Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten im Jugendgottesdienst: Gotteskrieger – Engel können auch anders

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Predigt „Gotteskrieger – Engel können auch anders“

Gehalten von Katharina Hellwig im Kirchsaal Süd:

'Jacob Wrestling with the Angel', Gustave Doré, 1855

„Du bist ein Engel!“ Wenn uns das gesagt wird, haben wir vermutlich irgendjemandem etwas Gutes getan, ihm eine lästige Arbeit abgenommen oder ihm ganz unerwartet das Leben erleichtert. „Du bist ein Engel!“ soll demnach ein Kompliment sein und ausdrücken: Du bist rein, Du bist lieb zu mir, ich halte viel von Dir, weil Du so bist wie Du bist und sage deshalb dieses Wort zu Dir „Engel“. Dabei denkt man dann an diese schönen weißen, elfenähnlichen Gestalten, die überall in unserem Alltag auftauchen: Als kleine dicke Kinder mit gold-glitzernden Flügelchen, die wir an den Weihnachtsbaum hängen, oder mit philosophierendem Blick mit dem Kinn auf die Hand gestützt und in den Himmel blickend. In Liedern fleht Klaus Meins von den Scorpions „Send me an angel“, Robbi Williams mit „Angels“ nach Liebe, Xavier Naidoo singt: „..und Engel füge ich noch hinzu, ein Heer, das nur auf Dich aufpasst!“ und seit Neustem behauptet Christina Stürmer „Engel fliegen einsam“.

Und auch in Filmen tauchen sie zu Hauf auf und helfen uns Menschen oder werden zumindest unser Begleiter, wie John Travolta 1996 in „Michael“; manchmal verlieben wir uns sogar in sie, wie Withney Houston in „Rendezvous mit einem Engel“; manchmal werden sie aber auch einfach nur für Titel oder Namen benutzt: „Stadt der Engel“, „Eiskalte Engel“, „Drei Engel für Charlie“ es gab die „No Angels“, es gibt die „Hell´s Angels“, man kann das neue Album von Depeche Mode „Playing the Angels“ kaufen und nach einem Parfum riechen, das „Angel“ heißt, eigentlich sind sie überall. Und jeder mag sie. Sie sind oftmals ein bisschen kitchig, aber sie dürfen das sein, wir mögen sie trotzdem oder vielleicht gerade deshalb. Sie sind grundsätzlich hübsch und sauber, tun etwas Gutes, kommen irgendwie so von oben und können zu allem Überfluss auch noch fliegen... Wer mag schon keine Engel?

Aber wer oder was genau sind eigentlich diese Engel? Sind es Männer? Sind es Frauen? Wo kommen sie her? Und was tun sie, was ist ihr Job? Schlägt man im Lexikon unter „Engel“ nach, steht dort: „Engel, griech. Angelos, hebr. Mal´ak, Mittler zwischen Gott und den Menschen, deren Aufgabe es ist, als Bote oder Botschafter zu fungieren.“ Boten, Botschafter also. Aha. Wenn man mal so ein bisschen durch die Evangelien blättert, dann springen einem mit diesem Hintergedanken Titel ins Auge wie „Die Ankündigung der Geburt Johannes des Täufers“. Dessen Vater, der Zacharias, geht nämlich in den Tempel und „da erschien ihm der Engel des Herrn und stand an der rechten Seite des Räucheraltars. Und als Zacharias ihn sah, erschrak er und es kam Furcht über ihn. Aber der Engel sprach zu ihm: Fürchte dich nicht, Zacharias, denn dein Gebet ist erhört, und deine Frau Elisabeth wird dir einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Johannes geben...“.

Wenige Verse später steht dann „Die Ankündigung der Geburt Jesu“ und wieder wird ein Engel, der Gabriel, von Gott gesandt und eben der sucht dann Maria auf.
„Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach: Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir! Sie aber erschrak über die Rede und dachte: Welch ein Gruß ist das? Und der Engel sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria, du hast Gnade bei Gott gefunden. Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben.“

Und dann gibt´s noch die Engelgeschichten, die fast jeder kennt, die Engelpromis. Nämlich zum Beispiel den aus der Weihnachtsgeschichte, der den Hirten erscheint und zu ihnen spricht:
„Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk wiederfahren wird: denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“ Und dann erscheinen den Hirten ganze Heerscharen von Engel und sie machen sich auf den Weg zur Krippe.
Die beiden Männer in glänzenden Kleidern, die den zwei Marias erscheinen, als diese Jesus nach seiner Hinrichtung einölen wollen, kennt auch jeder. Dort heißt es:
„Sie aber erschraken und neigten ihr Angesicht zur Erde. Da sprachen die zu ihnen: Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden.“

So, fassen wir also nochmal zusammen: Taucht ein Engel auf, dann wurde er gesandt, geschickt, um eine Nachricht zu überbringen. In unseren vier Geschichten sogar jeweils eine gute Nachricht. Auf den ersten Blick scheint er also ernsthaft den Job des Botschafters auszuführen, so wie es im Lexikon stand. Er erscheint also im Auftrag und in Stellvertretung Gottes. Doch noch etwas haben die vier Textstellen gemeinsam: Jedesmal, wenn ein Engel auftaucht, haben die Menschen Angst. Jedesmal, wenn ein Engel auftaucht, hat dieser zunächst einmal die undankbare Aufgabe, sein Gegenüber zu beruhigen, weil dieser unglaublich erschrickt und ihn wahrscheinlich ehrfürchtig anstarrt. Fürchte dich nicht! Müssen sie sagen. Fürchte dich nicht, ich tue dir nichts, habe keine Angst! ...Ja, aber das würde ja wiederum bedeuten, dass die doch gar nicht so klein und knuddelig und niedlich sind, wie die, die wir so kennen. Vor dem Philadelphia-Engel, z.B., der den ganzen lieben langen Tag Frischkäse isst, hat doch kein Mensch Angst. Sie sind also nicht süß und harmlos, sondern durchaus autoritär, stark, mächtig und präsent. Man trifft demnach nicht auf kleine hobbitähnliche Wesen, die man gleich ins Herz schließt, sondern auf richtig ernst zu nehmende Gestalten. Unter diesem Gesichtspunkt fallen einem dann noch ganz andere Engel ein: Z.B. die zwei Engel aus dem Film „Dogma“, die alles andere sind als friedfertig und nett. Denn sie laufen in die Chefetage einer Firma, platzen ohne zu klopfen in eine Konferenz und erschießen dort zwölf Menschen, nachdem sie all ihre Sünden aufgezählt haben: „Mr. Smith, weiß ihre Frau eigentlich, dass Sie seit 14 Jahren ihre Tochter missbrauchen? Schuss in den Kopf. Mr. O´Connor, wie schaffen Sie es, dem Notarzt jedesmal wenn er kommt weiß zu machen, dass ihre Frau die Treppe heruntergefallen ist oder sich gestoßen hat? Schuss in den Hals. Mr. Anderson, wie fühlt es sich an, das Vermögen einer alten Dame zu erben, die einmal ihre Mutter war und die Sie haben jämmerlich verrecken lassen, weil Sie neben Job, Golfspielen und perversen Frauengeschichten keinen Platz für eine alte Frau hatten? Schuss direkt ins Herz.

Oder der Engel, der Josua erscheint und mit gezücktem Schwert vor ihm auftaucht und ihm befiehlt, was er zu tun und zu lassen hat. Und irgendwann ist einem doch auch schon mal der Begriffe Todesengel untergekommen. Es gibt also sehr unterschiedliche Engel und sie alle führen sehr unterschiedliche Aufgaben aus. Während der Schutzengel lediglich für eine Person zuständig und eine Art persönlicher Begleiter ist, sind die sogenannten Völkerengel für ganze Völker zuständig. Der Unheilsengel, der Würgeengel und der Todesengel (also so die „Punisher“ unter den Engeln) sind die Vollstrecker des göttlichen Gerichts und der Erzengel Michael schützt die Gerechten, achtet auf die Kleinen und die Gemeinden. Doch alle dienen und preisen Gott und versammeln sich in ganzen Heerscharen um ihn. Sie sind also die Armee des Herrn.

Und wie das immer so ist, gibt es „gute“ und „böse“ Engel. Die Guten kennen wir nun bereits. Die bösen Engel haben ihren Platz bei Gott verlassen, sind von ihm abgefallen. Wegen ihres Hochmuts oder des Versuchs, selbst an die Stelle Gottes zu treten, wurden sie aus dem Himmel ausgeschlossen und in die Finsternis verbannt. Der Teufel ist einer dieser verbannten Engel und Widersacher Gottes im Kampf um den Menschen.

Heute ist Michaelis, also das Fest des Erzengel Michaels. Übersetzt man „Michael“ nach seiner hebräischen Bedeutung, so heißt er „Wer ist wie Gott?“. Michael hat seinen größten Auftritt im letzten Buch der Bibel, der Apokalypse. Johannes beschreibt dort eine Vision, in der ein Kampf zwischen den guten und bösen Engelmächten stattfindet. Dort heißt es:
„Und es entbrannte ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften gegen den Drachen. Und der Drache kämpfte und seine Engel, aber sie siegten nicht, und ihre Stätte wurde nicht mehr gefunden im Himmel. Und es wurde hinausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt: Teufel und Satan, der die ganze Welt verführt, und er wurde auf die Erde geworfen und seine Engel wurden mit ihm dahin geworfen.“

Michael wird dort also als Kämpfer beschrieben, der ein Heer in den Krieg gegen Satan führt und gewinnt. Er kämpft gegen die, die sich von Gott abgewandt haben. Sein Name ist also sein Motto: „Wer ist wie Gott?“ Wer wagt es, sich mit dem Herrn zu vergleichen? Wer meint, er wäre höher und besser? Wer will diesem Gott den Rang streitig machen? Er verteidigt die Herrschaft und die Herrlichkeit Gottes mit seinem Leben. Er ist ein himmlischer Krieger, ein Gotteskrieger. In den Apokryphen erscheint Michael auch als Engel, der die guten und die bösen Taten der Menschen aufzeichnet. Im Buch Daniel steht:
„Zu jener Zeit wird Michael, der große Engelfürst, der für Dein Volk eintritt, sich aufmachen. Denn es wird eine Zeit so großer Trübsal sein, wie sie nie gewesen ist, seitdem es Menschen gibt(...). Aber zu jener Zeit wird dein Volk errettet werden, alle, die im Buch geschrieben stehen.“

Wir können also davon ausgehen, dass er einen ziemlich genauen Überblick über das hat, was wir Menschen hier unten so treiben und dass Engel nicht nur zu uns kommen, um uns etwas zu überbringen oder zu vermitteln, sondern dass sie im Gegenzug auch genauen Bericht darüber erstatten, was wir so tun. Wie kommt man also in dieses Buch? Auf diese Art Liste derjenigen, die ihre Zeit nach dem Tod an der Seite Gottes im Paradies verbringen dürfen? Und wann bleibt mir die Tür dorthin verschlossen? Unsere Sünden werden also dokumentiert. Aber es werden nicht die dokumentiert, für die wir um Vergebung bitten, deren wir uns bewusst sind und die wir bereuen; nein, es werden die verewigt, die wir arrogant verdrängen, über die wir hochmütig hinwegsehen und sie verleugnen. Wir haben einen versöhnenden, vergebenden Gott, der uns die Chance gibt, zu unseren Fehlern, egal welche, zu stehen. Er gibt uns die Möglichkeit, ehrlich vor ihn zu treten, um diese Lasten abzulegen, aber er kennt keine Gnade für diejenigen, die sich ihrer Schuld nicht bewusst zu sein scheinen. Sein Heer, seine Gotteskrieger, seine himmlischen Heerscharen, tragen dafür Sorge. Sie sind unter uns, sie sind gegenwärtig, genauso, wie sie auch in Jesu Leben gegenwärtig waren. An allen seinen wichtigen Lebensstationen waren sie da: Bei seiner Auferstehung, bei seiner Himmelfahrt, aber auch schon bei seiner Geburt. Wie sie Jesus Christus gedient haben, so dienen sie auch uns, seiner Gemeinde, seinem Leib. Sie tun für uns, was sie nur können, um uns vor den heimtückischen Attacken des Teufels zu schützen. Sie sind ausgesandt, um uns verteidigen, uns zu beschützen, uns zu helfen. Und im Gegenzug verlangen sie nur eins: Wir sollen preisen den Herrn und uns über seine Einzigartigkeit bewusst sein. Wir sollen wissen, dass die Tür des Herrn für jeden offen steht und sie uns gerne bis dorthin begleiten, aber wir uns über eins bewusst sein müssen:
„Wer ist wie Gott?“ – Niemand.

Amen.

Das Kunstwerk 'Jacob Wrestling with the Angel', Gustave Doré, 1855 ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.