Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten im Jugendgottesdienst: Johannes 1, 19-28

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Violetter Parament am Altar im Kirchsaal des Gemeindehauses Süd

Vierter Advent Johannes 1, 19-28

Predigt gehalten von Jakob Hellwig im Kirchsaal Süd:

Der vierte Advent ist für mich ein ganz komischer Tag. Er lässt sich so schwer einordnen. Die Adventszeit ist im Prinzip vorbei, aber Weihnachten ist auch noch nicht. Der vierte Advent steht so ein wenig zwischen den Stühlen. Heute ist der Übergang von der Adventszeit in die Weihnachtszeit. Ganz extrem hatten wir dieses Phänomen im Jahr 2006, als der vierte Advent auf Heilig Abend gefallen ist. So hatten wir morgens im Gottesdienst noch einen lila geschmückten Altar. Fünf Stunden später in der Vesper war er weiß.

Dieses Jahr ist es nicht ganz so verwirrend. Aber kommen wir einmal zurück auf das Farbenspiel. Warum wechseln denn die Farben zwischen viertem Advent und Heiligabend?? Die Adventszeit gehört doch eigentlich zu Weihnachten dazu. Da könnte das doch alles gleich bleiben und der Küster sich die Arbeit sparen.

Nein, der Advent ist schon etwas Besonderes. Es ist eine extrem hektische Zeit. Gründe, um in Hektik zu verfallen, braucht man nicht suchen, die kommen ganz von allein. Nicht nur Mütter „müssen“ einen Haufen Geschenke einkaufen und Plätzchen backen, denn immerhin gehört das zu dieser Jahreszeit dazu. Man wird auf zahllose Weihnachtsfeiern eingeladen, im Sportverein, Schulklasse, Beruf etc. Im Beruf wird es anstrengend. Entweder weil man wegen der anstehenden Feiertage mehr zu tun hat, oder da man sich zwischen den Jahren frei genommen hat und noch so viel zu erledigen hat.

Alles in Allem eine wahnsinnig stressige Zeit, die an Heilig Abend ihren Höhepunkt findet und man froh ist, dass man jetzt wieder ca. 335 Tage Zeit hat, alles anders zu machen, um diesem Stress das nächste Jahr zu entgehen.
Genau hierfür steht die Farbe Violett, die unseren Altar auch heute schmückt.
Naja, dass das so nicht stimmt, ist wohl allen Anwesenden klar. Liest man mal nach, was die Farbe Lila am Altar bedeutet, steht dort nicht: „Farbe des Stresses und der Plätzchen“.

Nein, eher das Gegenteilige ist der Fall. Es heißt: „Farbe der Buße und der Bereitung vor den hohen Festen“.

Allein durch diese Farbgebung ist die Adventszeit näher mit der Passionszeit verwandt, als mit Weihnachten. Nur der Name Advent klingt nicht so bedrückend wie Passionszeit, also Leidenszeit. Also wird, statt gefastet, fleißig gefeiert.

Nun kommt meine heutige Predigt natürlich viel zu spät, um daran etwas zu ändern, oder einigen wenigstens ins Gewissen reden zu können. Das hätte ich am ersten Advent gekonnt. Ich rufe den eigentlichen Sinn des Advents deshalb ins Gedächtnis, um zu zeigen, welch seltsame Rolle der vierte Advent in diesem Übergang zwischen Bußzeit und hohem Fest einnimmt.

Die Position, die dieser letzte Sonntag vor Weihnachten jedes Jahr innehat, hatte vor der Geburt Jesu vor gut 2000 Jahren eine Person inne, nämlich Johannes der Täufer.

'Christus erscheint dem Volke', Alexander Andrejewitsch Iwanow, 1837-1857

In der Lesung haben wir das Zeugnis des Johannes über sich selbst gehört. Er wird gefragt wer er sei. Ob er der wiedergekehrte Elia ist, wie es im Buch des Propheten Maleachi prophezeit wird. Oder ob er gar der Messias ist. Beides verneint er. Er weiß, dass er nur ein Wegbereiter ist für einen, der noch kommen wird und versucht sein Wirken nicht in den Vordergrund zu drängen. Er führt mit seinem Aufruf zur Buße und mit dem Taufen mit Wasser die Leute an die Stelle, an der Jesus sie übernehmen und weiterführen wird. Wo Johannes noch mit Wasser tauft, wird Jesus mit dem Heiligen Geist taufen, wie es im weiteren Verlauf des Kapitels heißt.

Johannes steht also historisch an der Stelle, wo heute jedes Jahr der vierte Advent steht, weil er schon weiß, dass demnächst etwas Großes geschehen wird, aber sich selbst nicht als das Große versteht.

So wissen wir auch, dass nächsten Mittwoch Heilig Abend ist, aber befinden uns heute trotzdem noch in der Bußzeit des Advents. Für mich kann man Johannes’ Rolle, wie die Adventszeit, als vorweihnachtlich bezeichnen. Auch wenn die Bibelfesten unter uns gemerkt haben werden, dass Johannes’ Wirken und seine Worte aus der Lesung nicht vor der Geburt Jesu geschehen sind, also im chronologisch-historischem Sinne nicht vorweihnachtlich sind.

Aber was feiern wir denn an Weihnachten? Ja, die Geburt Jesu. Aber wir feiern ja nicht die Geburt um der Geburt willen. Sondern wir feiern mit der Geburt auch das Wirken desjenigen, der geboren wurde. Dadurch wird das Zeugnis des Johannes zu einer vorweihnachtlichen Situation, da das Wirken Jesu noch nicht begonnen hatte.

Weihnachten für sich alleine funktioniert eh nicht. Damit wir einen Grund haben, dieses Fest zu feiern, muss man das gesamte Handeln Jesu einbeziehen und das ganze Kirchenjahr mitbeachten. Wir würden kein Weihnachten feiern, wenn Jesus bei der Hochzeit in Kana nicht das erste Mal „seine Herrlichkeit offenbart“ hätte und somit sich als etwas Besonderes geoutet hat. Auch würden wir kein Weihnachten feiern, wenn Jesus die Bergpredigt nicht gehalten hätte.

Ohne Trinitatis auch kein Weihnachten. Wie sollten wir die Geburt des Sohnes Gottes feiern, wenn es keine Dreifaltigkeit gäbe.

Und an keinem Punkt treffen Wirken und Kirchenjahr so offensichtlich aufeinander wie an Ostern. Ohne Ostern kein Christentum, kein Pfingsten, kein Weihnachten. Weihnachten ist wohl das Fest, das am stärksten in Beziehung zu anderen Feiertagen steht, ohne die es nicht funktionieren würde. Umgekehrt gedacht, liegt hier allerdings auch der Ursprung für den Rest. Und so schließt sich der Kreis des Kirchenjahres, den wir Jahr für Jahr durchlaufen.

Man kann aber nicht das Jahr mit Weihnachten aus dem Nichts beginnen, wenn man die ganze Tragweite und Rückbeziehung auf das Weihnachtsgeschehen verstehen will. Also braucht man eine Zeit der Bereitung, der innerlichen Vorbereitung auf dieses Großereignis. Und genau hier kommt die heutzutage so unterbewertete und bei vielen Leuten in Vergessenheit geratene Zeit des Advents ins Spiel, die nur noch als Verlängerung des Weihnachtsfestes nach vorne verstanden wird. Schön sieht man das in dem Begriff „Vorweihnachtszeit“. Hier ist der Advent schon keine eigenständige Zeit mehr, sondern das Anhängsel an Weihnachten.

Ich bilde mir zwar ein, etwas Besonderes zu sein, nicht zur breiten Masse gehörig, aber in meinem Adventsverhalten unterscheide ich mich kein bisschen vom Rest. Viel arbeiten, auf dem Weihnachtsmarkt Glühwein trinken, Plätzchen backen, im letzten Moment Geschenke kaufen usw. Ich bin also nicht in der Position, oberlehrerhaft euch zu diktieren, wie man den Advent „richtig“ verbringt. Aber ich kann euch vielleicht für 10 Minuten zum nachdenken darüber bringen, was der Advent mehr sein kann, als „nur“ Vorweihnachtszeit mit Teetrinken und angestauten Klassenarbeiten.

Also noch einmal zurück zur Lesung. Johannes erzählt den Männern, die ihn ausfragen, dass bald jemand kommt, bei dem er es nicht einmal wert wäre die Schuhriemen zu lösen. Diese Männer wurden von Pharisäern geschickt. Das sind ja die Kerle, die immer gegen alles sind, was Jesus sagt oder tut. Also kann man davon ausgehen, dass sie die Ankündigung des Johannes auch nicht sehr ernst genommen haben. Und wer mag ihnen das eigentlich verdenken. Wenn wir uns selbst in deren Position versetzen, müssten wir uns doch ehrlich eingestehen, dass wir unseren Lebensstil auch nicht komplett umgekrempelt hätten, nur weil ein dahergelaufener Prediger uns das erzählt. Also fällt die „Adventsstimmung“ auch bei den Fragestellern unter den Tisch. Könnten wir also sagen, dass wir alles richtig machen. Wir verhalten uns genau wie die Typen in der Bibel. Das muss doch das Ziel sein.

Wir haben aber einen sehr entscheidenden Vorteil. Die ganze Wirkensgeschichte Jesu, inklusive Ostern, ist schon passiert. Wir wissen also, dass das was Johannes der Täufer ankündigt, danach auch wirklich eintrifft. Wir können uns also nicht hinter der Ausrede verstecken, dass wir erst einmal abwarten, was so passiert. Es ist nämlich schon passiert. Also wissen wir auch genau, auf was wir uns in dieser Zeit der Bereitung vorbereiten. Auf die Geburt desjenigen, wegen dem wir heute alle hier sind und nicht noch andächtig an der Matratze lauschen. Jetzt erwarte ich nicht, dass alle in der Vorweihnachtszeit sich zu Hause einschließen und intensives Bibelstudium betreiben, um die Tragweite des Weihnachtsfestes besser begreifen zu können und nebenbei noch ihre eigene Sündhaftigkeit erkennen und Buße tun, um auch der Adventszeit als Bußzeit gerecht zu werden. Obwohl das einigen bestimmt ganz gut tun würde. Aber wenigstens ein bisschen darüber nachdenken, was da am 24.12. gefeiert wird, kann nicht zu viel verlangt sein. Und tatsächlich mal eine Bibel in die Hand zu nehmen, schadet dabei sicher nicht. Denn, auch wenn es einige schocken mag, ist Weihnachten ein christliches Fest.

'John Lennon rehearses Give Peace A Chance', Roy Kerwood, 1969

Das wird heute gerne vergessen oder bewusst und erfolgreich verdrängt. Ich habe mir vorgestern auf YouTube das Video von „Happy X-Mas (War is over)“ von John Lennon angesehen. Man kann ja unter die Videos Kommentare schreiben und eines hat mich schwer beeindruckt. Da stand:
„They ruined Christmas when they brought religion into it!”

Sie haben Weihnachten ruiniert, als sie Religion hinein gebracht haben. Wie man sieht, ist es nicht selbstverständlich, dass wir an Weihnachten die Geburt Jesu feiern. Die hier Anwesenden mögen das sicher wissen, aber trotzdem sollte man angesichts einer solchen Entwicklung sich selbst mal fragen, wie sehr feiere ich an Weihnachten eigentlich diese Geburt, und wie viel feiere ich Weihnachten nur wegen der Geschenke, der Familie und den Plätzchen?

Unwissenheit ist traurig, noch mehr ärgert mich aber das bewusste Verdrängen der Religion aus Weihnachten. Im aktuellen Journal Frankfurt ist ein Artikel, der „Anti Weihnachten – 30 Tipps für 3 unheilige Tage“ heißt.

Man kann Weihnachten nicht unheilig feiern. Man feiert dann schlicht und ergreifend kein Weihnachten, sondern tut irgendetwas, was man auch am 17. Juni hätte machen können. Aber allein der Versuch, den Grund für ein Fest aus einem Fest zu verdrängen, finde ich schon sehr dreist. Das ist wie wenn ich den Geburtstag von jemandem feiere, den ich nicht leiden kann und deshalb darauf achte, dass er auf keinen Fall anwesend ist. Wenn ich weiß, dass er seinen Geburtstag in der Batschkapp feiert, gehe ich auf jeden Fall ins Living. Was soll das denn bitte?

Damit man diesen Fehler nicht aus Versehen begeht, haben wir diese wunderbare Adventszeit, die nun noch 3 Tage dauert. Ich gebe jetzt auch keine 30 Tipps für 3 heilige Tage mehr, sondern überlasse das vertrauensvoll jedem für sich selbst. Wem daran etwas liegt, wird seinen Weg finden, Weihnachten bewusst im christlichen Sinne zu feiern. Alle anderen können sich ja das Journal Frankfurt kaufen.

Ich hoffe, dass das, was ich euch gerade erzählt habe, wenigstens ein wenig dazu beigetragen hat, dass das niemand machen wird.

Amen

Der violette Parament am Altar im Kirchsaal des Gemeindehauses Süd stammt von der Paramentik-Werkstatt des Frankfurter Diakonissenhauses.
Das Gemälde 'Christus erscheint dem Volke', Alexander Andrejewitsch Iwanow, 1837-1857, und dessen Reproduktion gehört weltweit zum "public domain". Das Bild ist Teil einer Reproduktions-Sammlung, die von The Yorck Project zusammengestellt wurde. Das copyright dieser Zusammenstellung liegt bei der Zenodot Verlagsgesellschaft mbH und ist unter GNU Free Documentation lizensiert.
Die Photographie 'John Lennon rehearses Give Peace A Chance', Roy Kerwood, 1969, ist lizenziert unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung 2.5.

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