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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Weihnachten politisch korrekt

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Predigt: Weihnachten politisch korrekt

Gehalten von Pfarrer Phil Schmidt am Christfest 2006

'View from a balcony of Westlake Mall, Seattle, Washington, into Westlake Park at night, just before Christmas', 2007, Joe Mabel

Wer sind die kreativsten Menschen der heutigen Zeit? Ich habe den Eindruck, dass die kreativsten Personen der Welt die Fachleute sind, die für Stadtverwaltungen und Kaufhäuser arbeiten und scheinbar nichts anderes zu tun haben, außer über politische Korrektheit nachzudenken. Was Einfallsreichtum betrifft, sind diese Personen, die für Rücksichtnahme zuständig sind, nicht zu übertreffen. Und für diese Spezialisten ist Weihnachten eine besondere Herausforderung.

Zum Beispiel. Es gibt eine Stadt in England, Northampton , die – wie fast alle Städte in der westlichen Welt – Weihnachtsbäume an öffentlichen Plätzen aufstellt. Aber natürlich – wenn man auf alle Menschen Rücksicht nehmen will - darf man nicht von Weihnachtsbäumen sprechen – denn sonst könnten sich Juden, Muslime und Atheisten benachteiligt fühlen. Deswegen heißen die öffentlichen Weihnachtsbäume „festliche gartenbauliche Elemente“.

Es gibt in vielen Städten keine „Weihnachtslichter“ mehr, sondern „Feiertagslichter“. Für viele Stadtverwaltungen existiert Weihnachten nicht, sondern es gibt z.B. „die Winterfestzeit“. In einer Stadt in Nordamerika – St Albans, West Virginia – hat die Stadtverwaltung eine Krippenszene aufgestellt. Aber diese Darstellung heißt nicht Krippe, sondern „ein Platz für Tiere“. Maria und Joseph sind nicht zu sehen. Und eine Zeitlang gab es auch kein Kind in der Krippe. Nach Protesten wurde dann doch ein Kind aus Kunststoff in die Krippe gelegt, aber der Bürgermeister wagte es nicht, diesem Säugling einen Namen zu geben; er redete nur von einem namenlosen „Baby“. Offenbar betrachtete er es als politischen Selbstmord, den Namen des Kindes in der Krippe auszusprechen.

Aber was politisch korrekte Krippen betrifft, ist die Spitzenleistung in einer Kaufhauskette in Großbritannien zu finden. Dort wurden Krippen verkauft. Und diese Krippen enthalten alles, was zu einer Krippe normalerweise gehört: Maria, die Hirten, die Weisen, Ochse und Esel und sogar ein Kind. Aber eine Gestalt fehlt: nämlich Joseph. Und er fehlt deswegen, weil diese Kaufhauskette Rücksicht nehmen will auf die vielen alleinerziehenden Mütter und vaterlose Familien. In einer Erklärung dazu heißt es: „Wir wollen unseren Kunden die Krippen bieten, die ihren Bedürfnissen entsprechen.“

Es ist eine Ironie des Schicksals, dass die Vertreter dieser politischen Korrektheit – ohne es zu wissen oder zu wollen – auch Vertreter einer theologischen Korrektheit sind. Denn in der kirchlichen Kunst wird Joseph entweder an den Rand gedrängt oder er ist sogar nicht zu sehen. Joseph wurde von Darstellungen der Geburt Jesu beiseite gestellt oder ausgeklammert, um deutlich zu machen, dass er bei dieser Geburt keine Rolle gespielt hatte. Denn die Abwesenheit Josephs verkündet indirekt die Jungfrauengeburt.

'Portal de Belén', 2008, MiguelAngel fotografo

Bei dem Begriff „Jungfrauengeburt“ gibt es eine Menge Leute, die sagen: Halt, das geht mir zu weit, das kann ich nicht ernst nehmen. Es ist aber nicht zu leugnen, dass die Geburt Jesu durch eine Jungfrau ein wesentlicher Anhaltspunkt der christlichen Verkündigung ist.

Zum Beispiel: der Nachrichtensender CNN hat einen Journalisten, Larry King, der auf das Befragen von Prominenten spezialisiert ist. Einmal wurde er gefragt: „Wenn Sie eine historische Person befragen könnten – eine Person aus der ganzen Menschheitsgeschichte – welche Person würden Sie aussuchen? Larry King erwiderte, dass er am liebsten ein Interview mit Jesus Christus machen würde. Daraufhin wurde er gefragt, was er Jesus fragen würde. Und der Journalist antwortete: „Ich würde ihn fragen, ob er tatsächlich von einer Jungfrau geboren ist. Die Antwort auf diese Frage würde für mich die Menschheitsgeschichte definieren.“

Die Jungfrauengeburt ist tatsächlich ein unerlässlicher Anhaltspunkt, um Jesus Christus zu begreifen. Aber es geht nicht in erster Linie um die Frage, ob ein gynäkologisches Wunder eingetreten ist. Bei dem Begriff Jungefrauengeburt sollte man nicht zuallererst an Biologie oder Gynäkologie denken. Denn es geht um das Geheimnis der Menschwerdung Gottes.

Thomas von Aquin hat dazu folgendes gesagt: „Um deutlich zu machen, dass der Leib Christi ein wahrhaftiger Leib war, ist er von einer Frau geboren. Um seine Gottheit deutlich zu machen, ist er von einer Jungfrau geboren.“ Die Initiative für diese Menschwerdung Gottes ging allein von Gott aus, nicht von Joseph. Gott ist der Schöpfer dieses Wunders, nicht Joseph. Deswegen hat es eine theologische Richtigkeit, wenn eine Kaufhauskette in England Krippen verkauft, bei denen Joseph fehlt. Er spielt bei der Menschwerdung Gottes nur eine Nebenrolle; ob er eine naturbedingte Rolle gespielt hat oder nicht, darf eine offene Frage bleiben.

Und es geht hier nicht bloß um abstrakte theologische Dogmen. Sondern um etwas Elementares. Worum es geht, lässt sich am besten durch eine kleine, wahre Begebenheit veranschaulichen. Ein Großvater besuchte sein Enkelkind. Das Kleinkind war in einem Laufgitter untergebracht, denn es war noch nicht alt genug, um alle Gefahren zu erkennen, die in einer Wohnung vorkommen. Allerdings war der Junge nicht damit einverstanden, so eingesperrt zu sein, und er weinte, weil er frustriert war. Als er seinen Opa sah, flehte er den Opa an, ihn zu befreien, damit er sich frei bewegen könnte. Der Großvater wusste, dass es besser für das Kind wäre, seine Begrenzungen zu lernen. Also hat er ihn nicht herausgeholt. Aber weil das Schreien seines Enkels für ihn herzzerreißend war, stieg er in das Laufgitter hinein, um bei seinem Enkel zu sein und ihn zu trösten.

Und genauso hat Gott gehandelt. Gott hat das Schreien der Menschheit gehört. Und seine Antwort auf dieses Schreien ist nicht, dass er Menschen aus ihren Problemen herausholt, sondern dass er zu uns kommt, damit er bei uns ist und an unserem Leben teilnimmt. Aber Gott ist nicht mit seiner vollen Größe zu uns hinabgestiegen, - wie der Großvater es tat - sondern er hat sich klein gemacht - er ist Kind geworden - und hat damit unsere Begrenzungen und die Enge unseres Lebens angenommen. Denn nur so konnte er eine Beziehung zu allen Menschen herstellen. Denn niemand soll von einer Beziehung mit Gott ausgeschlossen werden.

Und das erinnert an die Vertreter der politischen Korrektheit. Sie wollen Rücksicht nehmen auf Juden, Muslime, Minderheiten und Atheisten, denn ihr Motto lautet: „Niemand soll sich ausgeschlossen fühlen.“ Das Ergebnis einer übertriebenen Rücksichtnahme ist manchmal absurd. Aber in einer Hinsicht haben diese Fachleute für politische Korrektheit der Weihnachtsbotschaft entsprochen. Denn Gott ist als Mensch in die Welt gekommen, damit er zu allen Menschen eine Beziehung herstellt: niemand soll sich ausgeschlossen fühlen, denn es geht Gott um die gesamte Menschheit – auch um Juden, Muslime und Atheisten

Wie der Engel auf dem Hirtenfeld verkündete: „Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird. Das gesamte Volk ist gemeint: Juden, Atheisten, Verräter, Feiglinge, Fanatiker, Aussätzige, Blinde, Zöllner, Kinder, Greise und sogar diejenigen, die tot und begraben sind. Niemand soll von der Freude ausgeschlossen werden, die Gott durch seine Menschwerdung eingeleitet hat. Niemand ist ausgeschlossen – das ist politisch und theologisch korrekt.

Die Photographie 'Portal de Belén', 2008, MiguelAngel fotografo, wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.
Die Photographie 'View from a balcony of Westlake Mall, Seattle, Washington, into Westlake Park at night, just before Christmas', 2007, Joe Mabel, wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.

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