Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Martin Vorländer: 1. Sonntag nach Epiphanias - Unter welchem Stern wandern wir ins neue Jahr?

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Die Drei Könige - Ausschnitt aus Nordfenster von Charles Crodel, Dreikönigskirche

1. Sonntag nach Epiphanias

Unter welchem Stern wandern wir ins neue Jahr?


Predigt gehalten von Pfarrer Martin Vorländer am 09. Januar 2011 in der Dreikönigskirche

Horoskope

Januar – der erste Monat des neuen Jahres. Hochzeit für Horoskope. 2011, so lese ich, zeigt sich von seiner schönsten Seite. Venus sorgt dafür, dass einige Wünsche konkrete Formen annehmen. Jupiter hält Aha-Erlebnisse bereit, Mars lässt es knistern und Jupiter steigert Flirtchancen. Uranus hilft, meine Möglichkeiten zu entfalten und dann zur Ruhe zu kommen. Ansonsten soll ich mich viel draußen aufhalten, weil ich mich in der freien Natur erden und die Hektik des Alltags hinter mir lassen kann. Gespielt wird mit Sorgen und Sehnsüchten, die wir alle haben. Erfolg im Beruf, Liebe, Gesundheit – das sind große Themen, die einen immer beschäftigen. Klar würde ich manchmal gerne einen Blick in meine Zukunft werfen oder zumindest einen Funken Orientierung bekommen, was mir bevorsteht. Aber mein Leben danach richten, was sich manch fantasievoller Schreiber in Zeitschriften ausgedacht hat – bestimmt nicht! Und doch: Es ist faszinierend, in den Nachthimmel zu schauen und Verbindungen zwischen den Sternen zu entdecken. Manche meinen, der Himmel würde sich in der Erde spiegeln und die Erde im Himmel. Ob man in den Sternen lesen kann wie in einem aufgeschlagenen Buch?

Sterndeuter

In dem Evangelium, das die Epiphaniaszeit einleitet, treten genau solche auf, die versuchen, in den Sternen zu lesen. Die Bibel nennt sie „Magier“, Weise aus dem Morgenland. Menschen also, die die Geheimnisse des Universums erforschen wollen, die den Himmel beobachten, um die Konstellation der Sterne zu deuten. Nacht für Nacht schauen sie auf das Blinken und Blitzen am Firmament, tragen die Route der Planeten in Sternkarten ein und suchen nach Zusammenhängen: Warum bewegen sich die Gestirne und hat das eine Auswirkung für uns auf der Erde? Jeder Mensch hat seinen eigenen Stern, glaubten einige damals. Wenn man geboren wird, erscheint er am Himmel. Und er erlischt, wenn das Leben dieses Menschen zu Ende geht. Was hat das dann zu bedeuten, wenn auf einmal ein Stern auftaucht so hell, wie die Sterndeuter ihn noch nie gesehen haben? Was für ein Mensch ist da geboren? Dieser eine Stern hat die Weisen so fasziniert, dass sie ihre Sternwarte verlassen und ihm nachgehen. Die Magier haben eine weite Reise vor sich. Dreikönigstag war vor drei Tagen. Erlauben Sie, dass ich in meinem ersten Jahr in Dreikönig noch einmal mit Ihnen einen Blick auf die drei Könige werfe. Hören Sie, was der Evangelist Matthäus in der Bibel von ihrem Weg erzählt:

Der Nachhimmel über Bethlehem im Jahre 7 vor der Zeitrechnung: Jupiter und Saturn im Sternzeichen der Fische, PSch

Der Nachhimmel über Bethlehem im Jahre 7 vor der Zeitrechnung: Jupiter und Saturn im Sternzeichen der Fische, PSch

Die Weisen aus dem Morgenland

Als Jesus geboren war in Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten. Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem, und er ließ zusammenkommen alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden sollte. Und sie sagten ihm: In Bethlehem in Judäa; denn so steht geschrieben durch den Propheten: „Und du Bethlehem im jüdischen Lande bist keineswegs die kleinste unter den Städten in Juda; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll.“ Da rief Herodes die Weisen heimlich zu sich und erkundete genau von ihnen, wann der Stern erschienen wäre, und schickte sie nach Bethlehem und sprach: Zieht hin und forscht fleißig nach dem Kindlein; wenn ihr’s findet, so sagt mir’s wieder, dass ich auch komme und es anbete. Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war. Als sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut und gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe. Und Gott befahl ihnen im Traum, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren; und sie zogen auf einem andern Weg wieder in ihr Land. Matthäus 2, 1-12

Es steht in den Sternen

Ein Stern, der wandert und den Weg zeigt. Ein böser König und ein kleines Kind. Weise Männer, denen Gott im Traum erscheint. Historisch lässt sich nicht beweisen, ob es damals bei der Geburt von Jesus so gewesen ist. Man kann nachvollziehen, dass es um das Jahr 7 vor Christus herum eine besondere Sternenkonstellation gegeben hat. Jupiter, der Königsstern, und Saturn, der Stern des Sabbats, also der Stern, der auf das Volk Israel verweist, haben sich in ihren Laufbahnen so überschnitten, dass sie von der Erde aus wie ein großer Stern ausgesehen haben könnten. Aber ob das der Stern von Bethlehem gewesen ist? Wir wissen es nicht. Darum geht es dem Evangelisten Matthäus auch gar nicht. Er will kein historisches Geschichtsbuch schreiben. Er will von Jesus Christus erzählen und zeigen: In diesem Menschen Jesus ist uns Gott selbst erschienen. Jeder kann das von Anfang an sehen, wenn er Augen hat für das Wunder, das da geschehen ist. Es stand sogar in den Sternen, so dass sich Heiden aus großer Ferne bis ins kleine Bethlehem aufgemacht haben, um den neu geborenen König zu sehen.

Gute Miene zum bösen Spiel

Die Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland erzählt von einer Glaubens- und Lebensreise. Welchem Stern folgen wir? Haben wir ihn immer im Blick? Was ist, wenn wir uns auf unserer Glaubens- und Lebensreise verlaufen?
Unsere Himmelsdeuter geraten erst einmal an den Falschen. Sie suchen den neu geborenen König, den sie hinter dem Stern vermuten, in Jerusalem. Logisch: Wo könnte ein neuer Herrscher zur Welt kommen – wenn, dann natürlich in der Hauptstadt! Also fragen sie sich durch und kommen bis vor den König Herodes. Selbst wenn man wie die Weisen einen Stern vor Augen hat, scheint man vor Irrtümern und Umwegen nicht gefeit zu sein. Die verschlungenen Pfade, die wir im eigenen Leben schon eingeschlagen haben, können also trotzdem zum Ziel führen. Wie oft sucht man das Richtige am falschen Ort, steuert das vermeintlich Große an, dabei findet sich Erfüllung ganz woanders, als man vermutet hat. Und auch die falschen Leute, an die man gerät, können einen richtigen Rat geben. So erzählt es unser Bibelwort.

Hohler Herrschaftsanspruch

Herodes ist der doppelt falsche König. Er ist nicht der, dessen Stern im Aufgehen ist. Er macht gute Miene zum bösen Spiel. Herodes versteht sofort, was die Frage der ausländischen Weisen nach dem neu geborenen König bedeutet: Konkurrenz für seinen Thron! Seine Herrschaft ist bedroht. Der Potentat fürchtet sich vor einem Baby. Angst um seine Macht hat, wer weiß, dass er kein wahrer König ist, kein guter Chef, Lehrer, weil er den ihm Anvertrauten nichts Gutes tut. Ihm fehlt innere Souveränität. Darum versucht er seine Herrschaft durch äußere Terrormittel zu sichern. Aber schon die Nachricht von der Geburt eines Kindes bringt ihn ins Wanken. Es ist das alte Spiel, das sich bis heute wiederholt. Egal ob in der Politik, in Unternehmen, in der Schule oder bis in Familien hinein: Einer hängt an seiner Macht. Er merkt selbst, dass sein Herrschaftsanspruch innerlich hohl geworden ist. Umso mehr verteidigt er seinen Stuhl mit Zähnen und Klauen, mit Hauen und Stechen. Damit zieht er für alle Beteiligten eine Leidensspur hinter sich her.

Mörderischer Plan

Herodes fasst einen mörderischen Plan. „Zieht hin und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr’s findet, so sagt mir’s wieder, dass auch ich komme und es anbete“, sagt Herodes zu den Weisen - ebenso süßlich wie scheinheilig. Er macht die Fremden aus dem Morgenland, ohne dass sie es bemerken sollen, zu seinen Informanten. Sie sollen das Kind für ihn finden, angeblich, weil auch er es anbeten will. In Wahrheit will er es liquidieren, ehe es ihm gefährlich werden kann.

Blick hinter Palastfassaden

Die Bibel beschreibt die Wirklichkeit so herb und bitter, wie sie sein kann. Abgründe werden gezeigt, die sich hinter trügerischem Schein verbergen. Menschen sind nicht immer, was sie vorgeben zu sein. Sie versuchen, andere zu manipulieren und für ihre zwielichtigen Zwecke einzuspannen. Für Macht geht Herodes über Leichen. Er denkt. Doch Gott lenkt. Sobald die Magier Jerusalem verlassen haben, leuchtet der Stern wieder auf und geht ihnen voran, bis er über dem Ort steht, an dem das Kind geboren ist. Sie sehen ein armseliges Kind, halb obdachlos, in einer Notunterkunft, so wie heute viele Kinder in bedrückende Umstände hinein geboren werden.

Vom Himmel hoch genommen?

Die Morgenländer könnten sich vom Himmel hoch genommen fühlen: Das soll der neu geborene König sein? So viel Aufwand im Universum für diese bescheidene Szene? Doch kein Gedanke davon bei den Weisen, vielmehr umwerfende Freude über das, was sie endlich gefunden haben. Alle destruktiven Mächte auf ihrem Weg konnten ihnen nichts anhaben, weil sie dem Stern gefolgt sind. Im Kind in der Krippe entdecken sie, wer wirklich mächtig ist: die Liebe, die Himmelmacht, die allen Herodessen dieser Erde zum Trotz zur Welt gekommen ist. Sie fallen nieder und beten das Kind an. Große Männer beugen ihre Knie vor dem Kleinen. Das steht ihnen gut an. Sie bringen ihm wie einem echten König kostbare Geschenke: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Der Kirchenvater Thomas von Aquin hat diese drei Geschenke gedeutet: Gold für die Armut der Eltern, Myrrhe für die Gesundheit des Kindes und den Weihrauch, um den tierischen Gestank im Stall zu vertreiben. Martin Luther hat die Geschenke in die Gegenwart übersetzt: Gold, Weihrauch und Myrrhe sind wie Glaube, Hoffnung, Liebe.

'Schwetzingen Heilige drei Könige', 3268zauber

Geschenke

Die kann jeder von uns dem Kind in der Krippe schenken. Gold, Weihrauch und Myrrhe – diese Gaben symbolisieren, was der erwachsene Jesus lebt und lehrt: Einen Menschen selbst unter den Hüllen von Staub und Erbärmlichkeit goldig zu finden, ihn oder sie als wahres Goldstück zu entdecken. Jesus sieht bei den Menschen, denen er begegnet, dass sie nach dem richtigen Weg suchen, auch wenn sie sich kräftig verrannt haben. Nie wird er einen von uns achtlos abtun. Er sucht nach den Spuren von Sternenstaub und Gold im Herzen eines jeden, einer jeden von uns.

C-M-B

Die erleuchteten Magier haben nachträglich Namen bekommen: Caspar, Melchior und Balthasar. C – M – B. Die drei Buchstaben werden in den Tagen um Dreikönig herum mit Kreide auf Wohnungstüren und auf Querbalken über Eingänge geschrieben. Man kann dahinter die Anfangsbuchstaben der Namen der Weisen vermuten. C – M - B. Aber eigentlich ist es ein lateinischer Segenswunsch: „Christus mansionem benedicat“ – „Christus segne dieses Haus.“ Eine Kurznachricht, älter als jede sms. Sie erinnert daran, dass der Segen von Weihnachten nicht vorbei ist, wenn der Tannenbaum entsorgt und die Kerzen abgebrannt sind. Der Glanz vom Christfest, der Stern über dem Stall leuchtet weiter. Tagaus, tagein, wenn man zur Tür hinausgeht in die Welt und über die Türschwelle wieder nach Hause kommt, egal ob abgekämpft und beladen oder fidel und leichtfüßig – jeder Tag, jeder Ausgang und Eingang steht unter dem Segen Gottes. Liebe Schwestern und Brüder, unter welchem Stern wandern wir in das neue Jahr? Auf welche Irrwege und Umwege geraten wir? Was für Gefahren lauern auf der Reise? Wer ist mit uns unterwegs: Echte Weggefährten oder solche, bei denen wir nicht wissen, was sie im Schilde führen?

Der Stern der Gotteshuld

In einem Weihnachtslied von Jochen Klepper heißt es: „Noch manche Nacht wird fallen auf Menschen Leid und Schuld. Doch wandert nun mit allen der Stern der Gottes Huld.“ Mit Weihnachten ist nicht alles Dunkel vertrieben. Die Geschichte von den Weisen macht klar, welche Schatten auf der Welt liegen und welche Erleuchtung sie braucht. In unser privates und in das gesellschaftliche, in das globale Dunkel hinein leuchtet Gottes Licht. Sein Stern geht vor uns her. Wenn wir weise sind, folgen wir ihm. Dann kommen wir dort an, wo das Leben spielt. Amen.

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