Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten im Jugendgottesdienst: Tears In Heaven

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Predigt „Tears In Heaven“

Gehalten von Katharina Hellwig im Kirchsaal Süd:

Dies ist ein Foto gegen Gewalt und Krieg, Code-Name 'Caliban'

Wenn jemand stirbt, herrscht Ausnahmezustand in der Umgebung der Hinterbliebenen: Jeder nimmt Rücksicht, sogar die, die sonst keine Gnade kennen und sich normalerweise nicht für das Befinden Anderer interessieren. Von allen Seiten strömt Mitgefühl auf einen ein, manchmal sogar viel zu viel. Man wird ohne größere Diskussionen von Klassenarbeiten oder anderen Verpflichtungen befreit und es werden kaum Anforderungen an einen herangetragen. Man kann also deutlich sehen, dass das Thema „Tod und Sterben“ für jeden Einzelnen von uns so sensibel und persönlich ist, dass jeder ahnt, nachempfinden zu können, was einer fühlt, der gerade jemanden verloren hat. Ich habe mich gefragt, woher das kommt, dass ich sogar für den, der mich von der fünften bis zur zehnten Klasse schikaniert hat, Mitleid empfinde, wenn jemand von ihm gegangen ist? Warum sitze ich auch beim zwölften Mal weinend auf dem Sofa, wenn ich meinen Lieblingsfilm schaue und kann nicht cool darüber hinwegsehen, dass der Held am Ende stirbt? Wie erkläre ich mir, dass der Knoten im Hals immer sehr schnell auftaucht, wenn ich Lieder, wie „Tears in Heaven“ höre? Warum wird die ganze Welt bei diesem Thema viel emotionaler als bei anderen?

Ich denke, zum Einen liegt dies daran, dass wir Menschen, die sonst alles können (zum Mond fliegen, Siamesische Zwillinge trennen, den Mount Everest besteigen) hilflos sind, bei diesem Thema. Wir stoßen an unsere Grenzen, weil wir den Tod nicht erforschen oder berechnen können. Wie wir wissen, ist es aber die Natur des Menschen, alles genau erforschen und erklären zu wollen. Wir wissen ja auch schon sehr viel: Wir wissen, wie schnell Licht ist; wir können herausfinden, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird, lange vor der Geburt; wir wissen es chemisch zu erklären, was im Körper passiert, wenn man sich verliebt; wir können in wenigen Stunden mehr als 20.000 km fliegen... doch was den Tod betrifft, sind wir rat- und wissenslos: Wir wissen nicht, wie es sich anfühlt, wenn man stirbt. Wir haben keine Ahnung, welchen Weg man nach dem Tod einschlagen muss oder darf. Wir können uns nicht austauschen oder mit unserem Wissen überbieten, wir müssen uns eingestehen: Der Tod überfordert uns, er ist zu hoch für uns. Er macht uns machtlos. Er kommt, wann er will und wie er es will. Er fragt niemals nach, ob er gebraucht wird, und bittet auch nicht um Erlaubnis, wenn er jemanden mitnehmen möchte. Das Interessante an unserem Verhalten finde ich, dass für uns ein Todesfall meistens schlimmer ist, als ein Abschied, der ein letztes Treffen beendet. Damit meine ich, dass wir trauriger sind, wenn jemand stirbt, als wenn jemand für immer nach Amerika geht. Und warum? Weil bei einem Umzug die Möglichkeit besteht, auch wenn sie vermutlich niemals wahrgenommen werden wird, dass man sich irgendwann mal wieder sieht. Der Tod macht keine halben Sachen, er ist endgültig.

Zum Anderen hat dies vermutlich damit zutun, dass der Schmerz so groß ist. Wir haben jemanden verloren, wir sehen ihn nie wieder, kein Lächeln mehr, keine Umarmung, nichts. Wir sind die, die zurückgeblieben sind! Es tut so weh, wir vermissen ihn so und unsere Welt bricht zusammen. Man weint, man trauert, man würde es so gerne rückgängig und im Vorhinein so viel anders machen… Man fragt sich: Warum ausgerechnet er? Oder: Warum schon jetzt? Und niemand antwortet. Die Fragen bleiben offen und man bleibt allein zurück mit seinen Fragen, seinen Ängsten, seiner Trauer.

So könnten dies zwei wichtige Gründe für unsere Sensibilität sein: Machtlosigkeit und Schmerz.

Da wir also machtlos sind und nichts ändern können, dürfen wir uns also nicht mit dem Verhindern des Todes beschäftigen, sondern mit dem Schmerz danach. Was fangen wir mit ihm an? Wie bearbeiten wir ihn? Werden wir ihn jemals wieder los und: dürfen wir ihn überhaupt wieder loswerden?

Jemand ist gestorben, die Phase des Schocks ist in die der Trauer übergegangen und wir wissen nicht so recht, was wir mit ihr anfangen sollen. Die Last ist kaum noch zu tragen und zu ertragen und das Gefühl des „Verlassenwordenseins“ schleicht sich ein, man kommt sich alleine vor, obwohl es vielleicht vielen anderen Menschen ähnlich geht. Besonders schlimm ist es dann, wenn es sich plötzlich zuträgt, also nicht damit gerechnet wurde, wie zum Beispiel beim Verlieren der Großeltern, die vielleicht sogar noch im Krankenhaus lagen und man Zeit hatte, Abschied zu nehmen und einzusehen, dass die Zeit gekommen ist. Dann, wenn von jetzt auf gleich eine Person aus unserem Leben verschwindet, die wir geliebt haben, kann man der Trauer keinen Ausdruck verleihen. Ein LKW, der zu schnell die Ortsstraße entlang fährt, ein Streit, der mit Gewalt ausgetragen wird, oder ein Fenster, das die Putzfrau vergessen hat zu schließen. Manchmal dauert es nur Sekunden und nichts ist mehr, wie es vorher war. Und dann wird es still um uns und wir haben keine andere Möglichkeit, als in irgendeiner Weise damit zu Recht zu kommen.

Nicht jeder kann sich so einfach mit der Tatsache abfinden, die Sally Field als Forrest Gumps Mutter zum Besten gibt: „Der Tod gehört nun mal zum Leben dazu!“, sagt sie dort. Man muss sich also andere Wege suchen, um die neue Situation bewältigen zu können. Eric Clapton hat dies mit einem Lied versucht und spricht damit noch Jahre nach dem tragischen Unfall Millionen aus dem Herzen. Doch nicht jeder kann dieses Mittel wählen. Wo gehen wir also dann hin? Am Anfang habe ich beschrieben, wie die Umwelt auf uns reagiert, wenn wir trauern. Viele werden es also nachempfinden können, wenn wir uns mit unserer Trauer an sie wenden. Vielleicht können sie uns ermutigen, loszulassen oder Abschied zu nehmen. Vielleicht haben sie praktische Tipps, wie eine lange Reise zu unternehmen, um Abstand gewinnen zu können.

Vielleicht nehmen sie uns aber auch einfach nur in den Arm, hören zu und trocknen unsere Tränen. Andere Menschen helfen uns sicher gerne aus diesem schwarzen Loch. Doch auch wir selbst können uns wieder aufbauen: Wir können beten und darum bitten, dass es demjenigen gut geht, da, wo er jetzt ist. Dass es dort immer warm ist und der blaue Himmel Alltag ist. Dass die Sorgen oder die Krankheit, die er oder sie vorher hatte, Vergangenheit sind. Wir können Gott aber auch einfach dafür danken, dass wir ihn oder sie kennen und/oder lieben durften. Wir dürfen ihn aber auch verfluchen und fragen: Warum denn schon jetzt?? Warum ausgerechnet mein Kind?? Denn auch das bedeutet, dass wir uns mit ihm auseinandersetzen.

Ich denke, dass dies ein wichtiger Teil der Trauerverarbeitung ist, die Auseinandersetzung mit Gott und unserer daraus resultierenden Machtlosigkeit. Um alles begreifen zu können, müssen wir doch hinterfragen, warum es so gekommen ist und uns jedoch auch darüber bewusst sein, dass nicht immer eine Antwort kommt. Manchmal kommt sie jedoch: Die Sekunde, in der der Stein auf dem Herzen leichter wird; der Moment, in dem ein Kind geboren wird; in dem Augenblick, in dem die Trauer zweier Menschen sie wieder zusammengeführt hat. In irgendeiner Weise spendet uns Gott Trost, auch wenn wir es vielleicht auf den ersten Blick oder gar nicht wahrnehmen. Außerdem: Er ist da. Er hat immer Zeit für uns. Zu ihm können wir mit unserer Trauer dann kommen, wenn wir es möchten. Und vor allem hat er uns etwas geschenkt, das uns niemand wegnehmen kann. Etwas, das nur uns gehört und niemals verschwindet, wenn wir es so möchten: Was bleibt, ist die Erinnerung! Die Erinnerung an gemeinsame Momente und Zeiten, an Situationen oder Begebenheiten, an die wir gerne zurückdenken. Die gehören uns und bleiben selbst dann noch, wenn das Gesicht langsam verschwimmt.

Ich möchte meine Worte beenden mit einem Zitat aus einem Lied der Fantastischen 4: „Sterben wirst Du nie, wenn Du in aller Leute Köpfe warst!“

Amen.

Das oben gezeigte Bild gegen Gewalt und Krieg (Code-Name 'Caliban') ist lizenziert unter der Creative Commons–Lizenz „Attribution 3.0 Unported".

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