menschen heilt, ob während oder nach dem irdischen Leben.

Aber wir sollten nicht daran zweifeln, dass für Gott alles möglich ist. Die Augenzeugen der Wunder Jesu haben berichtet, dass diese Wunder weder Legenden sind, noch lassen sie sich als psychosomatische Vorgänge erklären.

Und was die Augenzeugen damals festgestellt haben, hat Vorschaucharakter. Denn zuletzt, wenn wir Gott in seiner Herrlichkeit sehen und mit eigenen Augen sehen, wie er alle Wunden und Gebrechen heilt, dann werden wir genau so reagieren, wie die Zeugen damals, von dem es heißt: „Sie entsetzten sich alle und priesen Gott und sprachen: Wir haben so etwas noch nie gesehen.“

Das Ziel aller Heilungen ist nicht die Heilung an sich, sondern dass Gott gepriesen und verherrlicht wird, heute und in Ewigkeit.

Wir danken Frau Friedgard Habdank sehr herzlich, dass sie uns die Bilder ihres Mannes auf so großzügige und kostenlose Weise zur Verfügung gestellt hat. © Galerie Habdank, www.habdank-walter.de

PSch

^ Zum Seitenanfang