Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Matt 25,14 – 30 Es kommt auf Kleinigkeiten an

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Woodcut from Historiae celebriores Veteris Testamenti Iconibus representatae. 1712.

9. Sonntag nach Trinitatis

Es kommt auf Kleinigkeiten an Matt 25,14 – 30

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2009

Denn es ist wie mit einem Menschen, der außer Landes ging: er rief seine Knechte und vertraute ihnen sein Vermögen an; dem einen gab er fünf Zentner Silber, dem andern zwei, dem dritten einen, jedem nach seiner Tüchtigkeit, und zog fort. Sogleich ging der hin, der fünf Zentner empfangen hatte, und handelte mit ihnen und gewann weitere fünf dazu. Ebenso gewann der, der zwei Zentner empfangen hatte, zwei weitere dazu. Der aber einen empfangen hatte, ging hin, grub ein Loch in die Erde und verbarg das Geld seines Herrn. Nach langer Zeit kam der Herr dieser Knechte und forderte Rechenschaft von ihnen. Da trat herzu, der fünf Zentner empfangen hatte, und legte weitere fünf Zentner dazu und sprach: Herr, du hast mir fünf Zentner anvertraut; siehe da, ich habe damit weitere fünf Zentner gewonnen. Da sprach sein Herr zu ihm: Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude! Da trat auch herzu, der zwei Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, du hast mir zwei Zentner anvertraut; siehe da, ich habe damit zwei weitere gewonnen. Sein Herr sprach zu ihm: Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude! Da trat auch herzu, der einen Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, ich wusste, dass du ein harter Mann bist: du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst ein, wo du nicht ausgestreut hast; und ich fürchtete mich, ging hin und verbarg deinen Zentner in der Erde. Siehe, da hast du das Deine. Sein Herr aber antwortete und sprach zu ihm: Du böser und fauler Knecht! Wusstest du, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und einsammle, wo ich nicht ausgestreut habe? Dann hättest du mein Geld zu den Wechslern bringen sollen, und wenn ich gekommen wäre, hätte ich das Meine wiederbekommen mit Zinsen. Darum nehmt ihm den Zentner ab und gebt ihn dem, der zehn Zentner hat. Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden. Und den unnützen Knecht werft in die Finsternis hinaus; da wird sein Heulen und Zähneklappern. Matt 25,14 – 30

Im 19. Jahrhundert gab es einen Baptistenpfarrer in London mit dem Namen Charles Spurgeon. Als Prediger hatte er eine solche Ausstrahlungskraft, dass seine Kirche zu klein wurde: eine neue Kirche mit 5000 Sitzplätzen wurde extra für ihn gebaut, um die Zuhörer aufzunehmen, die ihn hören wollten. Seine Predigten wurden weltweit verbreitet und in verschiedenen Sprachen übersetzt. Er war ein vielbeschäftigter Mann: er baute ein Waisenhaus und bildete Pastoren aus.

'Charles Spurgeon', American Eagle
		, 2008

Es gab allerdings eine winzige Sache, für die er kritisiert wurde. Er und seine Frau hatten einen Hühnerstall, und seine Hühner waren produktiv. Charles Spurgeon und seine Frau haben die Eier verkauft, aber sie weigerten sich, die Eier zu verschenken. Selbst bei Familienangehörigen hieß es: „Du darfst sie haben, wenn du bereit bist, dafür zu zahlen.“ Wie das so ist in einer Kirchengemeinde, sprach sich das schnell herum, und es wurde den Spurgeons nachgesagt, dass sie gierig und geizig wären. Aber sie haben auf diese Lästerungen nie reagiert.

Nachdem Frau Spurgeon gestorben war, kam die Wahrheit heraus. Das Geld, das von dem Eierverkauf eingenommen wurde, wurde verwendet, um zwei ältere Witwen zu unterstützen. Die Spurgeons hatten niemandem von dieser Wohltätigkeit erzählt. Denn sie dachten an die Stelle in der Bergpredigt, wo Jesus gebietet, Almosen heimlich zu geben.

Aber das Bemerkenswerte an dieser Angelegenheit ist, dass Spurgeon und seine Frau, die sonst so übermäßig beschäftigt waren, überhaupt auf die Idee kamen, Eier zu verkaufen, um Witwen zu unterstützen. Denn es wäre so leicht gewesen, diese Möglichkeit der Wohltätigkeit zu übersehen.

Aber das ist eine Eigenart von Menschen, die eine enge Beziehung zu Gott pflegen, dass sie Augen für Kleinigkeiten haben. Sie sehen die winzigen Möglichkeiten, etwas Gutes zu tun, die andere Menschen übersehen.

Und diese Sehfähigkeit ist das eigentliche Motiv des Matthäus-Textes, der für heute vorgesehen ist. Diese Erzählung von den drei Knechten ist ein Gleichnis. Bei einem Gleichnis geht es immer darum, eine einzige Botschaft zu veranschaulichen. In diesem Gleichnis von den anvertrauen Zentnern geht es um den dritten Knecht. Er war am wenigsten begabt, deshalb bekam er am wenigsten anvertraut. Mit dieser Person soll sich der Zuhörer identifizieren.

Der dritte Knecht steckt in jedem von uns. Kaum jemand wird auf die Idee kommen, zu denken: ich bin wie der erste Knecht - ich bin tüchtig, ich bin begabt, ich kann viel leisten, Gott soll mir deshalb viel anvertrauen, denn ich werde anpacken und ein stolzes Ergebnis abliefern.

'Wheat near Auvers-sur-Oise', David Monniaux, 2007

Die meisten Menschen sehen ihre Begrenztheit und wollen Aufgaben vermeiden, die sie überfordern. Die Gefahr dabei ist, dass die kleinen Möglichkeiten, etwas Heilsames zu tun, übersehen werden. Es kann leicht vorkommen, dass jemand denkt: Ich bin ein kleiner Mensch in der Gemeinde. Auf mich kommt es nicht an. Es gibt manchmal eine innere Stimme, die sagt:

  • Ich bin nicht redegewandt, deshalb ist es egal, ob ich etwas Ermutigendes sage oder nicht. Niemand wartet auf ein gutes Wort von mir.
  • Ich bin nicht vermögend; es kommt nicht darauf an, ob ich einen Euro für etwas spende oder nicht. Auf meinen kleinen Beitrag kommt es nicht an.
  • Ich bin nicht stark im Glauben, deshalb ist es egal, ob ich für eine andere Person bete oder nicht. Auf meine Gebete kommt es nicht an.

Diese scheinbare Bescheidenheit ist die Haltung des dritten Knechts, der das Anvertraute begraben hatte.

Es gibt ein Buch mit dem Titel: „Gott ist kein Dummkopf.“ In diesem Buch gibt es eine seltsame Geschichte. Es gab einen Mann, der sagte: „Wenn ich mehr Geld hätte, würde ich es Gott geben, aber im Moment reicht das Geld gerade aus, um mich und meiner Familie zu unterstützen. Und wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich diese zusätzliche Zeit Gott widmen. Aber jede Minute ist ausgebucht: Familie, Arbeit, Freizeitbeschäftigungen füllen meine Zeit restlos aus. Und wenn ich mehr Begabungen hätte, würde ich sie für Gott einsetzen, aber ich habe keine schöne Singstimme, ich habe keine besondere Fähigkeit; mir ist es nie gelungen, ein Gruppengespräch zu leiten; ich bin nicht schlau, ich kann nicht so schnell denken, wie ich möchte:“ Und Gott war gerührt, als er das hörte. Und obwohl es sonst nicht seine Art war, gab er dem Mann mehr Geld, mehr Zeit und herrliche Begabungen. Und dann wartete er ab; und er wartete, und er wartete ... und es tat sich nichts. Also nahm er alles zurück, was er dem Mann zusätzlich geschenkt hatte. Und dann fing der Mann wieder an, zu jammern, dass er zu wenig Zeit, Geld und Begabung hatte, um etwas für Gott zu tun. Und Gott sagte: „Ach, halt deinen Mund.“ Und der Mann sagte seinen Freunden: „Ich bin nicht sicher, ob ich noch an Gott glaube.“

Die Botschaft dieser etwas rotzigen Geschichte ist klar. Sie ist wie das Gleichnis von den anvertrauten Zentnern.

Aber die Botschaft dieses Gleichnisses geht tiefer. Denn ein Gleichnis ist keine Moralgeschichte. Es geht nicht bloß darum, zu sagen: Du sollst deine Chancen nutzen! Das wissen wir auch so, ohne Gleichnisse von Jesus zu hören.

'Weizenfeld', 3268zauber, 2009

Um die eigentliche Botschaft zu sehen, muss man auf den Zusammenhang achten. In diesem 25. Kapitel des Matthäusevangeliums geht es um die Endzeit: es geht um die zweite Ankunft Jesu in Macht und Herrlichkeit als Weltherrscher und Weltrichter. Das Gleichnis von den anvertrauten Zentnern ist eingebettet in der Mitte dieses Kapitels, in dem es darum geht, eine jenseitige Realität zu enthüllen.

Die eigentliche Botschaft hier lautet: eines Tages wird Gott diese Welt vollenden und Rechenschaft von allen Menschen fordern. Es geht nicht darum, dass wir Angst vor Gott als Richter haben sollten. Wir sollten nicht Angst vor irgendeiner Verdammnis bekommen – auch wenn das Gleichnis von Finsternis, Heulen und Zähneklappern redet. Gott will niemanden durch Strafandrohung dazu treiben, das Richtige zu tun. Es geht hier um etwas Anderes: Es geht darum, dass unsere Augen an dem Tag der Rechenschaft aufgetan werden, und wir werden sehen, wie oft wir die kleinen Möglichkeiten, etwas Heilsames zu tun, übersehen hatten. Was wir am Meisten bedauern werden, ist, dass wir die kleinen Möglichkeiten, Gott und den Mitmenschen zu dienen, „begraben“ hatten.

Wir werden die liebevollen Worte hören, die im Herzen begraben geblieben sind, die nicht ausgesprochen wurden – Worte, die heilsam hätten wirken können. Wir werden die Gebete wahrnehmen, die nicht an Gott gerichtet wurden, sondern in der eigenen Seele begraben geblieben sind, weil wir die Wirkung eines Gebetes unterschätzt hatten. Wir werden die kleinen Geldspenden sehen, die in der eigenen Tasche begraben geblieben sind, weil wir meinten, dass kleine Geldspenden wie Tropfen auf einem heißen Stein sind. Wir werden die Aufgaben sehen, die nicht übernommen wurden, weil sie scheinbar zu klein waren, um bedeutsam zu sein.

Das Gleichnis von den anvertrauten Zentnern ist an uns kleine Leute gerichtet, die nur kleine Möglichkeiten haben, Gott zu dienen. Das Gleichnis will uns ermutigen, auch winzige Handlungen zu wagen. Denn Gott kann aus kleinen Dingen Großes machen. Aus kleinen Samenkörnern entsteht eine Vollendungsernte.

Möge Gott unsere Augen öffnen, dass wir einsehen, dass unsere winzigen Worte, Gebete und Handlungen zu der Vollendung beitragen werden, die für alle Menschen vorgesehen ist.

Die Photographie 'Charles Spurgeon', American Eagle, 2008, ist gemeinfrei in den Vereinigten Staaten. Dies gilt für US-amerikanische Werke, deren Urheberrecht erloschen ist, üblicherweise, weil ihre Erstveröffentlichung vor dem 1. Januar 1923 liegt.
Die Photographie 'Weizenfeld', 3268zauber, 2009, wurde unter den Bedingungen der Creative Commons "Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported"-Lizenz veröffentlicht.
Die Photographie 'Wheat near Auvers-sur-Oise', David Monniaux, 2007, wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.
Die Abbildung 'Woodcut from Historiae celebriores Veteris Testamenti Iconibus representatae', 1712, ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.

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