Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: „Himmelskönig, sei willkommen“ J. S. Bach (BWV 182) Die heitere Leichtigkeit des Glaubens

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Kantatengottesdienst für Palmsonntag:

„Himmelskönig, sei willkommen“ J. S. Bach (BWV 182) Die heitere Leichtigkeit des Glaubens

Gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2005

Es gibt in Nordamerika ein Unternehmen - inzwischen 80 Jahre alt - das für seine Backmischungen bekannt ist. Diese Backmischungen tragen den Produktnamen Betty Crocker. Es ist fast unmöglich, einen Monat in Amerika zu verbringen, ohne irgendwann und irgendwo einen Betty Crocker Kuchen zu essen – so verbreitet sind sie. Aber zuerst gab es einen Misserfolg. Als die ersten Kuchenbackmischungen verkauft wurden, war es für die Kunden sehr einfach: sie mussten nur Wasser dazutun, und das Ergebnis war ein perfekter, schmackhafter Kuchen. Aber eigenartigerweise: kaum jemand wollte dieses Produkt kaufen. Die Betty Crocker Firma konnte nicht verstehen, was hier falsch lief. Denn das Produkt war an sich hervorragend. Also haben sie die Kunden gefragt, was sie gegen diese Backmischung hatten. Und das Ergebnis dieser Befragung war überraschend. Es stellte sich heraus, dass die Backmischung unbeliebt war, weil sie zu einfach war. Wer einen Kuchen backt, will das Gefühl haben, dass er etwas dazu beiträgt. Daraufhin wurde die Backmischung geändert, so dass der Kunde außer Wasser auch zwei Eier dazu einmischen musste. Danach war das Produkt ein enormer Erfolg.

Hier offenbart sich etwas: die menschliche Natur sträubt sich gegen Vorgänge, die zu einfach sind.

Es gibt etwas Vergleichbares im Bereich des christlichen Glaubens. In seinem Kern ist Christsein etwas Einfaches – so einfach, dass ein Kind es nachvollziehen kann – es ist eigentlich zu einfach. Es ist wie bei der ursprünglichen Betty Crocker Backmischung: wenn etwas zu einfach ist, sträubt sich die menschliche Natur dagegen und manchmal wird die Schlichtheit unseres Glaubens deswegen verdrängt.

Denn vieles, was wir in der Kirche tun, ist anstrengend, mühsam, kompliziert und anspruchsvoll. Es ist sehr leicht, zu vergessen, dass der Kern unseres Glaubens buchstäblich kinderleicht ist.

Karl Barth, 1955

Karl Barth – einer der großen Theologen des 20. Jahrhunderts - hat diese Wahrheit einmal auf einer Vortragsreise bezeugt. Er besuchte eine Universität und der Saal war vollgepackt mit Stundenten, Professoren und Besuchern, die diesen großen Theologen erleben wollten. Nach dem Vortrag gab es eine Gelegenheit, Fragen zu stellen. Und ein Student meldete sich und fragte: „Dr. Barth, was ist die größte Wahrheit, die Sie je gelernt hatten?“ Barth senkte seinen Kopf, um nachzudenken. Dann schaute er hoch und sagte: „Die größte Wahrheit, die ich je gelernt hatte, lernte ich auf dem Schoß meiner Mutter. Sie lautet: „Jesus liebt mich; und das weiß ich, weil die Bibel es mir erzählt hat.“ So einfach lässt sich christlicher Glaube ausdrücken. Jesus vermittelt die Liebe Gottes – das wissen wir, weil die Bibel es uns erzählt hat - und wir brauchen diese Liebe einfach anzunehmen. So einfach ist das.

Scheinbar ist es zu einfach, um wahr zu sein. Und deswegen gibt es Menschen, die diese Botschaft ergänzen und verfälschen. Es ist wie bei der ersten unbeliebten Betty Crocker Backmischung. Man will das Gefühl haben, dass man etwas dazu beitragen kann. Die katholische Kirche scheint diese menschliche Eigenart zu verstehen. Ich weiß nicht, ob es immer noch so ist, aber in früheren Zeiten als die Beichte sich mehr in einem Beichtstuhl abgespielt hatte, bekam man nicht einfach die Vergebung zugesprochen, sondern man bekam eine Bußhandlung auferlegt: z. B. den Rosenkranz zweimal beten. Diese Aufgabe gab einem das Gefühl, an der Gnade Gottes beteiligt zu sein.

Aber bei uns Lutheranern sind solche Gedanken verboten. Bei uns gilt die Gnade allein – ohne menschliche Ergänzungen.

Johann Sebastian Bach, Elias Gottlob Haussmann, 1748

Johann Sebastian Bach war ein orthodoxer Lutheraner. Und in seinen Kantaten und Oratorien kommt immer wieder zum Ausdruck, dass christlicher Glaube ein schlichtes Empfangen der Gnade Gottes ist. Die Gnade wird empfangen durch ein andächtiges Hören und Annehmen. Die Musizierenden machen die Arbeit und die Gemeinde empfängt durch schlichtes Zuhören die Gnade. In der Kantate, die wir gerade gehört haben, heißt es zum Beispiel: „Himmelskönig, sei willkommen, lass auch uns dein Zion sein! Komm herein! Du hast uns das Herz genommen.“

Der Vorgang hier ist elementar. Der, der hier spricht, betrachtet im Geist den Einzug Jesu in Jerusalem und bittet Jesus, auch in sein Herz einzuziehen – ein einfacher Vorgang. Und dann heißt es später: „Jesu, lass durch Wohl und Weh mich auch mit dir ziehen! Schreit die Welt nur „Kreuzige!“, so lass mich nicht fliehen.“ Hier geht es darum, Jesus um Beistand zu bitten, damit man ihm treu bleibt, auch wenn die ganze Welt scheinbar gegen ihn ist. Hier könnte man feststellen, dass Christsein auch bedeuten kann, Gefahr und Widerstand auszuhalten. Aber trotzdem geht es hier um einen einfachen Vorgang: Der Christ betrachtet die Leidensgeschichte Jesu – so wie sie in der Bibel erzählt wird – und bittet Jesus: gib mir die Kraft, dir treu zu bleiben – ein Vorgang, den jedes Kind verstehen und nachvollziehen kann.

Es geht in dieser Kantate um das Geschenk des unvergänglichen Lebens, das die Zuhörenden andächtig empfangen. Der Text der Kantate versetzt den Zuhörer in die Passionsgeschichte und der Zuhörer nimmt einfach die Gnade und Liebe an, die Gott in Jesus innerhalb der Passionsgeschichte offenbart hat. Wie in dem Choral „Jesu deine Passion“ bezeugt wird: es geht um ein schlichtes Gedenken, es geht um die schlichte Annahme eines Geschenks. Und die Leichtigkeit dieses Vorgangs wird durch die Leichtigkeit der Musik untermauert: bei der Chorprobe gestern Nachmittag wurde der Chor immer wieder ermahnt, nicht an den Noten zu kleben, nicht zu laut zu singen und nicht schwerfällig zu singen, denn die heitere Leichtigkeit des Glaubens soll hier ausgemalt werden.

Cumba Meillandina

Wie es heißt:

„Jesu, deine Passion ist mir lauter Freude,
deine Wunden, Kron und Hohn meines Herzens Weide;
Meine Seel auf Rosen geht, wenn ich dran gedenke,
in dem Himmel eine Stätt uns deswegen schenke.“

Die Himmelsstätte wird geschenkt, die Annahme erfolgt durch Gedenken dessen, was Jesus für uns getan hat. Und das alles wird mit freudiger Leichtigkeit angenommen.

Aber ist das alles nicht zu leicht? Ist das nicht zu billig? Dietrich Bonhoeffer hat den Ausdruck “billige Gnade“ bekannt gemacht. Gibt es so etwas wie Gnade, die zu billig ist?

Es gab einen Pfarrer, der in seiner Gemeinde Minenarbeiter hatte. Einer von diesen Arbeitern sagte zu dem Pfarrer: „Ich würde alles geben, wenn ich an die Gnade Gottes glauben könnte, aber ich kann nicht glauben, dass Gott mir einfach meine Sünden vergibt, wenn ich mich ihm zuwende. Das ist zu billig.“ Der Pfarrer erwiderte: „Heute waren Sie bei der Arbeit. Sie waren tief unten in der Erde. Wie sind Sie hochgekommen?“ Der Minenarbeiter erwiderte: „So wie immer: ich stieg in den Aufzugkäfig und wurde hochgezogen.“ Dann kam die Frage: „Wie viel haben Sie bezahlt, um aus der Tiefe herausgeholt zu werden?“ Die Antwort lautete: „Ich habe nichts bezahlt.“ Dann fragte der Geistliche: „Hatten Sie keine Angst, sich ihr Leben diesem Aufzug anzuvertrauen. War das nicht zu billig?“ Der Mann erwiderte: „Nein! Für mich ist es zwar kostenlos, aber es hat die Firma viel Geld und Mühe gekostet, den Aufzug einzubauen.“ Und dann hat er erkannt, was der Geistliche ihm vermitteln wollte. Die Gnade, die wir empfangen, ist für uns – so zu sagen – kostenlos. Sie ist ein reines Geschenk. Aber die Voraussetzungen dafür, dass wir dieses Geschenk empfangen können, hat Gott in Jesus unermesslich viel gekostet: an Schweiß, Schmerz und Blut.

Ein Theologe hat folgendes dazu geschrieben: „Jesus ist in die Welt gekommen, um die Toten zum Leben zu erwecken. Die einzige Qualifikation, die man braucht, um das Evangelium zu empfangen, ist tot zu sein. Du musst nicht gebildet sein. Du musst nicht gut sein. Du musst nicht schlau sein. Du musst nicht großartig sein. Du musst nicht irgendetwas sein – du musst nur tot sein. Das ist alles.“ Und tot sein heißt in diesem Zusammenhang, von Gott entfremdet sein, denn Gott ist das wahre und einzige Leben – und von dem Leben entfremdet sind wir alle, bis wir das Geschenk der Gnade annehmen.

Möge Gott uns helfen, dass wir den schlichten Kern unseres Glaubens vor Augen behalten und dass wir uns nicht irritieren lassen, weil die Botschaft von der Liebe Gottes in Jesus scheinbar zu einfach ist, um wahr zu sein. Möge Gott uns helfen, die Worte Jesu zu glauben, der sagte: „Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“

Die Photographie von Karl Barth, 1955, wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.
Die Abbildung des Tortenstücks ist Freie Software. Sie darf weiterverteilt und/oder unter den Bedingungen der CeCILL verändert werden.
Das Portrait von Johann Sebastian Bach, Elias Gottlob Haussmann, 1748, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.

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