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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Kol. 2, 12 – 15 Glaubt Gott an uns?

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Glaubt Gott an uns? Kol. 2, 12 – 15

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2006

Yuri Gagarin, Nasa, 1961 - 1968

Mit ihm seid ihr begraben worden durch die Taufe; mit ihm seid ihr auch auferstanden durch den Glauben aus der Kraft Gottes, der ihn auferweckt hat von den Toten. Und er hat euch mit ihm lebendig gemacht, die ihr tot wart in den Sünden und in der Unbeschnittenheit eures Fleisches, und hat uns vergeben alle Sünden. Er hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war, und hat ihn weggetan und an das Kreuz geheftet. Er hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt und hat einen Triumph aus ihnen gemacht in Christus. Kol. 2, 12 – 15

Im Jahre 1961 ist der erste Mensch im Weltall um die Erde gekreist: er heißt Yuri Gagarin. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, haben Kosmonauten einiges von diesem ersten Weltraumflug offenbart, was damals geheim gehalten wurde. Sie haben z. B. erzählt, dass die Kapsel, mit der Gagarin um die Erde geflogen ist, mit einer Sprengladung ausgestattet war, die durch ein Radiosignal entzündet werden könnte. Die Sowjetregierung wollte sicher gehen, dass Gagarin nicht außerhalb der Sowjetunion landet, wo er auf die Idee kommen könnte, in einem anderen Land zu bleiben. Ehe diese Möglichkeit eintreten könnte, sollte er vernichtet werden. Die Sprengladung konnte Gagarin selbst durch die Eingabe einer sechsstelligen Code-Nummer ausschalten. Aber er bekam nur die ersten drei Zahlen dieser Geheimnummer; er sollte die restlichen drei bekommen, wenn der Abstieg der Kapsel so eingeleitet war, dass sie nur auf dem Boden der Sowjetunion landen konnte.

Aber der Leiter des Weltallprogramms, ein Mann namens Korolev, wollte Gagarin nicht mit diesen entwürdigenden Bedingungen fliegen lassen. Kurz vor dem Abflug nahm er den Kosmonauten beiseite und flüsterte ihm die letzten drei Geheimcodenummern zu. Korolev hat damit seine berufliche Zukunft und sein Leben aufs Spiel gesetzt. Aber Gagarin hat sein Vertrauen nicht missbraucht.

Diese Begebenheit kann für uns als Gleichnis dienen, um eine Glaubensfrage zu veranschaulichen. Die Frage lautet: Wie ist Gott? Ist Gott bereit, uns Menschen Vertrauen zu schenken oder nicht? Ist Gott wie eine totalitäre Regierung – in dem Sinne, dass er mit Vernichtung droht, um einen Menschen fest in den Griff zu bekommen? Oder ist er wie der Wissenschaftlicher Korolev, der das Risiko auf sich nimmt, Vertrauen zu schenken, damit ein Mensch nicht entwürdigt wird?

Wenn man die biblische Heilsgeschichte und die Kirchengeschichte betrachtet, könnte man meinen, dass Gott ähnlich vorgeht wie eine kaltblütige Diktatur. Denn die Propheten des Volkes Israel hatten die Katastrophen ihrer Geschichte als Strafe Gottes ausgelegt. Das Volk wurde mehrmals überfallen, getötet, verschleppt, versklavt und erniedrigt – und die Propheten sagten dazu: ihr habt es nicht anders verdient. Gott musste euch so hart bestrafen. Und die Christenheit hat jahrhundertelang einen Gott verkündet, der mit Höllenfeuer droht, wenn Menschen ungetauft, ungläubig oder mit Todsünden sterben. Bis heute gibt es große Teile der Christenheit, die an einen strafenden Gott glauben.

Aber ein solcher Gott, der mit Bestrafung droht, wenn ein Mensch die vorgeschriebene Verhaltensweise nicht liefert, ist ein lebensverachtender Gott – ein Gott, der davon ausgeht, dass Menschen nur durch Abschreckung in den Griff zu bekommen sind. Einen solchen Gott kann man nicht lieben, sondern nur fürchten und hassen – wie Martin Luther erlebt hat. Unter dem Regime eines solchen Gottes gibt es keine Möglichkeit zu reifen, indem man das Gute ohne Hintergedanken tut, sondern das Gute wird immer aus Eigennutz geschehen – um Strafe zu vermeiden: ein kindischer Zustand. Eine größere Entwürdigung der Menschen ist kaum vorstellbar.

In diesem Zusammenhang kann man etwas von der Zeit der Juden-Verfolgung im letzten Jahrhundert lernen. Während der Zeit des dritten Reiches gab es Menschen, die bereit waren, ihr Leben zu riskieren, um Juden zu verstecken und zu retten. Es hat Untersuchungen gegeben, um herauszufinden, warum diese Menschen so gehandelt hatten. Gab es gemeinsame Merkmale unter denen, die Juden gerettet hatten?

Ein Merkmal, das entdeckt wurde, war, dass diese Personen – im Allgemeinen – eine gesunde Selbst-Achtung hatten. Im Allgemeinen wurden sie von ihren Eltern nicht mit physischen Strafen erniedrigt, sondern ihre Eltern versuchten, durch Einsicht auf sie zu wirken. Aber besonders auffällig bei diesen Retter-Persönlichkeiten ist, dass diese Personen keine besondere Anerkennung für ihre heldenhaften Leistungen erwarteten. Fast alle unter ihnen lehnten es ab, gelobt zu werden. Sie empfanden ihre rettende Tätigkeit für die Juden als etwas, was so selbstverständlich war, dass es nicht erwähnenswert ist. Mit anderen Worten: die Aussicht auf Belohnung oder Bestrafung spielte überhaupt keine Rolle für sie.

Und dieser Zustand, bei dem ein Mensch selbstlose Liebe als etwas Selbstverständliches vollbringt, ohne Rücksicht auf eine mögliche Belohnung oder Bestrafung, ist der Zustand, der für uns Christen vorgesehen ist. Dieser Zustand, in dem ein Mensch das Gute ohne Hintergedanken tut, ist für uns vorgesehen.

Und in diesem Zusammenhang soll der Kolosserbrieftext betrachtet werden. Dieser Text verkündet, wie es dazu kommt, dass Christen ohne Rücksicht auf Belohnung oder Bestrafung den Willen Gottes erfüllen. Es fällt auf in diesem Text, dass unsere Rolle als getaufte Christen eine passive Rolle ist. Gott tut alles Wesentliche. Denn es heißt:

Mit ihm (mit Christus) seid ihr begraben worden durch die Taufe; mit ihm seid ihr auch auferstanden durch den Glauben aus der Kraft Gottes, der ihn auferweckt hat von den Toten. Und er hat euch mit ihm lebendig gemacht, die ihr tot wart in den Sünden und in der Unbeschnittenheit eures Fleisches, und hat uns vergeben alle Sünden. Er hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war, und hat ihn weggetan und an das Kreuz geheftet. Er hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt und hat einen Triumph aus ihnen gemacht in Christus.

Es fällt auf, dass Gott in Christus alles tut: wir Menschen empfangen passiv, was er für uns getan hat. Dieser Text ist wie unser apostolisches Glaubensbekenntnis, was auch unser Taufbekenntnis ist: es wird nur davon erzählt, was Gott getan hat; was der Mensch tun sollte, kommt überhaupt nicht vor.

Und was Gott in Christus getan hat, wird oft maßlos unterschätzt. Gott hat nicht nur Christus von den Toten auferweckt, er hat mit Christus alle Menschen von den Toten auferweckt. Wie Paulus in dem 1. Korintherbrief schrieb: „Wie sie in Adam alle sterben, so werden sie in Christus alle lebendig gemacht werden.“ So wie das erste „alle“ wortwörtlich gemeint ist – alle Menschen sterben - , so ist auch das zweite „alle“ genauso wortwörtlich zu verstehen – alle Menschen werden lebendig gemacht. Eine allgemeine Auferstehung aller Toten hat Gott in Christus eingeleitet.

Und was muss man tun, um an dieser allgemeinen Auferstehung aller Toten teilzuhaben?

Die Antwort lautet: man kann nichts tun – man kann dieses Geschenk nur annehmen, denn Gott hat alles schon getan. Deswegen kann man sich selbst nicht taufen; sondern man wird getauft. Durch die Taufe wird man mit diesem Gott vereint, der alles schon getan hat und der die Toten auferweckt, denn die Taufe ist ein symbolisches Begräbnis und eine symbolische Auferstehung. Durch die Taufe bezeugen wir Christen, dass wir schon jetzt zu dem ewigen Leben gehören – als Geschenk Gottes, und dass wir für ein Leben in Freiheit befreit worden sind. Wie Paulus in dem Galaterbrief schrieb: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit“. Wir sind frei, Gott und den Mitmenschen in Liebe zu dienen, wenn wir wollen, ohne Berücksichtigung auf Belohnung oder Strafe, denn wir haben schon jetzt das ewige Leben geschenkt bekommen. Natürlich besteht die Möglichkeit, dass wir diese Freiheit missbrauchen, aber offenbar ist Gott bereit, sich auf dieses Risiko einzulassen. Denn durch die Taufe bezeugen wir, dass Gott an uns glaubt, dass Gott uns vertraut.

Leonard Bernstein, Marion S. Trikosko, 1971

Im Jahre 1971 schrieb der Komponist Leonard Bernstein eine Messe. Es ist ungewöhnlich, dass ein Jude ein musikalisches Glaubenswerk schreibt, das sich nach der Struktur der römisch-katholischen Messe richtet. Bernstein war von der katholischen Kirche fasziniert, besonders weil er Papst Johannes XXIII geschätzt hatte. Und Bernstein sagte damals, dass er überzeugt sei, dass die Krise des Glaubens die Hauptkrise unserer Zeit ist. Und da, wo das Glaubenbekenntnis in seiner Messe vorkommt, komponierte er ein Lied, bei dem die folgende Frage vorkommt: „Ich glaube an Gott, doch glaubt Gott an mich?“ Diese Frage kommt mehrmals vor und das Lied endet mit der Frage: „Wer...wer wird an mich glauben?“ Dies scheint eine Schlüsselfrage dieses Werkes zu sein. Die entscheidende Frage lautet nicht, ob wir an Gott glauben, sondern ob Gott an uns glaubt, d. h. ob er glaubt, dass es sich lohnt, uns ein Leben in ewiger Freiheit zu schenken.

Die Auferstehung Jesu Christi, die eine allgemeine Auferstehung aller Toten beinhaltet, ist eine Offenbarung, dass Gott an uns glaubt, dass Gott bereit ist, uns zu vertrauen. Gott ist nicht vergleichbar mit einem diktatorischen Regime, das die Menschen durch tödliche Drohung unter Kontrolle halten will, sondern Gott hat das Risiko auf sich genommen, sich uns anzuvertrauen und ist Mensch geworden und ist für uns in den Tod gegangen, damit er mit uns in ewiger Gemeinschaft leben kann. Mit diesem Vertrauensvorschuss will er in uns bewirken, dass wir auch ihm vertrauen und unsere besten Möglichkeiten entfalten.

Wie Paulus in dem Römerbrief schrieb: Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren, d.h. als wir noch nicht in der Lage waren vorzuweisen, wie wir auf diese selbsthingebende Liebe reagieren würden. Möge Gott uns helfen, diese Hingabe Gottes zu erwidern, indem wir die Güte und das Vertrauen weitergeben, die wir empfangen haben.

Die Photografie von Yuri Gagarin, Nasa, 1961 - 1968, ist gemeinfrei (public domain“), da sie von der NASA erstellt worden ist. Die NASA-Urheberrechtsrichtlinie besagt, dass „NASA-Material nicht durch Urheberrecht geschützt ist wenn es nicht anders angegeben ist“.
Die Photographie von Leonard Bernstein, Marion S. Trikosko, 1971, ist 'a work for hire' und zwischen 1952 und 1986 von einem der folgenden Photographen des U.S. News & World Report, aufgenommen worden: Warren K. Leffler (WKL), Thomas J. O'Halloran (TOH), Marion S. Trikosko (MST), John Bledsoe (JTB), oder Chick Harrity (CWH). Sie ist Teil einer Sammlung, die dem Library of Congress gestiftet wurde. Durch die Urkunde dieses Geschenkes, das U.S. News & World Report der Öffentlickeit gewidmet hat, liegen alle Rechte für die Photografien dieser Sammlung auf dieser Stiftung durch die Library. Daher sind keine Restriktionen gegen die Verwendung dieser Photographie bekannt.

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