Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Prädikantin Karin Kehr: Phil 2, 5-11 Jesus Christus ist der Herr

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'Inscription on stone cross in, Rhineland, Germany'

Palmsonntag

Jesus Christus ist der Herr Phil 2, 5-11

Predigt gehalten von Prädikantin Karin Kehr am 28. März 2010

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.

Amen.

Liebe Gemeinde,

Es lebte einmal ein alter König. Er hatte den Ehrgeiz, als großer und weiser Herrscher in die Geschichte einzugehen. Seine Geschichtsschreiber mussten ihm vortragen, was er in seiner Regierungszeit großes geleistet hatte. Wie Höflinge nun einmal sind, versuchten sie dem König zu umschmeicheln und seine Taten ins günstigste Licht zu stellen. Trotz seines Ehrgeizes war der König klug genug, seine höfischen Geschichtsschreiber zu durchschauen. Er beschloss darum, sich unters Volk zu mischen, um zu erfahren, was seine Untertanen so dächten.

Sein erster Minister hatte große Bedenken, als er von den Plänen des Königs hörte. Schließlich konnte er den König überreden, dass man sich zwar verkleiden könne, aber dass auch eine verkleidete Leibwache folgen solle. Jetzt fehlte nur noch die Kleidung. Man beschloss, als Handelsvertreter verkleidet unter das Volk zu gehen.

Zum ersten Mal in seinem Leben kam nun der König unter die einfachen Leute in seinem Königreich. Es war eine völlig andere Welt für ihn: von den Sorgen des kleinen Mannes ums tägliche Brot hatte er niemals gehört und konnte er nicht verstehen; die Angst der Bürger vor der Willkür der Polizei und der Behörden war ihm unbekannt. Dann sprachen die Menschen auch eine andere Sprache als er sie vom Hofe her kannte. Unzufrieden kehrte er zum Palast zurück. Wie gut, dass er die Leibwache bei sich hatte. Als nämlich die Schlosswache den König und seinen Ersten Minister nicht einlassen wollte, sorgte der verkleidete Offizier der Leibwache durch sein schneidiges Auftreten dafür, dass sich dann doch schleunigst das Palasttor für den König öffnete. Wieder trennten dicke Mauern den König und sein Volk.

An diese Erzählung muss ich immer wieder denken, wenn ich im Fernsehen Bilder sehe, wie Regierungspräsidenten eines Landes mit dem Hubschrauber in ein Katastrophengebiet geflogen werden, mit den Menschen vor Ort sprechen und wieder davongeflogen werden.

Können sie sich wirklich in die Situation der Menschen hineinversetzen, ihnen nicht nur symbolisch zur Seite stehen? Ändern sich Entscheidungen, wie den Menschen geholfen werden kann, nach einem solchen Besuch, oder dient er manchmal nur zu Werbezwecken? Ich bin mir unsicher, möchte mir kein Urteil erlauben.

Es gibt aber auch eine andere Geschichte, in der ein Herrscher sich unter sein Volk mischt.

Der heutige Predigttext zum Palmsonntag steht im Brief an die Philipper im 2. Kapitel:

Seid so unter euch gesinnt, wie es auch der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht: Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tod, ja zum Tode am Kreuz. Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.

Eigentlich müsste der Predigttext gesungen werden. Es ist nämlich ein ganz alter Christushymnus, den der Apostel Paulus da zitiert. Entstanden ist er wahrscheinlich schon 10 bis 20 Jahre nach Christi Tod. Immer wieder hat dieser Text Komponisten und Dichter inspiriert. Auch in unserem Gesangbuch finden sich einige Lieder, deren Texte auf diesen Hymnus zurückgehen. Vielleicht kennen sie das Weihnachtslied „Lobt Gott, ihr Christen alle gleich“ (EG 27). Die Strophen dieses Liedes folgen fast wörtlich dem Christushymnus. Auch in vielen Passionsliedern finden sich Teile des Hymnus, ebenso wie in Liedern zu anderen kirchlichen Festen. Dieser Hymnus ist zu jeder Kirchenjahreszeit für uns Christen singbar.

'Kreuzigungsgruppe', Drittes Viertel des 13. Jahrhunderts, Saint Catherine's Monastery, Sinai

Er ist ein Glaubensbekenntnis von unserem Herrn und Gott Jesus Christus.

Wie im apostolischen Glaubensbekenntnis beschreibt auch er umfassend das Wesen und die Bedeutung von Jesus Christus für uns Christen.

Der Hymnus gliedert sich in drei Teile.

Christus kommt vom Himmel herab zu uns Menschen. Er verzichtet auf seine göttliche Gestalt und wird ein Mensch, wie du und ich.

„Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.“

Er geht seinen Weg auf Erden konsequent bis zum bitteren Ende, ohne Ausflüchte oder göttliche Erleichterungen zu suchen.

„Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tod, ja zum Tode am Kreuz.“

Im dritten Teil wendet Gott die Abwärtsbewegung wieder um, er setzt Jesus Christus über alles.

„Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.“

Mit dem Namen, der über alle Namen ist, ist hierbei der Name Gottes gemeint, der im jüdischen aus 4 Buchstaben besteht und Jahwe ausgesprochen wird. Damit haben die Christen schon sehr früh die Einheit von Gott Vater und Gott Sohn bezeugt.

Wie in der Geschichte vom König beschloss auch unser Herr, von seinem Thron herab zu steigen und sich unters einfache Volk zu mischen. Anders als beim König, der wissen wollte, was das Volk von ihm dachte, wie es seine Taten bewertet, lag der Beweggrund bei Gott in seiner großen Liebe zu den Menschen, die es ihn nicht aushalten ließ, dass die Menschen verloren wären. Er weiß genau, was jeder Mensch denkt, welche Probleme er hat, was ihn beschäftigt. Er spricht die Sprache der Menschen. Keine menschliche oder politische Situation ist ihm fremd. Er wusste genau, worauf er sich einließ, freiwillig verzichtete er auf seine Privilegien und seine Machtansprüche und wurde vollkommen ein Mensch, er legte nicht nur eine Verkleidung an.

Diese Haltung läuft der herrschenden Meinung entgegen. „Haste was, dann biste was“ heißt es bei uns Menschen. Wer Macht oder Reichtum besitzt, gibt sie nicht freiwillig auf. Wir Menschen versuchen eher nach oben zu kommen, noch mehr zu verdienen, noch mehr Befehle erteilen zu können, mitzusprechen bei wichtigen Entscheidungen. Haben wir eine Position auf der Karriereleiter erreicht, geben wir sie nur ungern wieder auf, sondern versuchen eher noch weiter nach oben zu kommen.

Jesus Christus hingegen entäußerte sich selbst, dies heißt hier, er verzichtete freiwillig auf sein Recht Gott zu sein, er klammerte sich nicht daran, wie man sich an einen Raub klammert, den man festhalten muss, bewachen muss, um ihn nicht zu verlieren. Dadurch öffnet er sich zur Gemeinschaft mit uns Menschen.

Niemand zwingt ihn zu seinem Handeln. Freiwillig geht Jesus Christus seinen Weg hier auf Erden. Er kennt den Weg genau, weiß worauf er sich einlässt. Nicht aus Angst oder unter Zwang handelt er. Er gehorcht nicht blind irgendwelchen Anordnungen von Machthabern. Allein Gott war er gehorsam bis in die letzte Konsequenz, bis zu seinem Kreuzestod.

Dieser Gott verzichtet auf alle seine Rechte, gibt sich selbst dahin, um uns Menschen die Freiheit zu schenken. Er ist kein Gefangener, sondern er ist frei, sich gefangen nehmen zu lassen. Er wird nicht erniedrigt durch Hohn und Spott der Menschen, er erniedrigt sich selbst. Er nimmt sein Schicksal nicht einfach ergeben hin, er wählt es selbst. Jesus hat alle Freiheit, die einer hat, der sich selbst ganz hat und freiwillig auf sein gutes Recht verzichtet.

Welche Konsequenz ergibt sich daraus für uns? Sollen wir uns Jesus als Beispiel nehmen und so leben wie er, auf alles verzichten, auf Recht, Macht, Geld? Man könnte den ersten Satz des Predigttextes, die Aufforderung Paulus vielleicht so verstehen: „Seid so unter euch gesinnt, wie es auch der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht.“

Diese Übersetzung von Luther wird dem Urtext nicht ganz gerecht.

Man müsste eigentlich übersetzen: Ihr Christen orientiert euch nach der neuen Wirklichkeit, die in Jesus Christus auf dieser Erde erschienen ist.

Paulus fordert von uns also nicht, alles zu erdulden, jedem blind zu gehorchen oder sich jeder Willkür zu beugen.

Sondern Paulus ist sich sicher, dass Jesus mit seinem Kommen in die Welt und mit seinem Tod am Kreuz eine neue Freiheit für uns Menschen erkauft hat. Die alten Machtgefüge hat er außer Kraft gesetzt. Er bringt ganz andere Maßstäbe und Wertvorstellungen in unsere Welt.

Immer wieder weist Jesus in seinen Reden darauf hin, dass für ihn Machtausübung, Gewaltanwendung und materieller Reichtum kein erstrebenswertes Ziel ist.

'Christ Pantocrator', 2009, Polimerek

Im Dienen, für den anderen da sein und im Blick auf den Vater im Himmel sieht Jesus unser erstrebenswertes Ziel.

Wir sollen uns ändern, fordert Paulus uns auf, nicht mehr um jeden Preis Recht haben zu wollen, nicht immer mehr Geld anzuhäufen, nur um des Besitzes Willen, nicht andere klein zu machen, um selbst größer zu erscheinen, nicht immer nach Erfolg und Anerkennung streben.

Das ist nicht einfach, es läuft unserer normalen menschlichen Vorstellung zuwider.

Wir müssen aber keine gewaltigen Kraftanstrengungen unternehmen, um uns zu ändern.

Als Jesus Christus am Kreuz starb, hatte er ausgerufen: Es ist vollbracht. Ja er hat es vollbracht, er hat andere, seine eigenen, Wertvorstellungen und Normen auf der Erde aufgerichtet. Normen der Versöhnung und der Liebe Gottes. Mit seinem Tod und seiner Auferstehung hat er die Welt mitsamt ihrer Gesetze überwunden.

Paulus selbst hat es erlebt, aus dem Christenverfolger wurde einer der glühendsten Verfechter der Lehre Jesu und Apostel des christlichen Glaubens. Der Gekreuzigte hat ihm diese neue Lebensnorm gesetzt, so konnte Paulus diese ermutigenden und tröstlichen Zeilen unseres Predigttextes aus dem Gefängnis heraus schreiben.

Das Evangelium des heutigen Palmsonntags handelt vom Einzug Jesu in Jerusalem. Die Menschen setzten ihre Hoffnung auf ihn, er sollte ihr neuer König werden. Sie streuten Palmzweige für ihn auf seinen Weg und legten ihre Kleider auf den Boden, dass er nicht auf dem Staub der Strasse laufen musste. Hosianna, Herr hilf uns, riefen sie ihm zu. Er sollte mit Macht und Herrlichkeit regieren und sein Volk von der Herrschaft der Römer befreien. Dieser jedoch entsprach überhaupt nicht dem Bild, das sie sich von ihm gemacht haben. Auf einem Esel ritt er in die Stadt, weigerte sich mit Gewalt die Herrschenden zu entmachten. Im Gegenteil, wenige Tage später ließ er sich widerstandslos festnehmen, erduldete Spott und Hohn. Er handelte überhaupt nicht nach den Wertvorstellungen der Menschen und so kehrten sie sich von ihm ab. Kreuzige ihn, riefen sie nun.

Jesus Christus hat sich freiwillig für uns hingegeben aus seiner Liebe für uns Menschen heraus. Er zwingt uns zu nichts, er fordert nichts von uns. Wir können uns entscheiden, seine Hilfe anzunehmen, uns von ihm freimachen zu lassen. Frei davon, dass die Anerkennung anderer Menschen, materielle Besitztümer oder Machtausübung unsere Maßstäbe für Lebensqualität sind.

Dann können wir dem Gehorsam leisten, dessen Name über allen Namen ist. Dann ist Jesus Christus mein Herr, es sind nicht mehr die Herren dieser Welt.

Lassen wir uns vom Gekreuzigten und Auferstanden diese neuen Lebensnormen setzen und nach ihnen leben. Lassen wir uns von Jesus Christus frei machen zur Gemeinschaft mit ihm, geborgen in Gottes Liebe. Er wartet darauf.

Amen

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn.

Amen

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Die Ikone 'Kreuzigungsgruppe', Drittes Viertel des 13. Jahrhunderts, Saint Catherine's Monastery, Sinai, ist im public domain, weil ihr copyright abgelaufen ist.
Das Bild 'Christ Pantocrator', 2009, Polimerek, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.

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