Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Prädikantin Karin Kehr: Markus 4, 35 – 41 Die Stillung des Sturms

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4. Sonntag nach Epiphanias

Die Stillung des Sturms Markus 4, 35 – 41

Gehalten von Prädikantin Karin Kehr im Oktober 2006

Gemälde von Rembrandt, 1633

Gemälde von Rembrandt, 1633

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!

Amen.

Was wäre wenn, ... liebe Gemeinde, ... was wäre wenn Jesus heute in der Ecke Ihres Büros auf einem Stuhl sitzt, im Laden in dem Sie arbeiten, in Ihrer Praxis, Ihrer Kanzlei, Ihrer Küche, oder auf dem Beifahrersitz Ihres LKWs sitzt und schläft. Was wäre wenn Jesus heute in Ihrem Alltag in Ihrer Nähe wäre und schläft. Und die Arbeit wird immer mehr. Sie wissen nicht mehr, was Sie zuerst erledigen sollen. Die Aktenberge türmen sich auf Ihrem Schreibtisch. Die Kunden an Ihrer Verkaufstheke oder an der Kasse drängeln. Im Verkehr gibt es eine brenzlige Situation und Sie fühlen sich hilflos. Sie fühlen sich diesem Sturm ausgeliefert und haben das Gefühl, gleich unterzugehen. Wenn Sie Jesus dann aufwecken würden und zu ihm sagen würden. Meister, kümmert es dich denn gar nicht, dass ich untergehe? Jesus würde aufwachen, aufstehen von seinem Stuhl, die Dinge ordnen und wieder Ruhe hereinbringen. Was würden Sie tun? Würden Sie voller Dankbarkeit sein? Vielen Dank, dass du mich gerettet und mir geholfen hast. Oder würden Sie ihn erschrocken anstarren und sich fragen. Wer ist der, der solche Macht hat? Ich denke, jeder von uns hat schon solch eine kritische Situation, in denen er das Gefühl hat, gleich unterzugehen und eigentlich kein Mensch mehr helfen kann, in seinem Alltag erlebt.

Auch in der Bibel gibt es solch eine Geschichte einer kritischen Situation, in der die Jünger Jesu unterzugehen drohen. Im Markusevangelium heißt es im 4. Kapitel:

Und am Abend desselben Tages sprach er zu ihnen: Lasst uns hinüberfahren.
Und sie ließen das Volk gehen und nahmen ihn mit, wie er im Boot war, und es waren noch andere Boote bei ihm.
Und es erhob sich ein großer Windwirbel und die Wellen schlugen in das Boot, sodass das Boot schon voll wurde.
Und er war hinten im Boot und schlief auf einem Kissen. Und sie weckten ihn auf und sprachen zu ihm: Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen?
Und er stand auf und bedrohte den Wind und sprach zu dem Meer: Schweig und verstumme! Und der Wind legte sich und es entstand eine große Stille.
Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben?
Sie aber fürchteten sich sehr und sprachen untereinander: Wer ist der? Auch Wind und Meer sind ihm gehorsam! Markus 4, 35 – 41

Ich denke wir können die Gefühle der Jünger sehr gut nachvollziehen. Wir können uns in die Gedanken, die Verzweiflung der Männer hineinversetzen. In diese Geschichte, in der sie über den See fahren und die See aufgewühlt wird. Da die meisten von ihnen Fischer von Beruf waren, war das Steuern eines Bootes Alltagsarbeit für sie. Sie kannten auch die Wetterlage auf dem See, hatten sicher schon so manchen Sturm erlebt. Dieser jedoch war so heftig, dass auch die Jünger nicht mehr glaubten, aus ihm lebend wieder herauszukommen.

Rembrandt hat diesen Augenblick in einem seiner Bilder dargestellt. Die See ist vollkommen aufgewühlt, die Wellen schlagen hoch, schlagen schon in das Boot hinein. Das Boot ist vorne von einem Wellenberg hochgehoben worden. Diese Szene ist fast zentral in der Mitte des Bildes hervorgehoben durch die Farben, die Rembrandt wählt. Dadurch dass die schäumenden Kronen der Wellen sehr hell dargestellt werden, wird die Aufmerksamkeit des Betrachters dorthin gelenkt. Man hat wirklich fast das Gefühl, dass das Boot gleich nach hinten überkippt. Die Segel sind gebläht. An einer Stelle sind sie schon eingerissen. Ein Teil der Takelage ist schon abgerissen und flattert über das Bild hinweg. Man kann die Männer sehen, wie sie kämpfen, wie sie verzweifelt versuchen, dieses Schiff noch einigermaßen unter Kontrolle zu halten. Und inmitten dieser umhereilenden und kämpfenden Männer liegt Jesus, kenntlich nur an einem schwach hervorgehobenen Heiligenschein, in völliger Ruhe auf einem Kissen. Auch wenn der Titel des Bildes Christus im Sturm heißt, so ist auf den ersten Blick der Sturm das zentrale Thema dieses Bildes. Erst auf den zweiten Blick fallen einem die anderen Menschen auf. Und erst ganz zum Schluss bei sehr genauer Betrachtung erkennt man auch Jesus. Dieses Bild vermittelt für mich sehr eindrücklich, dass Jesus mitten unter uns ist in jeder Situation unseres Lebens, unseres Alltags. Er ist nicht immer im Mittelpunkt und sofort sichtbar. Er lässt uns alleine arbeiten, aber er ist da. Wir müssen ihn ansprechen, wir müssen ihn bitten um seine Hilfe. Auch wenn die Jünger ihn nur fragen: Kümmert es dich nicht, dass wir untergehen? Und vielleicht nur erwarten, dass er ihnen dabei hilft, das Boot unter Kontrolle zu bringen, nur ein weiteres Paar Hände im Kampf gegen den Sturm erwarten. Jesus steht auf und bedroht den Wind und das Meer. Im Urtext dieses Evangeliums stehen an dieser Stelle dieselben Vokabeln, es wird dieselbe Sprache verwendet, wie bei der Dämonenaustreibung. Damit soll deutlich gemacht werden, Jesus herrscht über alle menschenfeindlichen Kräfte und Mächte. Er beherrscht alles, er kann allem befehlen, was Menschen bedrohen kann. Für die Jünger zeigt sich damit, dass Jesus die Allmacht Gottes innehat. Dass er der Gott ihrer Väter ist, der sie bei der Flucht aus Ägypten geführt und bewahrt hat. Der dem Meer gebieten konnte zurückzuweichen, dass das Volk Gottes trockenen Fußes durch das Meer hindurchkommen konnte und die Feinde verschlungen wurden.

Vielleicht etwas verwunderlich ist die Reaktion Jesu, nachdem er den Sturm gestillt hat. Seine Worte "Was seid ihr so furchtsam, habt ihr noch keinen Glauben?" sind nicht unbedingt typisch für den Mann, der sonst doch immer jedem sofort geholfen hat. Schauen wir uns dazu einmal den Kontext der Bibelstelle an. Diese Geschichte steht am Ende des 4. Kapitels des Markus Evangeliums. In den Versen vorher predigt Jesu am Ufer des Sees zum Volk, das zusammengekommen ist, um ihn zu hören. Er spricht in Gleichnissen vom Kommen des Reiches Gottes. Und erst wenn das Volk gegangen ist und er mit seinen Jüngern alleine ist, legt er ihnen die Gleichnisse aus. Er deutet sie und erklärt ihnen die Bedeutung des Reiches Gottes. Und diese Jünger, die von ihm so viel über das Kommen des Reiches Gottes und seine Bedeutung für die Menschen gehört haben, diese Jünger fahren mit ihm in unserer Geschichte über den See. Die Jünger haben viel von Jesus gehört und gelernt. Sie haben seine Kraft und Macht bei Krankenheilungen und Dämonenaustreibungen aus nächster Nähe miterlebt. Und doch, als sie in diesen Sturm geraten, ist ihr Glaube an Gott und an Jesus noch nicht so groß, dass sie Vertrauen haben, dass Gott sie nicht im Stich lassen und ihnen helfen wird. Im Gegensatz dazu hatten die anderen Menschen, die sich mit der Bitte um Hilfe an Jesu wandten, den festen Glauben, dass Jesu die Macht hat, ihnen zu helfen. Allerdings ist für mich das Verhalten der Jünger, ihre Angst in diesem Sturm, in dem es ums Überleben geht, durchaus nachvollziehbar. Auch ich verhalte mich manches Mal sicherlich genauso wie die Jünger. Inmitten eines Sturm habe ich Angst unterzugehen. Diese Frage kann Jesu also auch mir heute stellen: Was bist du so furchtsam, hast du noch keinen Glauben? Damit läuft es auch für mich und für jeden von uns heute auf die Frage der Jünger hinaus: Wer ist der? Wer ist Jesus für mich? Ist Jesus für mich ein Lehrer, der mir zeigt, wie ich mich meinen Mitmenschen gegenüber verhalten solle? Ist Jesus ein Wunderheiler, der vor vielen Jahren gewirkt hat? Ist er ein Prophet, der über das Reich Gottes gesprochen hat? Oder ist Jesus der allmächtige Gott, der ausnahmslos allen Kräften und Mächten gebieten kann und über alles herrscht?

Wenn ich diesen Glauben leben kann, kann ich darauf vertrauen, dass Jesus zu allen Zeiten mit mir ist, auch wenn ich sein Wirken nicht jederzeit spüre.

Ich wünsche uns allen, dass bei jedem von uns der Glaube wächst, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist, der alle Mächte im Himmel und auf Erden beherrschen kann. Und dass er das zum Wohle von uns Menschen tut.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen