Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Lukas 24, 13 – 35 Warum es wichtig ist, dass der Auferstandene leibhaftig erschienen ist

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'Gang nach Emmaus', 1988 - Walter Habdank. © Galerie Habdank

'Gang nach Emmaus', 1988 - Walter Habdank. © Galerie Habdank

Ostermontag

Warum es wichtig ist, dass der Auferstandene leibhaftig erschienen ist Lukas 24, 13 – 35

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2009

Und siehe, zwei von ihnen gingen an demselben Tage in ein Dorf, das war von Jerusalem etwa zwei Wegstunden entfernt; dessen Name ist Emmaus. Und sie redeten miteinander von allen diesen Geschichten. Und es geschah, als sie so redeten und sich miteinander besprachen, da nahte sich Jesus selbst und ging mit ihnen. Aber ihre Augen wurden gehalten, dass sie ihn nicht erkannten. Er sprach aber zu ihnen: Was sind das für Dinge, die ihr miteinander verhandelt unterwegs? Da blieben sie traurig stehen. Und der eine, mit Namen Kleopas, antwortete und sprach zu ihm: Bist du der einzige unter den Fremden in Jerusalem, der nicht weiß, was in diesen Tagen dort geschehen ist? Und er sprach zu ihnen: Was denn? Sie aber sprachen zu ihm: Das mit Jesus von Nazareth, der ein Prophet war, mächtig in Taten und Worten vor Gott und allem Volk; wie ihn unsre Hohenpriester und Oberen zur Todesstrafe überantwortet und gekreuzigt haben. Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde. Und über das alles ist heute der dritte Tag, dass dies geschehen ist. Auch haben uns erschreckt einige Frauen aus unserer Mitte, die sind früh bei dem Grab gewesen, haben seinen Leib nicht gefunden, kommen und sagen, sie haben eine Erscheinung von Engeln gesehen, die sagen, er lebe. Und einige von uns gingen hin zum Grab und fanden's so, wie die Frauen sagten; aber ihn sahen sie nicht.
Und er sprach zu ihnen: O ihr Toren, zu trägen Herzens, all dem zu glauben, was die Propheten geredet haben! Musste nicht Christus dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen? Und er fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was in der ganzen Schrift von ihm gesagt war. Und sie kamen nahe an das Dorf, wo sie hingingen. Und er stellte sich, als wollte er weitergehen. Und sie nötigten ihn und sprachen: Bleibe bei uns; denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt. Und er ging hinein, bei ihnen zu bleiben. Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte, brach's und gab's ihnen. Da wurden ihre Augen geöffnet, und sie erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen. Und sie sprachen untereinander: Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete? Und sie standen auf zu derselben Stunde, kehrten zurück nach Jerusalem und fanden die Elf versammelt und die bei ihnen waren; die sprachen: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und Simon erschienen. Und sie erzählten ihnen, was auf dem Wege geschehen war und wie er von ihnen erkannt wurde, als er das Brot brach. Lukas 24, 13 – 35

Es gab einen Mann, der einmal im Winter die irische See überquerte und um zwei Uhr morgens in der englischen Stadt Chester ankam. Die nächsten fünf oder sechs Stunden hat er in dem Warteraum eines Bahnhofs verbracht. Es war noch ein Mann im Warteraum: ein alter Mann, der den Boden sauber machte. Die zwei Männer kamen ins Gespräch. Dem Reisenden war es aufgefallen, dass der alte Mann einen geduldigen und heiteren Gesichtsausdruck hatte, obwohl der Raum eiskalt und windig war, und die Arbeit, die er zu tun hatte, stumpfsinnig war. Der Reisende sprach den Mann an: „Sind Sie hier die ganze Nacht? Es muss hart für Sie sein; Sie sehen nicht kräftig aus.“ Als der alte Mann diese einfühlsamen Worte hörte, machte er eine verblüffende Aussage. Der Reisende hat die Worte des Mannes hinterher aufgeschrieben, weil er sie nicht vergessen wollte. Der alte Mann sagte folgendes: „Ja, ich bin fast verbraucht. Mein Rheuma bringt mich fast um; die Kälte dringt in meine alten Knochen. Aber ich habe gerade vorhin an Jesus gedacht – mit welcher Liebe er einen menschlichen Leib annahm, der fühlen konnte, und wie er durch Angst und Leiden gegangen ist, damit er heute Nacht meine Kälte und meine Schmerzen verstehen kann – während er oben im Himmel ist. Und wenn ich daran denke, wie er für mich fühlt, dann machen mir die Schmerzen nicht so viel aus

Diese Bemerkung veranschaulicht, was Gott für uns Menschen getan hat. Er hat unsere Menschlichkeit angenommen, um den Abgrund zu überbrücken, der zwischen ihm und uns bestand, damit wir wissen können, dass er alles mitfühlt, was wir erleiden, damit wir wissen können, dass wir nie allein sind, weil Gott mit uns ist und damit wir durch diese Erkenntnis getröstet werden.

Die Leiblichkeit Jesu ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Zuwendung Gottes an uns. Und diese leibhaftige Gegenständlichkeit hörte nicht mit dem Tod auf, sondern gehört zu der Auferstehung und zu den Auferstehungsberichten. Die Christenheit machte hier eine klare Unterscheidung zwischen Auferstehung und Seelenbefreiung. Und dementsprechend machte sie eine Unterscheidung zwischen Augenzeugenberichten und Mythen.

In der antiken Welt gehörten Mythen zu den sogenannten Mysterien-Religionen, die in Konkurrenz zu der Christenheit standen. Das griechische Wort „Mythos“ kommt fünf Mal vor im Neuen Testament und jedes Mal geht es um Abgrenzung.

Typisch ist eine Stelle im 2. Petrusbrief, wo es heißt:

„Denn wir sind nicht Mythen gefolgt“, oder wie Luther übersetzte:„Wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen.“

Die christliche Botschaft ist nicht eine Zusammenstellung von Mythen, Legenden oder erfundene Geschichten, sondern besteht aus Augenzeugenberichten.

'Der Gang nach Emmaus, Joseph von Führich, 1837'

Der Auferstandene mit den Emmaus-Jüngern: „Bleibe bei uns, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt.“

Aber wie ist es mit der Emmaus-Geschichte, die wir vorhin gehört haben? Diese Geschichte wirkt wie eine christliche Legende. Manche Bibelausleger haben die Emmaus-Geschichte als erfundene pädagogische Geschichte verstanden; diese Geschichte sei nicht wirklich geschehen, - sagten einige kritische Bibelforscher - sondern die Urchristenheit hat sich diese Geschichte ausgedacht, um zu zeigen, wie sie dazu gekommen ist, an die Auferstehung Christi zu glauben, nämlich nicht durch direktes Sehen, sondern durch Bibelauslegung und durch Mahlgemeinschaft mit dem Auferstandenen.

Und ein Grund, weshalb die Emmaus-Geschichte als frommer Mythos galt, hing damit zusammen, dass Lukas scheinbar keine Ahnung hatte, wo sich Emmaus befindet.

„Und siehe, zwei von ihnen gingen an demselben Tage in ein Dorf, das war von Jerusalem etwa zwei Wegstunden entfernt; dessen Name ist Emmaus“

In dem Urtext steht nicht „zwei Wegstunden“, sondern „60 Stadien“, d. h. 11, 3 Kilometer. Es gibt tatsachlich eine bekannte Stadt, die Emmaus heißt, aber sie liegt 176 Stadien westlich von Jerusalem entfernt, d. h. 32 Kilometer. Das sind etwa 5 oder 6 Wegstunden. Und die zwei Jünger mussten diese Entfernung zwei Mal an einem Tag bewältigen. Denn gegen Abend – etwa 18 Uhr - sind sie in Emmaus angekommen und nachdem sie entdeckten, dass der Auferstandene mit ihnen das Brot brach, kehrten sie sofort nach Jerusalem zurück. Aber sie mussten Jerusalem erreichen, ehe die Stadttore von Jerusalem bei Dunkelheit zugeschlossen wurden. Das ist, zeitlich gesehen, völlig unmöglich, wenn sie in der Stadt Emmaus waren.

Wer voreilig ist, könnte auf die Idee kommen, dass Lukas keine Ahnung von der Landschaft von Judäa hatte, und dass es ihm auch egal war, wo Emmaus lag, weil seine Geschichte nicht als Tatsachenbericht gemeint war. Aber eine solche Schlussfolgerung wäre unbedacht.

Denn Bibelforschung und Archäologie machen immer wieder neue Entdeckungen. Und im Jahre 2001 wurden die Reste eines Dorfes entdeckt, das im ersten Jahrhundert Emmaus hieß. Dieses Dorf ist 8,5 Kilometer von Jerusalem entfernt. Wer von Jerusalem zu diesem Dorf läuft, braucht etwa anderthalb Stunden. Und die Entdeckung der Überreste von Emmaus hat deutlich gemacht, wie sorgfältig Lukas geschrieben hat.

Lukas erwähnt zwei Mal, dass Emmaus ein „Dorf“ war und er gibt die ungefähre Entfernung an. Es ist, als ob Lukas folgendes klarstellen wollte:

„Es gibt eine Stadt mit Namen Emmaus und es gibt ein Dorf, das so heißt. Ich meine nicht die Stadt, sondern das Dorf. Das Dorf ist nach meinen Kenntnissen etwa 11 Kilometer von Jerusalem entfernt.“

Es ergibt sich die Frage: wenn die Emmaus-Geschichte eine erfundene pädagogische Geschichte wäre, warum würde sich Lukas die Mühe geben, den Ort des Geschehens so sorgfältig zu beschreiben?

Viele haben es schon unternommen, Bericht zu geben von den Geschichten, die unter uns geschehen sind, wie uns das überliefert haben, die es von Anfang an selbst gesehen haben und Diener des Worts gewesen sind. So habe auch ich's für gut gehalten, nachdem ich alles von Anfang an sorgfältig erkundet habe, es für dich, hochgeehrter Theophilus, in guter Ordnung aufzuschreiben, damit du den sicheren Grund der Lehre erfährst, in der du unterrichtet bist.

Dass Lukas nur Kleopas erwähnt, ist ein Hinweis, dass dieser Kleopas die Quelle seiner Information ist. Lukas ist wie ein moderner Forscher, der eine Quellenangabe gibt, damit man seine Ergebnisse nachprüfen kann.

'Supper at Emmaus', Matthias Stom

Eine andere Spezialität von Lukas ist Körpersprache. In keinem anderen Evangelium erfahren wir so viel über die Körpersprache des Auferstandenen wie bei Lukas. In der Emmaus-Geschichte heißt es von Jesus: er kommt hinzu und geht mit ihnen, sie bleiben traurig stehen – Jesus bleibt mit ihnen stehen, er läuft mit, in Emmaus tut er so, als ob er weitergehen wollte, er sitzt am Tisch, er nimmt ein Brot, bricht es und verteilt es. Und später wird geschildert, wie Jesus ein Stück gebratenen Fisch vor den Augen der Jünger isst. Lukas schildert ausführlich die Körpersprache des Auferstandenen. Denn es geht darum, zu bezeugen, dass der Auferstandene körperlich anwesend war. Er war nicht bloß eine Vision, er war kein Gespenst, er war nicht bloß im Geiste anwesend, er war so anwesend, dass er eine lesbare Körpersprache hatte.

Aber was haben wir davon, dass der Auferstandene leibhaftig erschienen ist – denn diese Auferstehungserscheinungen waren nach 40 Tagen abgeschlossen?

Wir haben etwas davon, wenn wir uns in diese Auferstehungsberichte hineinversetzen. Denn auf diese Weise wird Christus für uns heute gegenwärtig, und zwar so gegenwärtig, dass er uns trösten kann.

Zum Beispiel: es wird von einem Mann in Schottland berichtet, der schwer krank war und bettlägerig. Er wurde von seinem Pfarrer besucht. Als der Besucher sich hinsetzte, merkte er, dass auf der anderen Seite des Bettes ein Stuhl stand. Er sagte zu dem Kranken: „Wie ich sehe, haben Sie schon Besuch gehabt“ – und deutete auf den Stuhl. Der Kranke erwiderte: „Ich muss Ihnen erklären, warum der Stuhl da steht. Vor einigen Jahren konnte ich nicht beten. Ich habe immer gekniet, als ich betete, aber ich war so müde von der Arbeit, dass ich oft beim Beten eingeschlafen bin. Und wenn ich wach blieb, konnte ich mich nicht konzentrieren: meine Gedanken wanderten überall hin. Eines Tages erzählte ich einem Pfarrer von meinem Problem und er sagte: ‚Sie brauchen nicht zu knien. Setzen Sie sich einfach hin und stellen Sie einen Stuhl gegenüber: stellen Sie sich vor, dass Jesus Ihnen gegenüber sitzt und reden Sie mit ihm wie mit einem Freund.’ Seitdem bete ich so.“ Eine Woche später kam der Pfarrer wieder, aber der Mann war gerade kurz vorher gestorben. Seine Tochter erzählte, dass er friedlich eingeschlafen war. Aber eine Sache konnte sie sich nicht erklären: Warum seine Hand auf dem Stuhl neben seinem Bett lag.

Hier sehen wir, welche Art Trost von den Auferstehungsberichten ausgeht. Für Kenner der Auferstehungsberichte ist die Anwesenheit Christi heute unter uns so gegenständlich wie ein Stuhl; und so fassbar wie Brot und Kelch. Dass der Auferstandene mit uns ist und mit uns bleibt ist keine Einbildung, denn er war als Auferstandener leibhaftig vor Augenzeugen erschienen. Die Leibhaftigkeit des Auferstandenen ist unser Trost im Leben und im Sterben.

Denn das Gebet der Jünger von Emmaus ist auch unser Gebet: „Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt.“ Auch wenn er nicht mehr sichtbar ist, ist Jesus mit uns bei jeder Mahlzeit, besonders bei dem Abendmahl. So wie Jesus am Tisch der Emmaus-Jünger saß, so sitzt er mit uns. So wie Jesus mit den Emmaus-Jüngern einen Weg ging, so geht er mit uns unsere Wege. Denn seine Verheißung lautete:

„Siehe, ich bin bei auch alle Tage bis an das Ende der Welt.“

Das Kunstwerk 'Der Gang nach Emmaus, Joseph von Führich, 1837' und dessen Reproduktion gehört weltweit zum "public domain". Das Bild ist Teil einer Reproduktions-Sammlung, die von The Yorck Project zusammengestellt wurde. Das copyright dieser Zusammenstellung liegt bei der Zenodot Verlagsgesellschaft mbH und ist unter GNU Free Documentation lizensiert.
Das Kunstwerk 'Supper at Emmaus', Matthias Stom ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.
Das Bild 'Das Abendmahl', Meister des Hausbuches, um 1480-1485, und dessen Reproduktion gehört weltweit zum "public domain". Das Kunstwerk ist Teil einer Reproduktions-Sammlung, die von The Yorck Project zusammengestellt wurde. Das copyright dieser Zusammenstellung liegt bei der Zenodot Verlagsgesellschaft mbH und ist unter GNU Free Documentation lizensiert.
Wir danken Frau Friedgard Habdank sehr herzlich, dass sie uns die Bilder ihres Mannes auf so großzügige und kostenlose Weise zur Verfügung gestellt hat.
© Galerie Habdank, www.habdank-walter.de

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