Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Timotheusbrief 2., 1 – 6a Es geht um das Ganze

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Rogate: 1. Timotheusbrief 2., 1 – 6a Es geht um das Ganze

Gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2004

'Der Seher', 1987. Offenbarung 1, 10-11 - Walter Habdank. © Galerie Habdank

'Der Seher', 1987. Offenbarung 1, 10-11
Walter Habdank. © Galerie Habdank

So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, für die Könige und für alle Obrigkeit, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit. Dies ist gut und wohlgefällig vor Gott, unserm Heiland, welcher will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Denn es ist EIN Gott und EIN Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus, der sich selbst gegeben hat für alle zur Erlösung,

1. Timotheusbrief 2., 1 – 6a

Es wird von einem Studenten berichtet, der Mitglied der evangelischen Kirche war, der aber in seinem Glaubensleben nicht sonderlich engagiert war. Er teilte ein Zimmer mit einem anderen Studenten, mit dem er befreundet war. Eines Tages beim Sportunterricht hatte sein Zimmernachbar einen schweren Unfall. Ein Notarzt wurde nicht sofort gerufen – was sicherlich ein Fehler war, sondern der Student wurde zunächst in sein Zimmer gebracht. Aus seiner Nase und Mund blutete er. Der Verletzte und sein Freund waren zunächst allein im Zimmer. Als der Verletzte da auf seinem Bett lag, sagte er plötzlich zu seinem Freund: „Bitte, bete für mich.“ Der Angesprochene war auf diesen Moment überhaupt nicht vorbereitet, aber er kniete spontan auf den Boden und betete für seinen Freund. Und später berichtete er folgendes: „Es war für mich eine Überraschung, zu sehen, wie es meinem Freund plötzlich besser ging. Und es hat mich noch mehr überrascht, festzustellen, dass auch ich verändert wurde. Dieses zaghafte Gebet für einen anderen Menschen öffnete für mich eine neue Welt, die Welt des Fürbittengebets. Ich erkannte, dass mein christlicher Glaube labil gewesen war, weil ich für andere nicht genug gebetet hatte.“

Was dieser Student in einem Moment der Krise feststellte, ist eine allgemeine Erfahrung der Christenheit. Ein christlicher Zeuge fasste diese Erfahrung der Christenheit zusammen mit den folgenden Worten: „Gebet ist die größte Gewalt, die uns zur Verfügung steht. Es ist die größte Gabe, die uns Gott gegeben hat. Er hat es jedem Christen gegeben. Mit der Macht des Gebets ist es nach dem Willen Gottes vorgesehen, Menschen zu erlösen und zu verwandeln. Mit welchem Recht vernachlässigen wir diese große Macht?“

Ein Grund, weshalb Gebet – und vor allem Fürbittengebet – vernachlässigt wird, ist, dass ein Betender nicht unbedingt damit rechnen kann, die Ergebnisse seiner Gebete zu sehen. Es gibt keine Tätigkeit, die so viel blindes Vertrauen verlangt, wie Fürbittengebet.

Immer wieder hört man die lapidare Behauptung: „Die Christenheit betet seit 2000 Jahren für den Frieden in der Welt, aber was hat es genutzt?“ Diese Frage lässt sich nicht beantworten. Denn diese Frage setzt voraus, dass man feststellen könnte, wie die Welt heute aussehen würde, wenn die Christenheit seit 2000 Jahren nicht um Frieden gebetet hätte. Sicherlich würde eine Welt ohne Friedensgebete noch schlimmer aussehen, aber das lässt sich nicht nachweisen, weil wir keine Vergleichsmöglichkeit haben.

Nachweisbar ist allerdings, dass Fürbittengebet eine Wirkung auf die Gesundheit haben kann. In meiner Heimatstadt, San Francisco, wurde eine Untersuchung an dem General Medical Center durchgeführt. Eine Gruppe von Freiwilligen übernahm die Aufgabe, für Patienten zu beten, die herzkrank waren. Sie bekamen die Namen der Patienten, für die sie beten sollten. Es gab als Kontrollgruppe eine zweite Liste von Patienten, für die niemand gebetet hatte. Weder die Ärzte noch die Patienten haben von dieser Gebetsinitiative gewusst. Kein Patient hat gewusst, dass eine Gruppe für ihn betet, bzw. nicht betet. Die zwei Patientengruppen wurden hinterher verglichen. Die Patienten, für die gebetet wurden, waren in einem besseren Zustand: sie haben eindeutig weniger Antibiotikum gebraucht (und zwar 5 Mal weniger) und waren weniger auf Atmungsgeräte angewiesen als die Patienten, für die niemand gebetet hatte. Ein Herzspezialist, der dieses Experiment eingeleitet hatte, fasste das Ergebnis zusammen mit den Worten: „Die Indizien sprechen dafür, dass Gottvertrauen und Gesundheit wahrlich zusammenhängen.“

Das entscheidende Wort hier ist Vertrauen. Es gibt zwar unermesslich viele Indizien, die belegen, dass Fürbittengebet eine spürbare Wirkung hat. Aber die volle Wirkung eines Fürbittengebets lässt sich nicht nachweisen, denn was Gott aus unseren Gebeten macht, liegt in seiner Hand. Das ist auch der Sinn eines Fürbittengebets: alles in die Hand Gottes zu legen in dem Vertrauen, dass unsere Gebete nicht umsonst sind, sondern zu der Vollendung beitragen, die Gott für seine Schöpfung vorgesehen hat.

Es gab einen russischen Christen, der in der Zeit der Sowjetunion in einem Gefängnislager war. Diese Gefängnisse waren für ihre grausamen Zustände bekannt. Als dieser Christ eines Tages betete, wurde er von einem Mitgefangenen verspottet, der sagte: „Gebete werden dir nicht helfen, hier herauszukommen.“ Der Betende erwiderte: „Ich bete nicht, damit ich herauskomme, sondern ich bete, damit ich den Willen Gottes erfülle.“

Und das ist auch unsere Situation. Wir beten nicht, weil wir mit sofortigen, nachweisbaren Ergebnissen rechnen, sondern wir beten um den Willen Gottes zu erfüllen. Und der Wille Gottes wird in unserem Text für heute aus dem 1. Timotheusbrief erläutert. Da heißt es:

So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, für die Könige und für alle Obrigkeit.... Dies ist gut und wohlgefällig vor Gott, unserm Heiland, welcher will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.

Earth Eastern Hemisphere

Der Wille Gottes ist, „dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“

In diesem Zusammenhang müssen wir gegen den inneren Schweinehund kämpfen. Jeder Mensch hat eine natürliche Neigung, allein an sich zu denken. Und wir Protestanten haben eine historische Neigung, unser Seelenheil individualistisch zu sehen.

Aber die Bibel offenbart einen Gott, der zwar zu jedem einzelnen Menschen eine Beziehung haben will, der aber auf das Ganze ausgerichtet ist.

In diesem Zusammenhang ist es relevant, den letzten Satz der Bibel zu betrachten. Viele kennen den ersten Satz der Bibel: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Aber was ist der letzte Satz der Bibel? Der letzte Satz der Bibel hat ein besonderes Gewicht.

Zum Beispiel: der letzte Satz der hebräischen Bibel ist eine Aufforderung, nach Jerusalem heraufzuziehen. Durch diesen letzten Satz der heiligen Schrift des Judentums sollte jeder Juden merken, dass Jerusalem der Brennpunkt seines Glaubens ist und dass er Jerusalem nie aus dem Augen verlieren darf. Er darf Jerusalem nie aufgeben. Dieser Satz hat eine bleibende Wirkung und trägt dazu bei, dass die Situation im Nahen Osten so brisant ist.

Und wie ist es für uns Christen? Was ist der letzte Satz unserer heiligen Schrift? Dieser letzte Satz ist auch ein Brennpunkt unseres Glaubens. Dieser Satz verkündet etwas, was wir nie aus dem Augen verlieren dürfen.

Der letzte Satz der Bibel ist ein Fürbittengebet und lautet: Die Gnade des Herrn Jesus sei mit allen! Dieses Fürbittengebet drückt das Anliegen der Christenheit aus: die Gnade, die Jesus Christus verkörpert, sollte alle Menschen erfassen. Das letzte Wort der Bibel ist das Wort „alle“.

Denn Gott will, „dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“ Immer wieder im Neuen Testament kann man nachlesen, dass Gott alle Menschen mit seinem Heil erfassen will. Eine politische Partei – ich meine, es war die FDP - hatte einmal eine Wahlkampfparole, die lautete: „Es geht um das Ganze“. Die Parole gilt aber auch für Gott. Es geht ihm um das Ganze. Diese Botschaft kann man immer wieder in der Bibel nachlesen. Z.B. in dem 1. Korintherbrief heiß est:

Denn wie sie (die Menschen) in Adam alle sterben, so werden sie in Christus alle lebendig gemacht werden.

In dem Philipperbrief heißt es:

in dem Namen Jesu sollen sich beugen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen sollen bekennen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.

In dem Kolosserbrief heißt es:

Denn es hat Gott wohlgefallen, dass in ihm (in Christus) alle Fülle wohnen sollte und er durch ihn alles mit sich versöhnte, es sei auf Erden oder im Himmel.

Was Gott will ist eindeutig. Und deswegen sollen wir für alle Menschen beten. Fürbittengebet für alle Menschen ist eine urchristliche Aufgabe. Durch Fürbittengebet beteiligen wir uns an dem Willen Gottes für diese Welt. Fürbittengebet reißt uns aus unserer Ichbezogenheit heraus und versetzt uns in die Weite dieser Welt.

Und falls wir nicht wissen, was wir beten sollten, brauchen wir nur an den letzten Satz der Bibel zu denken: Die Gnade des Herrn Jesus sei mit allen! Dieses Gebet ist das Minimum.

Möge Gott uns helfen, dass wir so beten, wie es für uns vorgesehen ist, und dass wir Vertrauen haben, dass unsere Gebete eine kraftvolle und unvergängliche Wirkung haben. Amen.

Das Photo der Nasa von der Erde (Earth Eastern Hemisphere) ist gemeinfrei (public domain), da es von der NASA erstellt worden ist. Die NASA-Urheberrechtsrichtlinie besagt, dass „NASA-Material nicht durch Urheberrecht geschützt ist wenn es nicht anders angegeben ist“.
Wir danken Frau Friedgard Habdank sehr herzlich, dass sie uns die Bilder ihres Mannes auf so großzügige und kostenlose Weise zur Verfügung gestellt hat. © Galerie Habdank, www.habdank-walter.de

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