Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Frankfurt am Main - Sachsenhausen

Predigten im Jugendgottesdienst: 4. Advent

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'Christmas gifts', 2007, Sigismund von Dobschütz

4. Advent

Lk 1,26 – 38

Predigt gehalten von Katharina Hellwig im Kirchsaal Süd am 18. Dezember 2011:

Was erwartet einen Gottesdienstbesucher an einem 4. Advent? Mal abgesehen von 4 brennenden Kerzen auf dem Adventskranz und einer gängigen Liturgie. Welche Themen sind an diesem Tag besonders populär? Mit was kann man rechnen?
Mit dieser Frage habe ich mich während meiner Vorbereitung auf diese Ansprache befasst. Das Ergebnis war ziemlich eindeutig: 90% aller Andachten, Ansprachen und Predigten befassen sich in diesem Zeitraum mit dem Thema „Besinnlichkeit“. Besinnlichkeit steht im unmittelbaren Zusammenhang zur Weihnachtszeit und scheint unumgänglich. Erstaunlicherweise hatten die Verfasser und Verfasserinnen der Texte, die ich gelesen habe, alle anscheinend gar nicht den Anspruch, ihre Worte so zu wählen, dass die Besucher und Zuhörer ihres Gottesdienstes, ihrer Vesper oder ihrer Andacht eben diese Zeit zur Besinnlichkeit nutzen konnten, sondern versteiften sich vielmehr auf der Behauptung, heut zu Tage sei es sehr schwer, bis eigentlich fast unmöglich, in der Vorweihnachtszeit zur Besinnung zu kommen.

Die äußeren Umstände unserer Gesellschaft mit all ihrer Hektik und Rastlosigkeit ließen keinerlei Möglichkeit des Rückzugs und keinen Raum für die Konzentration auf all das Wesentliche, auf das man sich besinnen soll, wenn man als guter Christ auf die Feiertage zusteuert. Der Konsumterror in all seinen Facetten, seien es Lebkuchen und Dominosteinstände in Supermärkten ab September oder verkaufsoffene Sonntage hätte dem familiären Adventsbeisammensein den Garaus gemacht. Auch die Entwicklung, dass der Deutsche an sich durchschnittlich 245€ für Weihnachtsgeschenke ausgibt, wird kritisch betrachtet. Wenn man bedenkt, dass fast die Hälfte aller Deutschen gar keine Geschenke kauft, weil sie zu jung oder zu alt sind oder aus kulturellen und religiösen Gründen gar kein Weihnachten feiern und der Betrag tatsächlich wesentlich höher liegt als 245€, kann man natürlich auch mal darüber nachdenken, ob das noch Sinn der Sache ist und ob es sich in einer Zeit, in der jedes 2. Kind kein Pausenbrot dabei hat noch schickt, Geschenke in einem solchen Ausmaß unter den Baum zu legen.

'Frankfurter Weihnachtsmarkt', 2011, PSch

Man könnte sich auch fragen, ob es wirklich noch zum vorweihnachtlichen Familienprogramm gehört, „gemütlich“ über den Weihnachtsmarkt zu „schlendern“. Ignorieren wir mal die Tatsache, dass der Römerberg im Falle einer Massenpanik zu einem Massengrab werden würde, weil er so vollgestopft ist. Missachten wir mal den Umstand, dass 47 stark alkoholisierte Bänker, sich um einen Glühweinstand zwängend, nicht die weihnachtliche Stimmung verbreiten, die zumindest ich mir so erhoffe. Vergessen wir auch mal, dass die Kleinkunst und alles Handwerkliche in die letzte Ecke des Paulsplatzes verdrängt wurden, sondern besuchen völlig unvoreingenommen an einem Nachmittag unter der Woche mit unserem Kind den Weihnachtsmarkt.

Ich habe das Experiment gewagt! Unterstützt von einem 11jährigen jungen Mann, der noch weniger bis gar keine Vorurteile gegenüber dieser Unternehmung hatte, betrat ich den Römer vom Main aus und drehte so gemütlich und entschleunigt, wie es eben nur ging das wirklich schöne Lichtermeer… 25€ in einer Stunde! Das muss man sich mal vorstellen. 25€, und wir reden hier nicht von Baileyspunsch aus goldenen Tassen und einer Rundfahrt im Rentierschlitten, sondern ausschließlich von Klassikern wie heiße Maroni, etwas warmem zum Trinken und selbstverständlich Karussell fahren. Wenn wir jetzt mal von einer intakten Familie mit zwei Erwachsenen und 1,4 Kindern ausgehen, sind wir ganz schnell bei 40-50€, die man mal so eben locker bei einem recht kurzen Besuch auf dem Weihnachtsmarkt verballern kann, um die Familie in ein bisschen weihnachtliche Stimmung zu bringen. Heftig.

'Coca-Cola Christmas truck', 2006, 	User:Husky

Besonders bedenklich scheint sich jedoch die Schlacht zwischen Christkind und Weihnachtsmann zu entwickeln! Der Weihnachtsmann, vor einigen Jahren aus Coca-Cola-Hausen eingereist, hat sich anscheinend zum Ziel gesetzt, das Christkind aus den Köpfen unserer Kinder gänzlich zu vertreiben. Er macht das mit einer besonders subtilen Art und Weise: Er ist einfach überall! Laufen Sie mal mit offenen Augen durch die Gegend und spielen Sie das Spiel Weihnachtsmann versus Christkind. Auch dieses Experiment habe ich gewagt. Und bin zu einem erschreckenden Ergebnis gekommen. Bei einem Stand von 54:2 habe ich aufgehört, zu zählen. Die zwei Christkinder, die ich übrigens zu Hause auf meiner Plätzchendose entdeckt habe, hatten einfach keine Chance der Übermacht der Weihnachtsmänner Stand zu halten.

Ein auch wirklich sehr bedenklicher Umstand ist folgender: Googln Sie mal das Wort Besinnung. Sie werden etwas Erschreckendes feststellen können: Für den Begriff Besinnung gibt es keinen Wikipedia-Eintrag! Ich habe alles eingegebe. Ruhe, Stille u.s.w. haben alle einen Eintrag. Stattdessen steht da:

Der Artikel „Besinnlichkeit“ existiert nicht in diesem Wiki. Du kannst den Artikel erstellen (Anleitung). Wenn dir die folgenden Suchergebnisse nicht weiterhelfen, wende dich bitte an die Suchhilfe.

Besinnung existiert noch nicht einmal mehr in der virtuellen Welt. Man kann über all diese Dinge stundenlang diskutieren und zu dem Entschluss kommen, dass die Welt böse und wir ihre Knechte sind, die sich fügen müssen. Man kann sich tagelang Andachten anhören, die einem immer wieder vor Augen halten, wie wenig man als Christ in der Vorweihnachtszeit noch zu lachen hat und kopfschüttelnd dasitzen und sich fragen, wo das nur alles hinführen soll, wenn doch die Geschwindigkeit der Ereignisse, die Bedeutung von Konsum und Besitz und die Nachlässigkeit mit der wir Festtagen begegnen immer mehr zunimmt.

'Cafe contemplation', 2011, 	Ronald Saunders from Warrington, UK

Man kann sich aber auch einfach mal an die eigene Nase packen: Wer zwingt mich, samstagnachmittags oder gar sonntags mit einer Millionen gestresster Menschen über die Zeil zu laufen, um Weihnachtseinkäufe zu erledigen und um mich dabei durchschnittlich 17 Mal anrempeln zu lassen? Wer verlangt von mir, mit Sonnenaufgang des 11. Novembers bis zum 24. Dezember sechs Viertel Gänsebraten zu mir zu nehmen? Wer erwartet, dass ich an allen Weihnachtsfeiern teilnehme, zu denen ich eingeladen werde und wer entscheidet darüber, dass ich nur ein guter Mensch bin, wenn ich 12 Spendenüberweisungen ausfülle und 35 Weihnachtskarten schreibe? –Niemand.
Also ist das alles schon mal gar kein Argument mehr dafür, dass Besinnlichsein so schwer ist. Meine Theorie ist ja, dass wir in der Vorweihnachtszeit gar nicht mehr Stress haben als sonst. Es gibt immer viel zu tun, auch im Rest des Jahres. Ich glaube, dass der Stress, den wir empfinden, dadurch entsteht, dass wir ununterbrochen ein schlechtes Gewissen haben, weil wir mit dem uns infiltriertem Verständnis von Besinnung nichts anfangen können. Wenn man die ganze Zeit das Gefühl hat, dass man auf eine ganz bestimmte Art und Weise besinnlich sein MUSS und es aber nicht schafft, kommt man sich natürlich gestresst vor. Denn man kann der Erwartung einfach nicht gerecht werden, auf die Art besinnlich zu sein, wie es sich gehört. Wenn die notwendige Besinnung nicht wie eine graue Wolke vom 1. Advent bis 24. Dezember über unseren Köpfen hängen würde, hätten wir auch keinen Stress. Die Frage, ob für jeden Besinnung gleich sein muss, ist doch wohl berechtigt. Meines Erachtens gibt es kein Adventsgesetz, das mit vorschreibt, wie so etwas auszusehen hat. Es gibt kein VWBG, das „Vorweihnachtsbesinnungsgesetz“:

§ 1 Das Entzünden einer Kerze am dafür notwendigen Adventskranz ist obligatorisch und Voraussetzung für gelingende Besinnlichkeit.

§ 2 Die Anwesenheit aller Familienmitglieder, die in der Wohnung ihren ersten Wohnsitz angemeldet haben, müssen sich dabei um den Wohnzimmertisch versammeln.

§ 3 Der Genuss von Selbstgebackenem (die Betonung liegt hier auf „Selbstgebackenem“) und Heißgetränken soll als Selbstverständlichkeit angesehen werden.

§ 4 (…)

Nein, dieses Gesetz gibt es nicht. Zum Glück. Denn jeder Mensch hat eine andere, persönliche Vorstellung von Besinnlichkeit. Wenn ich mich so besinnen müsste, wie es vom VWBG vorgeschrieben ist, wäre ich totunglücklich. Die Vorstellung, ich müsste so tun, als kehre in mir eine innere Ruhe ein, während im Minutentakt Boeings 747 durch mein Wohnzimmer fliegen, ist einfach absurd. Denn Besinnlichkeit steht denke ich auch im unmittelbaren Zusammenhang mit Stille und diese hat sich über Frankfurt inzwischen zu einem Luxusgut entwickelt, das viele Menschen leider nicht mehr genießen können. Auch die Tatsache, dass Besinnlichkeit an eine Tageszeit gekoppelt sein soll, nämlich zwischen 15 und 18 Uhr, damit im Dämmerlicht die Beleuchtung besser rüberkommt, ist nicht meine Vorstellung von Besinnlichkeit. Man kann sie nicht erzwingen. Sie kommt von selbst über einem, wenn man sie nur lässt. Als ich beispielsweise letzte Woche nach einem anstrengenden Arbeitstag in der Straßenbahnlinie 14 saß, wurde ich plötzlich von ihr erfasst.

'Contemplation', Jean-Joseph Benjamin-Constant (1845 - 1902), Art Renewal Center Museum, image 9979.

Ich saß da, alle Geräusche um mich herum kamen plötzlich nur noch gedämpft bei mir an. Ich schaute zwar aus dem Fenster, aber irgendwie habe ich von all dem da draußen auch nichts wahr genommen. Ich tauchte plötzlich in absolute Ruhe ein, ließ meine Gedanken schweifen, lächelte dabei höchstwahrscheinlich leicht dümmlich vor mich hin und hatte meinen Moment der Besinnlichkeit. Jemand anderes hätte diesen Moment vielleicht als den stressigsten der Woche empfunden: Der Bahn hinterher gerannt, im Regen selbstverständlich, lauter lärmende, schlechtgelaunte Schüler um mich rum und auf dem Weg zum nächsten Termin. Für mich war da etwas ganz Anderes. Jeder muss also seinen individuellen Rahmen für Besinnlichkeit finden.

Meine zweite Theorie ist, dass die Menschen gar nicht mehr besinnlich sein wollen. Der Stress ist dabei nur vorgeschobener Grund, warum dafür angeblich keine Zeit ist. Wir wollen gar keine Besinnlichkeit mehr, weil diese nämlich Konzentration auf das Wesentliche im Leben bedeuten würde. Auf die Dinge, die wirklich wichtig sind in meinem Leben und auch auf mich selbst. Es würde also ein Prozess der Selbstreflexion und der Infragestellung der eigenen Lebensführung in Gang kommen und das bedeutet letztendlich, dass da vielleicht Dinge ans Tageslicht kommen, die ich bewusst verdrängt habe und über die ich eigentlich gar nicht nachdenken möchte. Vielleicht fehlt mir etwas Existenzielles in meinem Leben. Vielleicht bin ich einsam. Vielleicht bin ich mit der Beziehung, die ich mit meiner Frau führe, totunglücklich. Vielleicht tue ich Dinge, die ich mir selbst nicht verzeihen kann. Vielleicht habe ich den wirklichen Sinn meiner Existenz noch gar nicht aufspüren können. Das ist eine Hand voll Gedanken, die in einem hochkommen können, wenn man Zeit zum Nachdenken und zur Besinnung hat. Viele Menschen halten die gar nicht aus und können sie nicht ertragen. Deswegen wollen sie gar nicht zur Ruhe kommen und können es auch nicht. Sie können es das ganze Jahr nicht und schon gar nicht kurz vor Weihnachten, wenn sowieso alles latent emotional überfrachtet ist und es dem ein oder anderen vor den Stunden der Bescherung graut, weil es erfahrungsgemäß eigentlich immer zu Streit, Unmut oder Verletzungen kommt, wenn die ganze Familie zusammen sitzt und den Anspruch frönt, festlich, familiär und besinnlich zu sein. Nicht ganz unverständlich, dass die Selbstmordrate vor Weihnachten viel höher ist als während des restlichen Jahres und die Winterdepression genauso weit verbreitet ist wie die Erkältung.

Hermann Hesse schrieb in einem Gedicht:

Aber irden und sterblich sind wir geschaffen, träge lastet auf uns Kreaturen die Schwere.

Dreimal dürfen sie raten, welchen Titel dieses Werk trägt! Richtig, es nennt sich „Besinnung“. Es gibt kaum eine Zeit im Jahr auf denen die Schwere mehr auf uns lastet als in der Vorweihnachtszeit. Aber das Gedicht geht noch weiter und verbreitet im Anschluss einen warmen Trost:

Ewig aber strahlt über ihm seine Sehnsucht, Seine Bestimmung: das Licht, der Geist. Und wir fühlen: ihn, den Gefährdeten, Liebt der Ewige mit besonderer Liebe.

'Child Jesus', 1675-1682, Bartolomé Esteban Perez Murillo

Da ist sie, die frohe Botschaft! Es wird einer kommen, der derart geliebt wird, dass er so viel Liebe für uns übrig hat, für eine ganze Menschheit. Wie tröstlich ist doch das Wissen um diese Zuneigung, diese Wertschätzung, dieser unendlichen Liebe, die mir da entgegen gebracht wird. Sie ist so tief und unerschütterlich, dass wenn ich sie annehmen kann, gar kein Zweifel daran entstehen kann, ob meine Existenz auf dieser Erde, meine sinnvolle Existenz, gegeben ist oder nicht. Mein Herz für diese Liebe zu öffnen, die uns Menschen durch Christi Geburt zu Teil wird, ihm die aufrichtige Chance zu geben, ausschlaggebender Bestandteil meines Lebens zu sein, dieses Gefühl, das ist Besinnung. Denn das Gefühl, geliebt zu werden, gibt mir die Möglichkeit der absoluten innerlichen Ruhe.

Der Glaube daran, dass die Geburt Christi mit Abstand das für uns Menschen wichtigste und bedeutungsvollste Ereignis, das es jemals gegeben hat und geben wird, ist, muss der Grundgedanke der Vorweihnachtszeit und der Festtage sein. Das ist die Besinnung auf das Wesentliche. Das Wesentliche ist Jesus Christus. Die Geburt Christi ist die Basis für das Urvertrauen, das für uns Menschen notwendig ist, um ein erfülltes Leben zu führen. Wenn wir dieses Urvertrauen haben, fällt uns die Besinnung wieder leichter. Denn dann braucht man keine Angst mehr vor ihr zu haben. Dann denken wir gerne über uns und unser Leben nach. Gottvertrauen heißt das. Gottes Schöpfung vertrauen und somit all seine Kreaturen als Gotteswerk zu sehen und sich an diesen zu erfreuen. Das schließt uns selbst mit ein.

Einfacher gesagt, als gefühlt. In diesem Zusammenhang beneide ich Maria. Sie hatte ein derart unerschütterliches Gottvertrauen, davon müssten wir uns alle mal eine Scheibe abschneiden. Das muss man sich mal vorstellen: Man bekommt von einer Furchteinflößenden Gestalt mitgeteilt, dass man bald schwanger sein wird, ganz ohne das Zutun und die Liebe eines Mannes. Unvorstellbar, eigentlich. Völlige Entmündigung, stattdessen totale Fügung. Sie wird schwanger werden und kann nichts daran ändern, nichts selbst entscheiden. Normalerweise würde man da doch in einen absoluten Schockzustand verfallen. Kind von Gott hin oder her, man könnte sich auch benutzt vorkommen und übergangen. Maria aber, vertraut so sehr auf die Richtigkeit Gottes Handelns, dass sie zu diesem besonderen Kind steht. Sie glaubt so tief, dass für sie gar nicht in Frage steht, ob das was mit ihr passiert, fair, richtig und wichtig ist. Sie nimmt Gottes Auftrag die Mutter des Sohnes des Höchsten zu sein an und vertraut darauf, dass das was Gott mit ihr vorhat schon richtig sein wird.

'Ecce Ancilla Domini!', Dante Gabriel Rossetti, 1850

Das ist ein Vertrauen in die eigene Sinnhaftigkeit und Legitimation der eigenen Existenz, die ich sehr bewundere. Dieses Gottvertrauen, dass all mein Handeln, meine Erlebnisse, meine guten und schlechten Erfahrungen, meine Entscheidungen bestätigt und für richtig empfindet, muss ein solch tiefes Gefühl von absoluter Ruhe und Geborgenheit sein, dass mich und meine Gedanken frei und unbeschwert werden lässt. Gott wird es schon richten. Gott wird schon dafür sorgen, dass alles was passiert einen Sinn hat, auch wenn ich es im ersten Moment vielleicht nicht gleich verstehe. Dieses Gefühl zu haben, muss das größte Geschenk sein, was ein Mensch auf dieser Erde erhalten kann. Ich glaube fest daran, dass jeder Mensch dieses Geschenk im Laufe seines Lebens erhalten kann. Ich glaube, dass Gott all seinen erschaffenen Lebewesen dieselbe Chance gibt, diesen Zustand der inneren Ruhe und Selbstzufriedenheit zu erreichen. Was wir jedoch daraus machen und ob wir das annehmen können, liegt letztendlich in unserer eigenen Verantwortung. Wie viel Vertrauen wir jemandem entgegen bringen, liegt schließlich an uns selbst.

Dieses Vertrauen zu entwickeln, ist jedoch kein Prozess, der ausschließlich in den vier Adventswochen von Statten gehen kann und darf. Er muss uns über das ganze Jahr hinweg begleiten. Wer sich ich in der Vorweihnachtszeit dazu zwingt, besinnlich zu sein (ob das überhaupt geht, steht in Frage), um sich mit Vollendung des 2. Weihnachtsfeiertages sofort wieder in die Besinnungslosigkeit zu stürzen, all die wichtigen Gedanken, die sich mit uns selbst und unserem Glauben befassen, wieder für ein knappes Jahr zu verdrängen und sich sofort wieder einlullen zu lassen von der Silvesterhysterie und von der Überlegung bezüglich wenig ernstgemeinter Vorsätze, wird das Gottesvertrauen und das damit zusammenhängende Selbstvertrauen niemals erreichen. Wer es aber schafft, sein Herz für eben dieses Vertrauen zu öffnen, dem wird es auch gelingen, in der Vorweihnachtszeit seine persönliche Stille und Besinnung zu finden.

Am Anfang habe ich all jene Reden verurteilt, die Gottesdienstbesucher ausschließlich mit dem misslichen Zustand der Besinnungslosigkeit konfrontieren und ihnen gar nicht die Möglichkeit eröffnen, wenigstens in dieser Stunde der Andacht zur Ruhe zu kommen. Und auch ich selbst müsste mich nun eigentlich einreihen bei diesen Autoren, denn wirkliche Besinnung konnte ich Ihnen bis zu diesem Zeitpunkt ja leider auch nicht bieten. Diesen Anspruch habe ich aber. Da ich jedoch nach wie vor der Überzeugung bin, dass jeder und jede seine ganz eigene Vorstellung von Besinnung hat und auch ein Recht darauf, sich die Inhalte dieses Moments selbst zu überlegen, wähle ich heute ein für eine Predigt eher untypischen Mittel, um Ihnen einen Moment der Besinnung zu schenken: Ich werde schweigen. 3 Minuten werde ich schweigen. So schenke ich uns die Zeit, wenigstens für einen kleinen Moment in uns zu kehren und darüber nachzudenken, was uns die Weihnacht eigentlich bedeutet. Sie selbst dürfen entscheiden, ob Sie dieses Geschenk annehmen können und möchten und wenn ja, wie sie es füllen.

Stille.

Ich möchte mich bei Ihnen für diesen Moment bedanken und hoffe, er hat jedem auf seine Weise gut getan. Ich hoffe auch, dass meine Worte für die zukünftige Besinnung in ihrem Leben etwas bewirkt haben. Was ich Ihnen nicht versprechen kann, ist, dass Sie irgendwann den Zustand der Zufriedenheit und inneren Ruhe erreichen. Denn das liegt wie gesagt an Ihnen selbst. Was ich Ihnen aber versprechen kann, ist, dass wir alle die Chance dazu haben, diesen Zustand zu erreichen. Denn Gott schenkt uns die Liebe, die wir brauchen, um ein wirklich erfülltes Leben zu führen, durch seinen Sohn Jesus Christus. Und diese Liebe wollen wir nächste Woche feiern.

Amen.

Die Photographie 'Cafe contemplation', 2011, Ronald Saunders from Warrington, UK, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic license.
Die Photographie 'Christmas gifts', 2007, Sigismund von Dobschütz, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported, 2.5 Generic, 2.0 Generic and 1.0 Generic license.
Das Gemälde 'Ecce Ancilla Domini!', Dante Gabriel Rossetti, 1850, ist im public domain der United States, und der Länder mit einem copyright term des Lebens des Authors plus 100 Jahre oder weniger.
Das Bild 'Contemplation', Jean-Joseph Benjamin-Constant (1845 - 1902), Art Renewal Center Museum, image 9979., ist im public domain der United States, und der Länder mit einem copyright term des Lebens des Authors plus 100 Jahre oder weniger.
Das Gemälde 'Child Jesus', 1675-1682, Bartolomé Esteban Perez Murillo, it im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.
Die Photographie 'Coca-Cola Christmas truck', 2006, User:Husky, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.

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