Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Prädikantin Karin Kehr: Jak 5, 7-8 Wissen wir worauf wir warten?

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2. Sonnntag im Advent

Wissen wir worauf wir warten? Jak 5, 7-8

Predigt gehalten von Karin Kehr am 08. Dezember 2009

'A field of ripening barley' Victor Szalvay, 2006

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.

Amen.

Liebe Gemeinde,

am letzten Sonntag hat die Adventszeit begonnen. Die Osterkerze steht nicht mehr im Altarraum, dafür hängt an der Seite der Adventskranz, an dem wir heute morgen schon zwei Kerzen angezündet haben. Auf der einen Seite wünschen wir uns vielleicht, dass dieses Jahr bald vorbei ist, auf der anderen Seite haben wir noch so viel zu tun, bevor wir in Ruhe Weihnachten feiern können. Diese Zeit ist meist voller Aktivitäten und Hektik.

Letzten Sonntag hat auch ein neues Kirchenjahr begonnen, dieses Jahr sind die Episteln, die Briefe, als Predigttexte vorgesehen. In unserem heutigen Predigttext schreibt Jakobus seiner Gemeinde eine Ermahnung, die ich nicht immer gerne hören mag, vielleicht geht es ihnen ja ähnlich. Im Jakobusbrief heißt es im 5. Kapitel in den Versen 7 und 8:

So seid nun geduldig, liebe Geschwister, bis zum Kommen des Herrn. Siehe, der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie empfange den Frühregen und Spätregen. Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen, denn das Kommen des Herrn ist nahe.

So seid nun geduldig. Sind wir denn immer geduldig? Hören wir das so gerne? Passt das heute überhaupt noch in diese Zeit? Unser Leben ist heute fast schon überladen mit Technik, die uns so viel Arbeit abnehmen kann und Zeit ersparen kann. Aber irgendwie haben wir dadurch doch keine Zeit übrig. Kaufe jetzt – zahle später. Egal, ob es um ein neues Auto, einen neuen Fernseher oder die Urlaubsreise geht. Was wir uns wünschen, soll sofort in Erfüllung, sofort in unseren Besitz übergehen.

Geduldig sein, warten, eine Zeitlang abwarten, das wollen wir nicht. Auch jetzt in dieser Zeit redet fast jeder nur von Weihnachten, die Kaufhäuser haben schon lange vor dem Ewigkeitssonntag alles weihnachtlich dekoriert und den ganzen Tag werden wir mit Weihnachtsmusik berieselt. Dass es auch eine Adventszeit gibt, haben die meisten Menschen nicht mehr im Blick. Letztes Jahr waren wir gerade zur Zeit der Turmbläser auf dem Frankfurter Weihnachtsmarkt. Diese haben einmal keine Weihnachts- sondern Adventslieder gespielt. Uns ist es gar nicht so leicht gefallen, alle Lieder gleich zu erkennen. Meist haben wir gesagt, ja die Melodie habe ich schon mal gehört, eigentlich kenne ich es. Aber wie heißt es denn? Ab und an hat es zwei oder drei Zeilen gedauert, bis wir auf den Titel gekommen sind. Wie viele Adventslieder erkennen sie an der Melodie und wie gut kennen sie die Texte?

"So seid nun geduldig" sagt Jakobus uns. Heißt das, wir sollen die Hände in den Schoss legen und gar nichts tun? Das sicherlich nicht, wer dieses Wort so auslegen würde, verkennt die Absicht des Jakobus. Jakobus führt als Beispiel den Bauern an, der nachdem er die Saat ausgebracht hat, erst einmal auch nur abwarten kann. Der Bauer weiß, welche Zeit die Saat braucht um aufzugehen, er wartet geduldig. Er kennt den Rhythmus der Natur. Es würde ihm nichts helfen, jeden Tag auf das Feld zu gehen und an den Blättern zu ziehen. Das würde nichts beschleunigen, im Gegenteil, es würde der Saat nur schaden.

Der Bauer weiß aber auch, worauf er wartet, auf die kostbare Frucht. Diese kann er einbringen, wenn der Frühregen und der Spätregen vorbei sind. Im früheren Palästina musste ein Bauer erst auf den Regen im Herbst oder Winter warten, bevor er den Samen ausbringen konnte. Und der Regen im März oder April sorgte dafür, dass die Pflanzen heranwachsen konnten. Danach konnte der Bauer seine Ernte einbringen.

Wissen auch wir worauf wir warten?

Warten verbinden wir meist mit einem negativen Gefühl. Wir müssen in der Schlange am Supermarkt warten, im Stau auf der Autobahn geht es nicht weiter. Zähneknirschend müssen wir uns mit der Situation abfinden, uns in Geduld üben. In diesen Situationen werden wir uns auch unserer Ohnmacht bewusst, an den Dingen nichts ändern zu können, so sehr wir uns auch anstrengen wollten. Das widerspricht dem heutigen Modeslogan „Alles ist machbar.“

Warten auf ein freudiges Ereignis auf der andern Seite kann doch auch sehr schön sein. Vorfreude ist die schönste Freude, heißt es in einem Sprichwort. Wenn ich lieben Besuch erwarte, mache ich mir Gedanken über das Essen, das ich servieren will, womit könnte ich meinem Besuch eine Freude machen. Ich räume auf und richte meine Wohnung her, mache es schön einladend. In gespannter Erwartung plane ich, was ich bis zu dem Datum wann erledigen will.

Auch wenn ich an größere Aktivitäten hier in der Gemeinde denke, erlebe ich im Vorfeld eine Spannung nicht nur bei mir, auch bei den Anderen. Das gemeinsame Vorbereiten kann eine aufregende und bewegende Zeit sein. Zusammen fiebert man dem Ereignis entgegen, malt sich aus, wie es wird. Durch dieses sich öfter mit dem Ereignis beschäftigen, entwickelt sich eine tiefere Verbundenheit. Man nimmt es dann nicht nur in diesem einen Moment wahr, sondern es ist vor dem Eintreffen in uns schon etwas gewachsen. Es hat Wurzeln geschlagen. Durch diese Tiefe kann das Ereignis dann noch weiter in uns wirken, auch wenn es schon wieder vorbei ist und die Euphorie schon verflogen ist.

Auch bei Gegenständen ist es manchmal hilfreich, sie nicht sofort zu kaufen. Ich zum Beispiel habe versucht mich selbst auszutricksen. Gerade bei Büchern würde ich sie wohl kofferweise nach Hause schleppen. Wenn ein neuer Katalog dann kommt, markiere ich mir beim ersten Durchblättern die Bücher, die mir gefallen. Beim zweiten Durchblättern ein oder zwei Tage später überlege ich bei jedem Buch, ob ich es brauche oder wirklich haben will. Danach erst schreibe ich es auf. Diese Art der Geduld schafft eine Wertschätzung, sie lässt Dinge in ein neues Licht rücken. Wir erhalten einen ganz anderen Bezug zu Dingen, als wenn wir sie sofort besitzen und dann vielleicht auch sofort wieder wegwerfen.

Wenn wir Geduld üben, Zeit investieren, können wir der Vorfreude Raum geben und damit unserem Leben schon jetzt mehr Inhalt und Tiefe verleihen.

In dieser Adventszeit warten wir zuerst auf die Geburt des Herrn zu Weihnachten. Die ersten Christen, an die Jakobus seinen Brief schrieb warteten auf die baldige Wiederkunft des Herrn und damit das Ende der Welt. Als es sich nach ein paar Jahren nicht erfüllte, wurden sie ungeduldig. Heute sind fast zweitausend Jahre vergangen und wir zweifeln oftmals, dass wir zu unseren Lebzeiten die Wiederkunft Christi in diese Welt erleben. Heißt Warten hier nun die Hände in den Schoß legen und resigniert in der Ecke hocken? Sicherlich nicht. Wie der Bauer weiß, dass er auf die kostbare Frucht wartet, wissen wir dass wir auf Christus warten. Wir können der Vorfreude auf Christus in uns selbst Raum geben. Sie kann unser Leben schon jetzt erfüllen und damit auch bereichern. Diese Vorfreude auf die Zukunft mit Gott kann uns getroster, lebensfroher und zuversichtlicher machen. Unser Leben gewinnt dadurch eine neue Qualität, die auch nach außen hin ausstrahlt. Wir warten also nicht ungeduldig und nervös oder warten passiv ab, was geschieht. Sondern wir können mit innerer Ruhe, zielsicher, mit Hoffnung und Zuversicht in dieser Gegenwart leben.

'Lebendiger Adventskalender' der Dreikönigsgemeinde, 2008

Wie können wir uns in dieser Adventszeit auf das Kommen des Herrn besinnen? Jakobus gibt uns auch noch eine zweite Aufforderung. Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen, denn das Kommen des Herrn ist nahe.

In der Bibel wird mit dem Herz der Sitz der tiefsten Empfindungen des Menschen beschrieben. Es steht für sein Wesen, den innersten Kern. Alle wesentlichen menschlichen Fähigkeiten und unsere Empfindungen, wie Freude, Hoffnung, Liebe oder Ärger, Trauer, Hass werden dem Herzen zugeschrieben.

Das Herz zu stärken, heißt dann, mir bewusst zu werden, was ich wirklich brauche. Welche Kräfte habe ich und wie kann ich sie wieder freilegen. Das funktioniert nicht im Vorübergehen, dazu muß ich mir Zeit nehmen. Schaffen sie sich in dieser Adventszeit doch einmal etwas Raum. Zünden sie sich eine Kerze an und schauen sie bei einer Tasse Kaffee oder Tee auf das letzte Jahr zurück. Vielleicht mit der von Kerstin Hack vorgeschlagenen Hand-Methode:

Daumen: Was war gut? Was hat mir an der zurückliegenden Zeitphase gut gefallen und gut getan?

Zeigefinger: Was will ich mir merken? Was habe ich gelernt? Was ist mir wichtig geworden? Was will ich festhalten?

Mittelfinger: Was hat mir nicht gefallen? Was stinkt mir? Was war nicht gut? Was lief schief?

Ringfinger: Was hat mich mit anderen verbunden? Was hat die Verbundenheit mit anderen Menschen gestärkt? Was trug dazu bei, dass ich Menschen nah war?

Kleiner Finger: Was kam zu kurz? Was hat mir gefehlt? Was hätte ich mir noch gewünscht?

Sie können alles im Gebet vor Gott bringen. So kann Gott kommen, so kann er uns nahe kommen. Wir können ihm schon heute in uns Raum geben. Angelus Silesius schrieb in seinem Buch „Der Cherubinische Wandersmann“: Wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, aber nicht auch in dir, so wärst du doch auf ewiglich verloren.

Gott selbst hat Geduld. Er hat Geduld mit uns. Er kann warten, bis wir für seine Wiederkunft bereit sind. Gott hat uns nicht vergessen, in seiner Güte und Liebe sind wir geborgen, was immer auch geschieht.

Er, der wahrhaftige Gott, vom Vater in Ewigkeit geboren, und auch der wahrhaftige Mensch, von der Jungfrau Maria geboren, will mein Herr sein. So sagte Martin Luther.

In dieser Zuversicht dürfen wir heute leben. Auch wenn wir unsere Zukunft nicht kennen. Die Zukunft Gottes kennen wir, sie trägt das Antlitz Jesu Christi. Was immer auch geschehen mag, die Zukunft gehört Gott.

Am Ende aller Dinge steht Gott. Und es ist ein gutes Ende. Jesus Christus wird aus allen Ängsten retten, er wird alle Tränen abwischen, Heilung und Gemeinschaft bringen. Und das Leben wird über den Tod siegen.

Am letzten Adventssonntag haben wir beim Tischabendmahl die dritte Kerze angezündet mit den Worten: Ich zünde ein Licht an im Namen des Heiligen Geistes, der die Welt umfasst und mein Leben segnet, indem er mich mit Sehnsucht füllt.

Wenn mein Herz mit Sehnsucht gefüllt ist, kann ich aktiv werden und mich vorbereiten auf das Kommen Jesu Christi in mein Herz und in diese Welt. Denn der Herr kommt gewiß. Der Wochenspruch für diese Woche bekräftigt es.
Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.

So wünsche ich uns allen, dass der Heilige Geist unsere Herzen mit Sehnsucht füllt, dass wir uns auf das Kommen des Herrn vorbereiten können.

Amen

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn.

Die Photographie 'A field of ripening barley' Victor Szalvay, 2006, ist lizenziert unter der Creative Commons-Lizenz Attribution ShareAlike 2.0.

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