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Predigten von Pfarrer Martin Vorländer: Ostersonntag – Auferstehung mitten im Leben 1. Samuel 2, 1-2.6-8 a

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'happiness', 2008, Camila

Ostersonntag

Auferstehung mitten im Leben
1. Samuel 2, 1-2.6-8 a


Predigt gehalten von Pfarrer Martin Vorländer am 08. April 2012 in der Bergkirche

Liebe Gemeinde!

Stoß-Halleluja!

„Halleluja! Gott sei Dank!“ oder auch einfach „Hurra! Juchhu! Yipiiiieh!“ So klingen die Stoßseufzer, die spontanen Ausrufe der Erleichterung, wenn eine brenzlige Situation gut ausgegangen ist, wenn einem ein Todesschrecken in die Glieder gefahren ist, aber man doch noch heil davon gekommen ist. „Halleluja! Gott sei Dank“ Das kann auch der Freudenjubelschrei sein, wenn eine lange, bange Zeit mit Belastung und großer Sorge endlich vorbei ist. Ein Stein schwer wie ein Grabstein fällt einem vom Herzen. Eine Last, die einen niedergedrückt hat, ist auf einmal weg. Man fühlt sich wie ein Freigelassener der Schöpfung, als ob einem das Leben wieder geschenkt worden wäre. „Halleluja!“ Man könnte die ganze Welt umarmen vor Freude.

Herzsprung

Die Erlösung aus schweren Zeiten ist körperlich spürbar und sichtbar. Vorher verkrampfte Schultern sind auf einmal wieder gelöst. Angespannte Schläfen werden glatt. Der vorher nervöse, gehetzte Blick weitet sich. Die Augen strahlen vor Freude. Der Kopf, vorher meist geknickt, hebt sich. Der ganze Mensch steht auf. Man spürt Erlösung und Erleichterung bis ins Innere: Das Herz scheint in der Brust zu jubeln und Freudensprünge zu machen.

Ostern und Gesang

Man möchte vor Freude singen, ob man singen kann oder nicht, ob die anderen es hören wollen oder nicht. Jubellieder vor lauter Erlösung gehören zu Ostern. Ostern und Gesang gehören einfach zusammen. Darum ist es nicht überraschend, dass für die Osterpredigt in diesem Jahr ein Lied aus der Bibel ausgesucht ist. Überraschenderweise ist es das Lied von einer Frau, die von Ostern noch gar nichts wusste. Gut 1000 Jahre vor Christi Geburt singt Hanna, so heißt die Frau, ihren Psalm. Und doch klingt dieser Psalm aus dem Alten Testament wie ein Osterlied. Denn Hanna singt von Auferstehung mitten im Leben. Sie singt davon, dass sie wie tot war und Gott sie lebendig gemacht hat.

'Anne, femme d'Elqana et mère de Samuel', Xe siècle, Inconnu

Hannas Lied

„Mein Herz ist fröhlich in dem HERRN, mein Haupt ist erhöht in dem HERRN. Mein Mund hat sich weit aufgetan wider meine Feinde, denn ich freue mich deines Heils Es ist niemand heilig wie der HERR, außer dir ist keiner, und ist kein Fels, wie unser Gott ist.

Der HERR tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf. Der HERR macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht.

Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche, dass er ihn setze unter die Fürsten und den Thron der Ehre erben lasse. Denn der Welt Grundfesten sind des HERRN, und er hat die Erde darauf gesetzt.“ 1. Samuel 2, 1-2.6-8

Verschlossen, abgeschnitten

Worüber jubelt und singt Hanna? Ein Kind hat sie zur Welt gebracht: den kleinen Samuel (das heißt übersetzt „der Erbetene, der Ersehnte“). Sie, die lange kinderlos geblieben war, hatte sich schon ohne Nachwuchs alt werden sehen. In der Bibel heißt es: Gott hatte ihren Leib verschlossen. Sie war wie abgeschnitten, fruchtlos, kinderlos. Kein leichtes Schicksal im alten Israel. Kein leichtes Schicksal für Paare heute, die sich ein Kind ersehnen und trotz aller Versuche keines bekommen.

Kränkung

Die biblische Hanna war untröstlich. Ihr Mann Elkana machte ihr zwar eine Liebeserklärung nach der anderen: „Bin ich dir nicht mehr wert als zehn Söhne?“ Doch auch das erreicht Hanna nicht . Täglich hat sie ihre Situation vor Augen: Ihr Mann Elkana hatte mit seiner Zweitfrau, damals durchaus üblich, schon mehrere Kinder. Diese Zweitfrau, Peninna mit Namen, machte der kinderlosen Hanna das Leben zur Hölle. Sie stichelte, so berichtet es die biblische Erzählung kurz und bündig. Man kann es sich lebhaft vorstellen, das scheinheilige „Schau doch mal, was mein Kleiner schon kann! Und? Wann ist es bei dir denn endlich soweit?“ Dann weinte Hanna, aß nichts und betete so lange im Tempel mit lautlos lallenden Lippen, dass der Priester sie schon für betrunken hielt.

'Lamentations 2:11-12. A mother grieving over the death of her child in her arms', 1796, Phillip Medhurst

Klagelieder

Das Klagelied, das die betende, weinende Hanna singt, das kennen wir. Das kennen viele Menschen. „Gott hatte ihren Leib verschlossen“, heißt es von Hanna. Verschlossen. Wie abgeschnitten. Kein Leben geben können, kein Kind gebären können. Im weiteren Sinn nicht fruchtbar sein können mit dem, was man geben möchte, aber nicht geben kann. Schmerzlich spüren, was alles fehlt zu einem erfüllten Leben. Leiden an dem, was einen innerlich abschließt und vom Leben ausschließt. Ein Klagelied singt die Frau, die krank ist an Leib oder Seele; einer, der die Belastungen seines Alltags nicht mehr ertragen kann; eine, die nicht mal mehr das Nötigste zum Leben hat, auf Luftschächten schläft. Einer, der sich nach dem Tod seiner Frau nur noch halb fühlt. Der stumme Schrei von Eltern, die den Tod ihres Kindes betrauern. Welches sehnsüchtige Lied nach Frieden singt ein Soldat in Afghanistan, welches Lied nach Freiheit eine Frau in Syrien? Unsere Osterlieder wären bloß ein triviales Heile-Welt-Geträllere, wenn wir nicht die Klagelieder von Karfreitag kennen und beim Namen nennen würden.

Beten

Die biblische Hanna erlebt sozialen Tod mitten im Leben. Sie ist über die Jahre betrübt geworden, aber sie gibt nicht auf. Nein, sie betet, feilscht mit Gott, verspricht, dass das Kind, das sie erfleht, Gott geweiht sein soll. Beten gehört zu unseren großartigen Möglichkeiten, Leben zu erbitten und ihm zum aufrechten Gang zu verhelfen. Wir können und sollen tun, was in unserer Macht steht. Und zugleich dürfen wir unser Leben im Gebet Gott anvertrauen. Warten und erwarten, was von Gott kommt.

Und Hanna singt

Hanna erwartet etwas von Gott. Sie steht auf. Sie macht einen Aufstand. Und das Wunder geschieht. Schließlich, nach vielen Tränen und Gebeten ein Kind. Nun ist es da. Ihr Fleisch und Blut. Und Hanna singt, so wie Maria, die Mutter Jesu 1000 Jahre später singen wird: „Mein Herz ist fröhlich, mein Haupt ist erhöht, denn ich freue mich deines Heils. Der HERR tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf. Der HERR macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht. Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche.“

Raus aus den Gräbern

Der Lebensknoten hat sich gelöst. Der Schatten, der ein ganzes Leben verdunkelt hat, ist gewichen und hat dem Licht Platz gemacht. Vor Freude überfließendes Lebensgefühl: „Ich bin heil. Ich bin erlöst. Ich lebe.“ So ist Auferstehung. Auferstehung mitten im Leben mit einem großen Hymnus wie dem von Hanna. Auferstehung wie der Stoßseufzer „Halleluja! Gott sei Dank!“ Auferstehung dann einmal zum ewigen Leben, das wir jetzt schon für unsere Verstorbenen erhoffen, das wir für uns, die wir leben, ersehnen.

Täglich auferstehen

Nicht jeder unserer Klagegesänge wird so beantwortet, wie wir uns das vorstellen. Und dennoch leben wir von österlichen Wundern, die uns täglich geschenkt werden: Von der Liebe eines Menschen, von Freundschaft und vertrauensvoller Zusammenarbeit, von gemeinsamem Lachen oder Weinen, davon, dass wir jeden Tag auf-er-stehen, am Morgen erwachen und uns am Abend schlafen legen können, dass wir essen und trinken. Das alles ist ganz und gar nicht selbstverständlich. Ostern öffnet die Augen für die vielen Auferstehungen.

'Den første støvsuger model til husholdningsbrug fra Fisker & Nielsen C5 modellen', 1912, Nilfisk-Advance

Wann singen Sie?

Zum Abschluss eine Frage: Wann singen Sie? Natürlich in der Kirche – lauthals oder Sie summen und brummen ein bisschen mit. Vielleicht auch unter Dusche oder in der Badewanne. Da ist Akustik so schön. Zum Autoradio oder auf dem Fahrrad, da ist man im Verkehrslärm so herrlich für sich. Ich habe von einer weiteren, sehr schönen Gelegenheit gelesen, um zu singen: Versuchen Sie es doch einmal beim Staubsaugen. Der Motor heult und rauscht, so dass man ihn in der ganzen Wohnung hört. Er macht auf sich aufmerksam, als wollte er sagen: Staub ist überall, unter den Betten und auf den Regalen, unter dem Teppich und auf den Lampen.

Die Wahrheit des Staubsaugers

Auf nichts kann man sich so verlassen wie auf den wiederkehrenden Staub. Staub ist wie ein Symbol für unsere Vergeblichkeit und Vergänglichkeit. Der Staubsauger wird nicht arbeitslos. Er kann heulen und sein altes Lied singen. Welches? „Erde zur Erde, Asche zur Asche, Staub zu Staub." Tausendfach wiederholt. Du bist Erde und sollst zur Erde werden, du Pflanze, du Tier, du Mensch. Der Staubsauger heult diese Wahrheit in die Ohren.

Vom Staube befreit

Wer von Ihnen singt beim Staubsaugen? Zu dem unablässigen Brummen kommt fröhlicher Gesang. Es ist zugegeben ein seltsames Duett, das da ertönt. Was kann man bei dieser Tätigkeit singen? Jetzt zur Zeit des Frühjahrsputzes passen natürlich Frühlingslieder. Oder eine Eigenkomposition frei nach Goethe: „Vom Staube befreit.“

Lied über den Staub

Auch Hanna singt ihr Lied gegen den Staub: „Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche.“ Hannas Lied klingt weiter in unseren Osterliedern, die man jedem Staubkorn entgegen schmettern kann: „Auf, auf, mein Herz mit Freuden, nimm wahr, was heut‘ geschicht.“ Der Brummton des Staubsaugers bleibt uns erhalten. Doch darüber erhebt sich der Osterjubel: „Nimm das, Staub: Du wirst nicht siegen. Wir werden auferstehen!“ So begehen wir Auferstehung im Alltag. Denn schließlich gilt heute und an allen Tagen: „Christus ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden!“ Amen.

Die Photographie 'happiness', 2008, Camila, ist unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung 2.0 US-amerikanisch (nicht portiert) lizenziert.
Die Miniatur 'Anne, femme d'Elqana et mère de Samuel', Xe siècle, Inconnu, ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.
Das Bild 'Lamentations 2:11-12. A mother grieving over the death of her child in her arms', 1796, Phillip Medhurst, is free; you can redistribute it and/or modify it according to terms of the Free Art License. You will find a specimen of this license on the Copyleft Attitude site as well as on other sites.
Die Photographie 'Den første støvsuger model til husholdningsbrug fra Fisker & Nielsen C5 modellen', 1912, Nilfisk-Advance, ist unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported lizenziert.

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