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Predigten im Jugendgottesdienst: Wer hat die Kokosnuss geklaut?

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Predigt: Wer hat die Kokosnuss geklaut??

Gehalten von Jakob Hellwig:

Backstreet Boys, 2008, Anirudh Koul

Ich gebe es ganz offen zu: Ich war im Januar mit meiner Schwester auf einem New Kids On The Block Konzert. Da diese Band ihre Hochzeit noch vor eurer Geburt hatte, erkläre ich kurz wer das ist:

NKOTB, wie sie liebevoll von Fans genannt werden, waren die erste Boygroup die es gab, noch vor Take That und lange vor den Backstreet Boys. Wenn man sich die Videos von damals anguckt, ist das schon nah am Lächerlichen, aber sie sind halt Kult. Zurück zum Konzert:

Wenn die Saalbeleuchtung ausgeht, kommt ja nicht direkt die Band auf die Bühne sondern es gibt ein Intro, das die Spannung schön aufbaut. Mit bombastischer Musik, Bildern von früher usw. Um uns herum kreischende Frauen Mitte Dreißig. Und hinter Nebelfontänen kommen die fünf Jungs aus dem Boden hochgefahren und das erste Lied beginnt. Von dem hört man nichts, weil das Kreischen alles übertönt. Sehr beeindruckend. Ich habe es keine Sekunde bereut, auf das Konzert gegangen zu sein.

Warum erzähle ich das, außer weil es ein großartiges Erlebnis war?? Ich erzähle es, weil es eine Situation war, wie die anderen, von denen wir in unserem kleinen Liedchen geträllert haben, in der das Auftreten einer oder mehrerer Personen zu einer extremen Reaktion führt. Die Leute nehmen es nicht einfach hin „Achja, da ist ja die Queen.“ und machen danach mit dem weiter, was sie vorher getan haben. Bei prominenten Leuten, die wir regelmäßig von Medien als solche präsentiert bekommen, reagieren die Meisten aufgeregt und erfreut.

So wird auch Jesus in der Palmsonntagsgeschichte sehr überschwänglich begrüßt. Dass das so kam, ist nicht so selbstverständlich wie es scheint. Immerhin gab es damals sehr wenige Fernseher, in denen die Leute Jesus schon einmal hätten sehen können. Außerdem wurde der Tag seiner Ankunft nicht Monate im Voraus im Internet veröffentlicht, sodass sich alle Jesus-Anhänger am Ort seines Erscheinens hätten verabreden können. Die ganze Aktion war also eine spontane Entscheidung. Vielleicht hatten sie ein paar Stunden Zeit, weil jemand der Jesus unterwegs getroffen hatte, vorausgerannt war, um sein Kommen wenigsten ein paar Leuten anzukündigen.

Trotz Abwesenheit des Fernsehers und der Presse wird es sich aber herumgesprochen haben, dass es da einen Wanderprediger aus Nazareth gab, den man sich einmal angucken sollte. Für manche war er schon zu diesem Zeitpunkt mehr. Für sie war er der neue König. Vor allem vor dem Hintergrund, unter einer Besatzungsmacht zu leben, weckte dieser Mann der dort angeritten kam die Hoffnung in vielen, dass sich ihre Lebensumstände verbessern könnten. Und so bescherten sie ihm einen Empfang, der eines Königs würdig sein sollte. Die Palmenwedel sind ein deutliches Indiz dafür, dass sich die Menschen nicht nur einen geistlichen sondern einen politischen Führer wünschten und Jesus diesen Wunsch erfüllen sollte.

Die Palmenblätter haben nämlich eine symbolische Bedeutung. Der ganze Nahe Osten war damals nämlich von den Römern besetzt, auch Jerusalem, wo Jesus jetzt angekommen war. 150 Jahre vorher zog ein israelitischer Heeresführer namens Simon, nachdem er die Burg in Jerusalem von den Seleukiden zurückerobert hatte, dort mit Palmenzweigen ein (1.Mak 13, 51).

'Jesus' Entry into Jerusalem', Giotto di Bondone (1267-1337)

Dass die Leute nun Jesus mit Palmenwedel empfingen, war also eine öffentliche Botschaft an die Römer, die den Missmut der Bevölkerung ausdrückte.

In welchem Verhältnis nun die Zahl derer, die Jesus als politischen Befreier zu denen, die ihn als religiösen Erneuerer sahen, stand, ist schwer zu sagen. Rückblickend kann man allerdings feststellen, dass der religiöse Wandel eindeutig erfolgreicher war als der politische. An der Besatzungsmacht der Römer hat Jesus nichts geändert.

Die geistliche Botschaft jedoch findet heute noch Gehör. Zumindest versucht sie sich Gehör zu verschaffen. Jedoch braucht es, wie bei jeder Konversation, zwei Parteien. Die Botschaft braucht, um zu wirken, einen Zuhörer. Dieser wiederum muss aufgeschlossen genug sein, die Theorie zu überdenken und gegebenenfalls für gut zu befinden.

Zu oft findet man bei Leuten festgefahrene Ansichten, die nicht erschüttert werden können, egal was man ihnen erzählt. Die Offenheit, Neues gelten zu lassen, ist leider keine Selbstverständlichkeit.

Die Menge, die Jesus in Jerusalem willkommen heißt, hat diese Offenheit und bringt sie öffentlich zum Ausdruck. Diese Chance, Jesus persönlich zu begrüßen, haben wir heute nicht mehr. Trotzdem können wir uns diese Geschichte zum Vorbild nehmen.

Die Frau, die sich auf dem New Kids On The Block Konzert die Seele aus dem Leib schreit, tut dies ja nicht aus dem Nichts heraus. Es gibt ja eine Vorgeschichte, die sich nicht so offen zeigt. Bei Boygroups weiß ich nicht genau, wann die erste Sympathie für sie entsteht. Entweder wenn man zum ersten Mal ein Lied von ihnen hört, oder ein Bild von den Jungs sieht. Aus der ersten Sympathie wird Begeisterung, dann Leidenschaft und später vielleicht sogar Hysterie. Diese Hysterie ist das, was man bei Veranstaltungen sieht, nicht die Entwicklung wie es dazu kommt.

Den ersten Kontakt mit den Lehren Jesu hatten die Menschen, die Palmenzweige vor ihn warfen, schon lange vorher. Und sie haben ihnen gefallen. Deshalb der Ausdruck der Sympathie durch die Begeisterung, die die Leute an den Tag legten, als Jesus auf dem Esel angeritten kommt.
Dieser unerzählte Teil der Geschichte ist doch der entscheidende. Ob es jetzt eine Gruppe von Leuten gab, die Palmenblätter vor ihm niederlegten und Hosianna riefen, ist doch eigentlich egal. Wichtig ist, dass dadurch überliefert wird, dass die Botschaft Jesu Anhänger gefunden hat. Dass diese so sehr überzeugt waren, dass sie es öffentlich zur Schau stellten, wohlgemerkt in einem von Römern besetzten Land, spricht natürlich umso mehr für diese Lehre. So haben wohl auch wiederum andere Leute davon erfahren: „Es gibt da etwas, dass so überzeugend und neu ist, dass es sich dafür lohnt, die Gefahr in Kauf zu nehmen, Probleme mit den Römern zu bekommen.“

Jetzt wisst ihr, was der Kern der Erzählung ist. Und mit dem kann man sie auch in die heutige Zeit übertragen.

Das Wichtige ist, sich auf die Lehre einzulassen, um ihr die Chance zu geben, für einen selbst und für andere zu wirken. Vor allem für sich, das „für die anderen“ ergibt sich dann von alleine.

Wenn man also versucht, sich der christlichen Botschaft zu öffnen und sie wirken lässt, kann man jeden Tag seinen eigenen inneren Palmsonntag feiern.

Amen

Die Photographie Backstreet Boys, 2008, Anirudh Koul, ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 2.0 Lizenz.

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