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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Jesaja 40,26-31 Die Auferstehung als Quelle der Kraft

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Die Auferstehung als Quelle der Kraft Jesaja 40,26-31

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2002

Muhammad Ali, 1967

Hebet eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat dies geschaffen? Er führt ihr Heer vollzählig heraus und ruft sie alle mit Namen; seine Macht und starke Kraft ist so groß, dass nicht eins von ihnen fehlt. Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagst: »Mein Weg ist dem HERRN verborgen, und mein Recht geht vor meinem Gott vorüber«? Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der HERR, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich. Er gibt dem Müden Kraft, und Stärke genug dem Unvermögenden. Männer werden müde und matt, und Jünglinge straucheln und fallen; aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden. Jesaja 40,26-31

Im Jahre 1970 gab es in der amerikanischen Stadt Atlanta einen Boxkampf. Es ging um den Boxer Muhammad Ali, der dreieinhalb Jahre lang im Gefängnis gewesen war, weil er den vorgeschriebenen militärischen Dienst verweigert hatte, denn er war mit dem Vietnamkrieg nicht einverstanden. Als er aus dem Gefängnis herauskam, wollte er seine Boxfähigkeiten in einem Schaukampf testen; er ist gegen drei junge, unbekannte Profis aufgetreten. Während dieses Kampfes wurde er schnell müde und versuchte, sich so weit wie möglich zu schonen. Und die Zuschauer wurden unruhig. Zwischen den Runden fragte ihn sein Trainer: „Was ist denn los?“ Ali erwiderte: „Ich bin müde“. Der Trainer schaute ihm tief in die Augen und redete eindringlich auf ihn ein: „Du bist müde? Wir haben nicht dreieinhalb Jahre auf diesen Abend gewartet, damit du müde bist! Das sind dieselben Leute da draußen, die dir zugejubelt haben, als wärest du der verlorene Sohn, der heimkehrt.“ Ali sagte dazu: „Was erwarten die denn von mir? Dies ist doch nur ein Schaukampf.“ Der Trainer ging mit seinem Mund ganz dicht an das Ohr des Boxers und sagte laut: „Dies ist kein Schaukampf! Dies ist die Auferstehung! Gott hat eine Auferstehung befohlen! Die Leute da draußen holen dich ins Leben zurück. Die Regierung wollte dich im Gefängnis begraben. Die hier aber holen dich aus dem Grab. Jetzt ist deine Auferstehung. Reiß dich zusammen! Angenommen, Gott hätte Jesus auferweckt und die Leute hätten ihn schwach und müde und mit weichen Knien da rumstehen sehen, ohne Saft, ohne Kraft. Er hätte ihn sicherlich ins Grab zurückgeschickt. Wenn die Menschen dich auferwecken, dann lassen sie ihr eigenes Blut, ihr eigenes Fleisch und ihre eigenen Knochen in deinen Körper übergehen. Und du darfst nicht schwach sein, weil sie nicht schwach sind.“

Dieser Moment ist bemerkenswert. Man muss wissen, dass der Trainer ein Jude war und Ali ein Muslim. Der Trainer will den Boxer motivieren, dass er trotz Müdigkeit sein Bestes gibt. Er hat nur einige Sekunden Zeit. Und um ihn zu motivieren greift er zwei Geschichten aus dem Neuen Testament auf: er redet von der Heimkehr des verlorenen Sohnes und von der Auferstehung Christi: vor allem von der Auferstehung. Und erstaunlicherweise funktionierte diese spontane Auferstehungspredigt. In den letzten Runden zeigte Muhammad Ali plötzlich seine volle Kraft und Schnelligkeit.

Dieser Moment zeigt, wie viel Ausstrahlungskraft die Auferstehung Christi hat. Ein Jude erzählt einem Muslimen von der Auferstehung Christi, damit er seine Müdigkeit überwindet und mit voller Kraft kämpft. Und es funktioniert.

Dieser Vorgang ist erstaunlich. Hier sind zwei Nicht-Christen, für die die Auferstehung Christi mitten in einem Kampf offenbar eine Wirklichkeit geworden war und genügend Kraft freisetzte, um Erschöpfung und Müdigkeit zu überwinden.

Für uns Christen ergibt sich die Frage, ob auch wir in der Auferstehung Christi eine Quelle der Kraft sehen, um die Erschöpfung und Müdigkeit zu überwinden, die auch bei uns eintreten können. Der Text aus dem Propheten Jesaja erzählt von der Müdigkeit, die bei jedem vorkommen kann. Wie es heißt: „Männer werden müde und matt, und Jünglinge straucheln und fallen.“ Gerade junge Menschen sind anfällig für Müdigkeitserscheinungen. Und Kraftlosigkeit kann dazu führen, dass chaotische, zerstörerische Kräfte sich entfalten.

Zum Beispiel: es gibt einen Journalisten, der eine Zeitlang britische Fußballhooligans begleitete. Er lernte sie kennen und stellte fest, dass Hooligans als Einzelpersonen anständig und sogar sympathisch wirken. Aber sobald sie in der Menge sind, werden sie dämonisch. Diese Fußballbanden richteten in regelmäßigen Abständen chaotische Verwüstungen an: sie plünderten Schaufenster und schlugen auf Menschen ein, ohne Rücksicht auf Lebensgefahr. Der Journalist stellte im Laufe der Zeit fest, dass es diesen jungen Menschen nicht um Fußball oder um Nationalismus ging, sondern was sie wirklich motivierte war die rohe Gewalt. Einer dieser Fanatiker sagte: „Randalieren ist unsere Religion. Samstag ist unser heiliger Tag der Anbetung.“ Dieser Journalist entdeckte mit Erschrecken, dass Gewalttätigkeit verführerisch wirkt und dass er beinahe mitgemacht hätte, denn der Appetit nach Gewalttätigkeit, der zu einem Lebensinhalt werden kann, steckt in jedem Menschen als Möglichkeit. Und Gewalttätigkeit entsteht nicht wegen Armut oder Benachteiligung – nach Einschätzung dieses Journalisten -, sondern hat etwas mit einem menschlichem Hunger nach Macht zu tun. Man kann diese Sehnsucht nach Macht erfüllen, wenn man den eigenen Willen preisgibt und Teil einer chaotischen Bande wird.

Was dieser Journalist festgestellt hatte, sind seine subjektiven Eindrücke. Aber er veranschaulicht, dass wir Menschen Kraft brauchen, um leben zu können. Und wenn dieses Bedürfnis nicht auf eine gutartige Weise erfüllt wird, können bösartige Machtgelüste entstehen, die lebensfeindlich sind. Und wenn ein Mensch nicht in Gott seine Kraft findet, dann bietet diese Welt genügend Alternativen, die nicht immer heilsam sind.

Der Jesajatext fordert uns dazu auf, von Gott alle Kraft zu erwarten, die man braucht. Wie es heißt: die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden. Dieser Text wurde in dem 6. Jahrhundert vor Christus geschrieben; es gab damals noch keine ausgereifte Auferstehungshoffnung. Aber wir kennen die Auferstehung Christi.

Für uns bedeutet die Auferstehung Christi eine Machtdemonstration. An dem ersten Ostermorgen wurde ein für allemal demonstriert, dass Gott mächtiger ist als alles, was uns erschüttern kann. Er ist mächtiger als Vergänglichkeit und Tod. Und das bedeutet: nicht die Vergänglichkeit, sondern Gott wird zuletzt bestimmen, was aus uns wird. Keine Macht dieser Erde kann Gott davon abhalten, seinen Willen zu verwirklichen. Und weil Gott mächtiger ist als alles, bedeutet das für uns: kein menschliches Leben wird umsonst sein, kein Leben wird sinnlos sein, kein Wort oder keine Tat der selbstlosen Liebe gehen verloren, sondern werden zu der Vollendung beitragen, für die wir vorgesehen sind.

Aber in einer Hinsicht sind wir in derselben Lage wie die Menschen, die der Prophet Jesaja ansprach. Jesaja forderte seine Leser dazu auf, auf Gott zu warten. Und auch wir müssen warten, bis der Ostersieg überall und endgültig vollzogen wird. Aber – wie ein Theologe schrieb: Warten macht uns stark; wir sind stärker, wenn wir warten, als wenn wir schon jetzt besitzen würden.

Es gibt einen Psychiater, der ein Buch schrieb mit dem Titel: „Der Weg, der seltener gegangen wird.“ Er schrieb dieses Buch, weil er Menschen helfen wollte, einen Sinn in ihrem Leben zu finden. Als er das Buch anfing, war er kein gläubiger Mensch. Als er das Buch fertig hatte, war er Christ geworden. Er ist Christ geworden, weil er merkte, dass das Leben keinen Sinn hat, wenn die erlebbare Wirklichkeit die einzige Wirklichkeit sein sollte. Er wurde Christ „als er die Fragezeichen in seiner Seele“ ernst nahm, als er merkte, dass Lebenssinn von etwas abhängt, was größer ist als das, was wir erleben können. Mit anderen Worten: er erkannte, dass Glaube ein Warten auf Gott ist, ein Warten auf die Offenbarung einer verborgenen Wirklichkeit. Und dieses Warten ist eine Stärke.

Aber alles hängt von der Auferstehung Christi ab. Denn ohne die Auferstehung Christi haben wir keinen Anhaltspunkt für diesen wartenden Glauben.

In dem vorigen Jahrhundert entstand eine liberale Theologie, die das Übernatürliche in der Bibel nicht akzeptieren konnte. Liberale Theologen sahen Jesus als die Verkörperung einer neuen Ethik und als Vorbild, aber die Wunder der Bibel waren für sie eine Ablenkung von der eigentlichen Botschaft. Ein Theologe mit dem Namen Strauss schrieb ein Buch mit dem Titel: „Das Leben Christi“. Es war eine Darstellung des Lebens Jesu, in der keine Wunder vorkamen. In diesem Buch gab es auch keine Auferstehung, denn alle Wundergeschichten wurden einfach weggelassen. Sondern es ging allein um die ethische Lehre Jesu.

Josef Wissarionowitsch Stalin, 1902

Dieses Buch war damals populär und weit verbreitet. Es wurde auch in russisch übersetzt. Und ein russischer Theologiestudent las dieses Buch. Dieser Student war so eifrig, dass er einen eigenen Kommentar zu dem Johannesevangelium geschrieben hatte. Aber als er das Buch von Strauss zu Ende gelesen hatte, hatte er das Gefühl, dass seine Augen geöffnet worden waren. Er gab sein Theologiestudium auf. Er trat aus der Kirche aus und trat in die kommunistische Partei ein. Anstatt auf einen Himmel jenseits dieser Erde zu warten, trat er in eine Partei ein, die ein Paradies auf Erden mit aller Gewalt herstellen wollte. Dieser ehemalige Theologiestudent hieß Josef Stalin. Bei Stalin kann man davon ausgehen, dass er eine tiefe Sehnsucht nach Macht hatte. Als er nicht mehr mit einer Macht rechnete, die jenseits der sichtbaren Wirklichkeit liegt, suchte er diese Macht in dem, was diese Welt zu bieten hat.

Und mit dieser Alternative lebt jeder von uns. Jeder von uns braucht Kraft, um leben zu können. Entweder bekommen wir diese Kraft durch ein Warten auf Gott, oder wir müssen nach der Kraft suchen, die diese Welt zu bieten hat. Und was diese Welt zu bieten hat, wird auf jeden Fall zu wenig sein.

Die Verheißung hier lautet, wie Jesaja verkündet:

Er gibt dem Müden Kraft, und Stärke genug dem Unvermögenden. Männer werden müde und matt, und Jünglinge straucheln und fallen; aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.

Die Foto von Muhammad Ali, 1967, wurde von seinem Autor Ira Rosenberg als gemeinfrei veröffentlicht. Dies hat weltweite Gültigkeit.
Das Foto von Josef Wissarionowitsch Stalin, 1902 (aus dem Buch "Josef Wissarionowitsch Stalin - Kurze Lebensbeschreibung" herauskopiert) wurde von seinem Urheber zur uneingeschränkten Nutzung freigegeben. Das Bild ist damit gemeinfrei („public domain“). Dies gilt weltweit.

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