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Predigten im Jugendgottesdienst: Weihnachten im Januar

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Predigt: Weihnachten im Januar

Gehalten von Jakob Hellwig:

'Dürstenden zu trinken geben', 1991 - Walter Habdank. © Galerie Habdank

'Dürstenden zu trinken geben', 1991 - Walter Habdank. © Galerie Habdank

Ich arbeite in einem kleinen Restaurant hier in Sachsenhausen. Dort war ich auch am Dienstag und es war nichts los. Ich habe mich also eine Stunde gelangweilt, habe ein Schnitzel gegessen und mich dann auf den Heimweg gemacht. Kurz vorher habe ich mich noch bei der Köchin, die auch meine Chefin ist, verabschiedet und gesagt, dass ich hoffe, dass am Wochenende mehr los ist. Daraufhin meinte sie, dass das gut sein könnte, da ja ab Freitag Messe sei. Und zwar die „Paperworld – Christmasworld“, irgendwie so etwas.
„Eine Weihnachtsmesse im Januar. Das braucht doch kein Mensch“, habe ich mir gedacht. Da ist man doch gerade froh, dass man es hinter sich hat und das ganze kitschige Zeug wieder tief im Schrank vergraben ist. Auch wenn manche Leute ihren Weihnachtsbaum jetzt noch im Wohnzimmer stehen haben.
Jedenfalls kann mir niemand erzählen, dass er sich am 28.12. schon auf das nächstjährige Weihnachten freut. Abgesehen davon, dass man Geburtstage halt nur ein Mal im Jahr feiern kann, ist das schon ganz gut so, dass Weihnachten nicht monatlich ist.

Ich rede jetzt sehr salopp über Weihnachten, was wohl daran liegt, dass es noch nicht so lange her ist. Denn vor allem im Rückblick ist die Weihnachtszeit immer eine sehr anstrengende. Der Ausblick auf Weihnachten, am besten noch mit einem gewissen Abstand, ist viel mehr mit positiven Erwartungen und Vorhaben gefüllt.

Weihnachten, das Fest der Liebe. Zeit der Besinnung. Zeit für Familie, insofern Familie ein positiv besetztes Wort ist. Weihnachten, das Fest der Nächstenliebe. Die Nächstenliebe hat gegenüber der Liebe zu Partner und Familie einen riesigen Nachteil. Die Nächstenliebe fristet 11 Monate lang ein Schattendasein, um dann in 3 ½ Wochen geballt in die Menschheit zu fahren.

Mit dem ersten Advent macht es irgendwie „Klick“ in den Menschen und alle meinen jetzt, mal zeigen zu müssen wie nächstenlieb sie doch sind. Und am leichtesten kann man das, indem man sich das gute Gewissen erkauft, mit Geld. Also bekommen soziale Einrichtungen und Projekte 90 Prozent ihrer Spenden im Dezember. Man kann natürlich sagen, dass man froh sein sollte, dass die Leute im Dezember soviel spenden, und in Deutschland wird soviel gespendet wie nirgends sonst. Wir sind nicht nur Export- sondern auch Spendenweltmeister. Aber ich nehme die Spendenmenge einfach mal als Indikator für das Zwischenmenschliche allgemein.

In Amerika bündelt sich diese temporäre Hilfsbereitschaft an Thanksgiving. In einer Fernsehserie, die ich gerne gucke, wollen zwei Protagonisten, weil sie nichts Besseres zu tun haben, in einer Suppenküche für Bedürftige helfen. Als sie dort ankommen, ist der Andrang an freiwilligen Helfern so groß, dass sie gar nicht helfen können. Aber anstatt zu sagen, dass sie dann halt eine Woche später helfen kommen, geben sie es einfach auf.

Was ist also im Januar noch übrig von Weihnachten, außer 5 Kilo zu viel um die Hüften?? Natürlich gibt es Ausnahmen. Aber für die Gesellschaft als Kollektiv betrachtet, endet mit dem Weihnachtsfest die Zeit der Nächstenliebe.

In der Lesung wurde gar von Feindesliebe gesprochen. Soweit will ich gar nicht gehen, sonst klingt es träumerisch.

Aber wenn wir schon bei der Lesung sind, ein Teil aus der Bergpredigt, die bekanntermaßen von Jesus gehalten wurde. Für alle, die nicht im letzten Jugendgottesdienst waren, zur Wiederholung: Wir feiern an Weihnachten nicht die Geburt Jesu um der Geburt Willen, sondern wir feiern mit der Geburt das Wirken und die Botschaft Christi.

Diese Botschaft beschränkt sich nicht auf die Zeit um seinen Geburtstag, sondern sollte sich durch das ganze Leben, also durch das ganze Jahr ziehen. Es steht nicht geschrieben „Liebt eure Feinde vom 1. bis 26.12. eines jeden Jahres“, sondern „Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen“ Punkt. Das gilt immer.

Wer sich also nur im Dezember ach so christlich verhält, was er laut der zweiten Hälfte der Lesung übrigens nur im geheimen tun sollte, handelt im Prinzip 11/12 des Jahres unchristlich. Und das kann wohl nicht Sinn der Sache sein.

Jetzt neige ich dazu, Aussagen meiner Predigten am Ende etwas zu relativieren um sie leichter umsetzbar zu machen. Warum 100% fordern und nichts passiert, wenn man bei geforderten 50% wenigsten die Hälfte bekommt. Bei einem Thema wie Sündhaftigkeit oder so hätte ich das jetzt gemacht. Hätte ich die Lesung wörtlich genommen und es wäre um Feindesliebe gegangen, wohl auch. Jetzt da es aber um die Nächstenliebe, im Vergleich zwischen der Weihnachtszeit und dem Rest des Jahres, geht, nicht.

Denn auch im Juni ist es nicht zu viel verlangt, freundlich mit seinem Nächsten umzugehen und das was Weihnachten beinhaltet, für das ganze Jahr als Vorsatz zu haben. Inklusive der Wille zur Vergebung.

Denn dieser ist eigentlich das Wichtigste, was uns Jesus mitgegeben hat. Wenn jeder jedem vergeben kann, wird das Gebot der Feindesliebe nämlich auf Dauer überflüssig. Dann könnte ich mir alles Abschwächen und Relativieren sparen und direkt über Levitikus 19, 18 predigen: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“

Aber dahin kommen wir ganz sicher nicht, wenn wir gute Vorsätze nur im Dezember beherzigen.

Amen

Wir danken Frau Friedgard Habdank sehr herzlich, dass sie uns die Bilder ihres Mannes auf so großzügige und kostenlose Weise zur Verfügung gestellt hat.
© Galerie Habdank, www.habdank-walter.de

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