Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Lukas 9,10-17 Was ist die Antwort auf unersättliche Lebensgier?

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'Brot-und-Fische-Mosaik', Grauesel

7. Sonntag nach Trinitatis

Was ist die Antwort auf unersättliche Lebensgier? Lukas 9,10-17

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2001

Und die Apostel kamen zurück und erzählten Jesus, wie große Dinge sie getan hatten. Und er nahm sie zu sich, und er zog sich mit ihnen allein in die Stadt zurück, die heißt Betsaida. Als die Menge das merkte, zog sie ihm nach. Und er ließ sie zu sich und sprach zu ihnen vom Reich Gottes und machte gesund, die der Heilung bedurften. Aber der Tag fing an, sich zu neigen. Da traten die Zwölf zu ihm und sprachen: Lass das Volk gehen, damit sie hingehen in die Dörfer und Höfe ringsum und Herberge und Essen finden; denn wir sind hier in der Wüste. Er aber sprach zu ihnen: Gebt ihr ihnen zu essen. Sie sprachen: Wir haben nicht mehr als fünf Brote und zwei Fische, es sei denn, dass wir hingehen sollen und für alle diese Leute Essen kaufen. Denn es waren etwa fünftausend Mann. Er sprach aber zu seinen Jüngern: Lasst sie sich setzen in Gruppen zu je fünfzig. Und sie taten das und ließen alle sich setzen. Da nahm er die fünf Brote und zwei Fische und sah auf zum Himmel und dankte, brach sie und gab sie den Jüngern, damit sie dem Volk austeilten. Und sie aßen und wurden alle satt; und es wurde aufgesammelt, was sie an Brocken übrigließen, zwölf Körbe voll. Lukas 9,10-17

In jedem Menschen steckt ein unersättlicher Hunger. Diese Erkenntnis ist so alt wie die Bibel. In dem Prediger Salomo heißt es: Das Auge sieht sich niemals satt, und das Ohr hört sich niemals satt.

Es gibt unzählige Beispiele, wie diese Unersättlichkeit zum Vorschein kommt. Zum Beispiel gab es einen Studenten, der in finanzieller Schwierigkeit war. Er rief eine Verwaltungsstelle seiner Universität an, um herauszufinden, wie er eine finanzielle Unterstützung beantragen könnte. Die Frau, die mit ihm sprach, sagte: „Ich schicke Ihnen gern die Formulare, die Sie brauchen, um einen Antrag zu stellen ... Allerdings habe ich im Moment Schwierigkeiten, Sie zu verstehen, weil es so viele Hintergrundgeräusche gibt; telefonieren Sie von einem Bahnhof oder einem Flughafen?“ Der Student erwiderte: „Ach nein, das Hintergrundgeräusch ergibt sich dadurch, dass ich gerade mein Autotelefon benutze.“ Offenbar ist er also nicht auf die Idee gekommen, auf sein Auto oder auf sein Autotelefon zu verzichten, damit er besser zurecht kommt. Ein Beispiel dafür, wie wir Menschen dazu neigen, unersättlich zu sein.

Beispiel 2: Ein Mann bekam ein Kind, aber die Geburt seiner Tochter kam gerade während einer Basketballmeisterschaft, so dass er seinen Fernseher verlassen musste, gerade als es spannend wurde, denn er musste seine Frau zum Krankenhaus bringen. Und diese „schmerzliche“ Erfahrung brachte ihn auf eine Idee. Er hat eine Internet-Website eingerichtet für Eltern, die sportbegeistert sind und nichts versäumen möchten. Er fand heraus, dass es im Laufe eines Jahres 92 sportliche Ereignisse gibt und er hat sie in einen Jahreskalender eingetragen. Wenn man seine Internetseite aufsucht, kann man feststellen, wie der sportliche Kalender 9 Monate im Voraus aussehen wird, damit man die Geburt des Kindes am günstigsten planen kann, um keine wichtige sportliche Veranstaltung zu versäumen. Noch einmal ein Beispiel für die Unersättlichkeit, die in uns Menschen steckt.

Beispiel 3: Eine Lehrerin, die für eine 1. Klasse zuständig war, wollte ihre Kinder auf die Gefahren der Winterkälte vorbereiten. Sie erzählte von einem unartigen Jungen, der Schlitten fahren ging, ohne Handschuhe, ohne Jacke und ohne Kopfbedeckung. Er bekam Lungenentzündung, der Notarzt wurde geholt, aber leider konnte er nicht mehr gerettet werden. Ein Junge, der andächtig zugehört hatte, meldete sich und sagte, dass er zwei Fragen hätte. Die zwei Fragen lauteten: „Wo ist jetzt sein Schlitten? Und: „Könnte ich diesen Schlitten haben?“ Unersättlichkeit fängt also früh an und scheint zu unserer menschlichen Natur zu gehören.

'Buddhastatue aus Thailand', Soare, 2005

Denn wir Menschen sind so geschaffen, dass wir einen Hunger nach Leben haben, und egal wie viel wir erleben und konsumieren, es ist nie genug. Diese Erkenntnis ist uralt. Mehr als 500 Jahre vor Christus hatte Buddha in Indien erkannt, dass es in uns Menschen eine Lebensgier gibt, und Buddha hielt diese Gier für die Ursache alles Leidens. Buddha fand keine Antwort auf den Lebenshunger. Denn er fand heraus, dass dieser Hunger durch Konsum und Genuss nicht zu sättigen ist. Und es gab für Buddha unter den damals bekannten Göttern auch keine göttliche Antwort. Also versuchte er, diesen Durst durch strengste Askese auszutreiben und wäre dabei beinahe gestorben, weil er so abgemagert wurde. Zuletzt – durch Meditation und Erkenntnis – gelang es ihm, den Lebensdurst auszulöschen, was Nirvana heißt.

Aber die Bibel bietet einen anderen Weg an. Auf der einen Seite bestätigt die Bibel, dass der Lebenshunger nicht durch Konsumerlebnisse erfüllt werden kann; kein Erlebnis auf dieser Erde ist zuletzt eine Antwort auf den Lebenshunger der Menschen. Aber auf der anderen Seite muss man auch nicht diesen Lebenshunger austreiben, auslöschen oder verdrängen. Denn es gibt eine Antwort: Gott selber und Gott allein ist die Antwort auf den Lebenshunger der Menschen.

Der Text, der für heute vorgesehen ist, veranschaulicht diese Botschaft. Die Speisung der 5000 ist ein grundsätzlicher Text, denn – abgesehen von der Auferstehung Christi – ist diese Wundergeschichte die einzige, die in allen vier Evangelien vorkommt. Die frühe Christenheit sah in dieser Speisung der 5000 eine Verbindung zu dem Abendmahl. Die Einsetzungsworte des Abendmahls sind angedeutet in Vs. 16, wo es heißt:

Da nahm er die fünf Brote und zwei Fische und sah auf zum Himmel und dankte, brach sie und gab sie den Jüngern, damit sie dem Volk austeilten.

Es geht darum, durch dieses Ereignis bestimmte Wahrheiten zu veranschaulichen: nämlich Jesus ist derjenige, der den Lebenshunger restlos sättigen kann. Er ist das Brot des Lebens; wer ihn aufnimmt, der wird nicht mehr hungern. Jesus ist die Antwort Gottes auf den unersättlichen Lebenshunger der Menschen. Und diese Sättigung wird durch Mittel vollzogen, die scheinbar nicht ausreichend sind. 5 Brote und 2 Fische sind offensichtlich zu wenig für 5000 Menschen. Deshalb ist die Sättigung ein Wunder. Und dementsprechend: das, was die Christenheit zu bieten hat, scheint zu wenig zu sein. Unsere Bibel, unsere Gottesdienste, unsere Glaubensinhalte – das alles scheint zu wenig zu sein, um den Hunger der Menschen nach Leben zu sättigen. Besonders wenn man bedenkt, wie erlebnissüchtig die Menschen geworden sind. Aber dieser Lukastext verkündet die Verheißung, dass das Wenige, was uns als Christenheit zur Verfügung steht, ausreichend ist, solange Christus gegenwärtig ist.

Es gibt eine Legende, die in diesen Zusammenhang passt. Ein Einsiedlermönch bekam einmal als Geschenk einen Diamant. Kurz danach kam ein Reisender vorbei, der hungrig war und er bat den Mönch um etwas zu essen. Der Mönch erwiderte: ich weiß auch nicht, wo und wann ich die nächste Mahlzeit finden werde, aber ich habe gerade einen Diamant bekommen; den kannst du haben und verkaufen. Dann hast du etwas zu essen. Der Reisende konnte sein Glück nicht glauben. Er nahm schnell den Diamant und verschwand, ehe der Mönch es sich eventuell anders überlegen könnte. Ein paar Tage später war der Reisende wieder da und sagte: „Ich will von dir etwas haben, was kostbarer ist als dieser Juwel. Ich will das haben, was dich so gemacht hat, dass du mir diesen Diamant einfach schenken konntest.“ Diese Legende veranschaulicht, wie wir als Christusanhänger dazu beitragen können, dass Menschen eine Antwort finden auf ihren unersättlichen Lebenshunger. Das Kostbarste, was wir haben ist die Gemeinschaft mit Gott, die durch Jesus Christus gestiftet wird. Wenn diese Gemeinschaft mit Gott uns so sättigt, dass wir frei sind von Habgier –sondern im Gegenteil: in der Lage sind, alles zu teilen, was wir haben – und auch wenn es nur so gering ist wie 5 Brote und zwei Fische, können Wunder passieren.

'Helmut Thielicke', Engelbert Reineke, 1973

Der Theologe Helmut Thielicke schrieb ein Buch mit dem Titel „Leiden an der Kirche“. In einem Kapitel redet er von dem unerträglichen Kanzelton mancher Prediger. Er vergleicht diesen Kanzelton mit Fernsehwerbung für Limonade. Thielicke schreibt:

„Wer wissen will, ob eine Limonade wirklich so gut ist, wie sie das Reklame-Mannequin auf dem Bildschirm anpreist, darf nicht der phonetisch hochgesteigerten Empfehlung glauben, sondern muss feststellen, ob der Mann daheim und für sich privat diese Limonade selber trinkt. Trinkt der Prediger das selber, was er auf der Kanzel ausschenkt? Ist er also glaubwürdig? Das ist die Frage, die das gebrannte Reklamekind unserer Zeit stellt.“

Und diese Frage gilt für jeden von uns. Was essen und trinken wir, wenn wir den Lebenshunger sättigen wollen? Wo suchen wir die Erfüllung unserer unersättlichen Lebensgier? Suchen wir die Erfüllung tatsächlich in dem Wort der Bibel, im Dankgebet und im Lobgesang, in dem Brot und Wein der Eucharistie, wie wir offiziell behaupten? Ist Christus für uns wirklich das Brot des Lebens, dass uns von aller Gier befreit?

Möge Gott uns helfen, dass wir in ihm die Sättigung suchen und finden, die er allein zu bieten hat, damit auch andere Jesus als Brot des Lebens entdecken können.

Die Photographie 'Helmut Thielicke', Engelbert Reineke, 1973, ist lizenziert unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland.
'Brot-und-Fische-Mosaik', Bodenmosaik in der Kirche der Brotvermehrung in Tabgha am See Genezareth (Jam Kinneret), Israel, Grauesel, sowie die Photographie der Buddhastatue aus Thailand, Soare, 2005, wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.

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