Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Lukas 9, 10 – 17 Unermessliche Sehnsucht

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'Elvis Aaron Presley', MartinHagberg, 2005

7. Sonntag nach Trinitatis

Unermessliche Sehnsucht Lukas 9, 10 – 17

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2007

Und die Apostel kamen zurück und erzählten Jesus, wie große Dinge sie getan hatten. Und er nahm sie zu sich, und er zog sich mit ihnen allein in die Stadt zurück, die heißt Betsaida. Als die Menge das merkte, zog sie ihm nach. Und er ließ sie zu sich und sprach zu ihnen vom Reich Gottes und machte gesund, die der Heilung bedurften. Aber der Tag fing an, sich zu neigen. Da traten die Zwölf zu ihm und sprachen: Lass das Volk gehen, damit sie hingehen in die Dörfer und Höfe ringsum und Herberge und Essen finden; denn wir sind hier in der Wüste. Er aber sprach zu ihnen: Gebt ihr ihnen zu essen. Sie sprachen: Wir haben nicht mehr als fünf Brote und zwei Fische, es sei denn, dass wir hingehen sollen und für alle diese Leute Essen kaufen. Denn es waren etwa fünftausend Mann. Er sprach aber zu seinen Jüngern: Lasst sie sich setzen in Gruppen zu je fünfzig. Und sie taten das und ließen alle sich setzen. Da nahm er die fünf Brote und zwei Fische und sah auf zum Himmel und dankte, brach sie und gab sie den Jüngern, damit sie dem Volk austeilten. Und sie aßen und wurden alle satt; und es wurde aufgesammelt, was sie an Brocken übrigließen, zwölf Körbe voll. Lukas 9, 10 – 17

Eine der ergreifendsten Fernsehsendungen, die ich jemals gesehen habe, war die Übertragung des letzten Konzerts von Elvis Presley vor seinem Tod. Er war ein erbärmlicher Anblick: er war körperlich aufgeschwemmt, er war kurzatmig, seine Bewegungen hatten keine Ausstrahlung mehr, er war nicht mehr das, was er einmal war.

Aber richtig gespenstisch wurde es, als er das letzte Lied auf dem Programm sang. Denn das Lied fängt folgendermaßen an: „Und nun ist das Ende nah, ich stehe vor dem letzten Vorhang...“ Und in dem Text des Liedes geht es darum, Bilanz zu ziehen, wie das Leben abgelaufen ist. Ein Satz in dieser Bilanz lautet: „Manchmal habe ich mehr abgebissen, als ich kauen konnte.“ Dieser Satz ist stechend, denn Elvis Presley hat in einem übertragenen Sinne mehr abgebissen, als er kauen und verdauen konnte. Er war der Inbegriff einer maßlosen Sehnsucht nach Lebenserfüllung. Er konnte buchstäblich nicht genug kriegen: er hat zu viel gegessen, zu viele Konzerte gegeben, zu viele Frauen gehabt. Egal wie viel Liebe er bekam, es war nie genug. Je mehr Liebe er bekam, um so stärker war sein Hunger nach immer mehr Liebe. Er hat deshalb Unmengen von Tabletten genommen: Tabletten um schlafen zu können oder um wach zu bleiben, Tabletten, um den Appetit zu steigern oder zu reduzieren, Tabletten, um die Energie und Potenz zu steigern. Zuletzt ist er an diesen Unmengen von Tabletten zugrunde gegangen.

Aber Elvis Presley ist keineswegs eine Ausnahmeerscheinung. Denn eigentlich ist er eine sichtbare Zuspitzung dessen, was in jedem Menschen vorkommt. In jedem von uns lauert ein Elvis Presley. Denn in jedem Menschen gibt es eine unermessliche Sehnsucht. Grundsätzlich jeder von uns hat einen buchstäblich maßlosen Hunger nach Liebe und nach Leben. Ein Theologe schrieb dazu folgendes: „Unser Herz ist unruhig, weil seine grenzenlose Sehnsucht auf Erden nicht erfüllt werden kann, sondern erst im Himmel zur Ruhe kommt.“

Diese endlose Sehnsucht des Herzens ist der Hintergrund zu dem Lukastext, der für heute vorgesehen ist. Es geht um die Speisung von 5000. Und diese 5000 wurden mit 5 Broten und zwei Fischen gespeist. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, diese Geschichte zu verstehen. Eine Auslegungstradition sieht in dieser Speisung ein Gleichnis für das Abendmahl. Der Anhaltspunkt dieser Auslegung sind die Worte im Text, wo es heißt: „er dankte, brach sie und gab sie den Jüngern“. So fangen die Einsetzungsworte des Abendmahls an: er dankte, brach’s und gab’s seinen Jüngern.“

Und wenn Abendmahl gefeiert wird, reicht eine kleine Menge Brot aus, um Tausende von Menschen an der Fülle des Lebens teilnehmen zu lassen, so wie 5 Brote ausreichten, um 5000 überreich zu sättigen.

Und es heißt am Ende: „Und sie aßen und wurden alle satt; und es wurde aufgesammelt, was sie an Brocken übrigließen, zwölf Körbe voll.“ Diese zwölf Körbe voller Reste sind ein Sinnbild für die verschwenderische Großzügigkeit Gottes. Die Botschaft hier lautet, Gott wird nicht nur die Menschen sättigen und ihre Sehnsüchte erfüllen. Gott ist verschwenderisch in seiner Großzügigkeit; er wird viel mehr an Liebe und Leben schenken, als notwendig ist.

'First Communion in India', CC-BY-2.0, 2007

In Psalm 23 übersetzte Luther: „Du schenkest mir voll ein“. Aber die wortwörtliche Übersetzung findet man in englischen Bibeln, wo es heißt: „Du schenkest mir so viel ein, dass es überläuft.“ Das heißt: das völlig maßlose Verlangen der Seele nach Liebe und Leben findet seine Antwort in einem Gott, der auch völlig maßlos ist in seiner Großzügigkeit.

Aber der Knackpunkt dieser Geschichte ist eine unauffällige Stelle, die Stelle, wo es heißt: „Und sie aßen.“ Das klingt nicht sonderlich tiefgründig, aber hier ist der Schlüssel zu diesem Text: „Und sie aßen.“ Es gibt ein Sprichwort, das lautet: Liebe geht durch den Magen. Und so ist es auch bei Gott. Wer die Fülle des Lebens in Gott haben möchte, nimmt diese Fülle durch Essen ein.

Das klingt für unsere Ohren merkwürdig. Denn wir sind gewohnt, die Begegnung mit Gott zu vergeistigen. Als ob es möglich wäre, Gott aufzunehmen, indem man bestimmte Gedanken denkt. Oder als ob es möglich wäre, Gott aufzunehmen, indem man bestimmte Gefühle erlebt. Oder als ob es genügen würde, bestimmte Worte zu hören. Aber so funktioniert christlicher Glaube nicht: Gott kann man nicht durch Gedanken, Gefühle oder Hören allein aufnehmen. Gott wird durch Essen aufgenommen. Denn es hat Gott gefallen, mit Leibhaftigkeit zu uns zu kommen, als Fleisch und Blut, als Brot und Wein, durch Essen und Trinken.

Ein Theologe hat dementsprechend folgendes geschrieben:

„In der Ebene der Leiblichkeit will Jesus heilen, will er wahrgenommen und anerkannt werden, dem Leib gibt er seine Verheißung. Und so bricht sich in jeder Sekunde Gottes Herrschaft und Verheißung mit dem Leben und tun unseres Leibes. Die Wirklichkeit Gottes ist keine ferne Realität hinter den Wolken, sondern sie ist uns in Jesus so auf den Leib gerückt, dass sich seine Wirklichkeit ständig kreuzt mit unserem konkretesten Leben.“

Und deswegen sind wir auf das Altarsakrament angewiesen, damit wir die Anwesenheit Gottes für uns leibhaftig erfahren, wie es von Gott vorgesehen ist.

Die Kirchengeschichte bestätigt diese Betrachtungsweise. In Karthago im 4. Jahrhundert wurden Christen von einer römischen Behörde verhaftet, weil sie das Abendmahl feierten. Es gab eine Gerichtsverhandlung. Die Christen wurden gefragt, warum sie Gottesdienst feierten, obwohl es verboten war und als Kapitalverbrechen galt. Die Antwort lautete schlicht: „Ohne Eucharistie können wir nicht leben.“

Oder in China während der Zeit der Kulturrevolution war es Christen absolut verboten, sich zu versammeln; auch hier drohten Verhaftung und Todesstrafe. Auch in dieser Situation konnten Christen ohne Eucharistie nicht leben. Es wurden raffinierte Methoden ausgearbeitet, um Christen mit Hostienstücken zu versorgen. Ein Priester, der als einfacher Arbeiter seinen Unterhalt verdiente, hat mit Christen eine geheime Zeichensprache verabredet, mit der er Hinweise gab, wo er zu finden war. Zum Beispiel: in der Ecke eines Marktes hat er Seife verkauft. Wer die geheime Zeichensprache kannte, konnte von ihm Seife bekommen, deren Verpackung einen kostbaren Inhalt hatte: nämlich eine geweihte Abendmahlshostie, bzw. ein Fragment davon. Wer diese Hostie heimlich bekommen hatte, konnte zu Hause mit seiner Familie Gottesdienst feiern.

Und der entscheidende Inhalt hier lautet: es spielt keine Rolle, wie groß das geweihte Brot ist. Wer ein winziges Bruchstück geweihtes Brot hat, hat den ganzen Christus, und wer Christus hat, hat die ganze Fülle des ewigen Lebens. Wie es in dem Kolosserbrief heißt: „In ihm (Christus) wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig.“ So wie 5 Brote mehr als ausreichend waren für 5000 Menschen, so ist ein Bruchstück von dem Leib Christi ausreichend, um den maßlosen Hunger des Menschen nach Leben zu erfüllen.

Es fällt uns Evangelischen schwer, daran zu glauben, dass so viel von einem winzigen Stück Brot abhängen kann. Denn scheinbar kommt es allein darauf an, was man glaubt, nicht auf das, was man isst.

Martin Luther hat am Besten zum Ausdruck gebracht, worum es hier geht. Es gab Leute damals wie heute, die sagten: Gott ist überall. Ich kann überall zu Gott beten; ich kann Gott in meiner Seele finden. Wozu brauche ich die Sakramente der Kirche? Luther erwiderte:
Gott ist zwar überall, aber das bedeutet nicht, dass er für dich überall zugänglich ist. Es ist ein Unterschied, „ob Gott da ist, oder ob er dir da ist“. Du bist darauf angewiesen, dass Gott zu dir sagt: Hier ist der Ort, wo ich mich dauerhaft niedergelassen habe, hier bin ich für dich da. Sonst würdest du nie zur Ruhe kommen und du würdest nie Gewissheit finden, dass ich mit dir bin. Luther bezeugte: Gott hat sich selbst eingeschränkt, indem er sich dauerhaft an die Sakramente der Kirche gebunden hat, damit du mit voller Gewissheit wissen kannst: wenn du Brot und Wein empfängst, hast du die ganze Fülle des Lebens in dich aufgenommen. Deinen unermesslichen Hunger nach Liebe und nach Leben hat in dem Altarsakrament seine Antwort endgültig gefunden. Die Vollendung aller Träume wird eingeleitet durch Essen und Trinken. Denn es hat Gott gefallen, auf diesem Weg zu uns zu kommen.

Die Photographie 'Elvis Aaron Presley' (MartinHagberg, 2005) ist von einem Angestellten der Behörde des Präsidenten der Vereinigten Staaten während des Verlaufs seiner Dienstzeit angefertigt worden. Als Arbeit der U.S. Bundesregierung ist dieses Bild im public domain.
Die Photographie 'First Communion in India', CC-BY-2.0, 2007, ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 2.0 Lizenz.

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PSch

Schöpfer Gott, Du schenkst uns,
dass wir lieben und leben.
Du willst für uns die Fülle des Lebens.
Ach! Ich bin ruhelos, suche nach dieser Fülle
im Überfluss, im Jagen nach Geselligkeit
und im Vergbügen.

Ich probiere meinen eigenen Weg zum Glück
Aber das Glück entwischt mir, scheint's -
menschliche Schwäche gewinnt die Oberhand.
Ich lebe in meiner kleinen Welt, verletze andere
und schließe sie aus.
Tiefer sinke ich ins Unglück hinein,
bis ich verzweifelt bin.

Mein Gott, ich vergesse,
dass Du um mein Wohl in Sorge bist:
solange ich Sorge trage für andere und arbeite,
dass Gerechtigkeit, Bereitschaft zum Vergeben,
Versöhnung, Freude und Frieden wachsen;
solange ich arbeite an guten, stützenden,
belebenden Beziehungen,
die niemand zurücklassen,
niemand ausschließen.

Ich bin es, die Dich in dieser Welt
gegenwärtig macht.
Lass Beten meine beständige Verbindung -
mein Handy zu Dir sein.
So dass Festigkeit und Kraft stark in mir werden,
Weil ich Dich ganz und gar zu meiner Mitte mache.

Virginia Saldanha, © missio
Aus: missio 2008 „Ich rufe zu Gott, bis er mich hört“