Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten im Jugendgottesdienst: Heul doch

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Predigt „Heul doch“

Gehalten von Jakob Hellwig:

'Petrus und der schreiende Hahn', 1979 - Walter Habdank. © Galerie Habdank

'Petrus und der schreiende Hahn', 1979 - Walter Habdank. © Galerie Habdank

M: Was liest Du denn da?

J: Das Buch der Bücher!

M: Das Grundgesetz? Oder etwa Mein Kampf?

J: Nein. Die Bibel natürlich.

M: Ach so, die dicke Schwarte. Wo bisten’ grade?

J: Matthäus 26, 75: Da dachte Petrus an das Wort, das Jesus zu ihm gesagt hatte: Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er ging hinaus und weinte bitterlich.

M: Oh der Arme. Also Weinen geht ja gar nich. Das ist doch nur was für Mädchen.

J: Hast Du etwa noch nie geweint?

M: Ich – nä. Auf keinen Fall. …. Weinen bringt doch eh’ nix.

J: Klar bringt Weinen was. Danach fühlt man sich frei. Das ist, wie wenn man das Ventil einer Druckluftflasche öffnet. Die Luft entweicht und der Druck auf die Flasche nimmt ab. Die Flasche bist in dem Fall des Weinens dann du! Es ist einfach… ein besseres Wort als befreiend fällt mir nicht ein.

M: Ja und dann? Heulste eine Stunde und was hat’s Dir gebracht außer Durst?

J: Naja, dieser Druck, von dem ich gerade geredet habe, hat ja auch Wirkung auf dein Verhalten und dein Einschätzungsvermögen. Wenn du ihn also losgeworden bist, durchs Weinen, siehst du die Situation ganz anders. So kann es viel einfacher werden, richtige Entscheidungen zu treffen. Das ist wie wenn du dringend pinkeln musst: da kann man sich auch nicht konzentrieren. Den Weg zum Klo kannst du dir sogar sparen. Einfach weinen, dann sieht die Welt schon anders aus. Immerhin ist Petrus mehr oder weniger direkt nach dem Weinen auch Papst geworden.

M: Ei will ich Papst werden oder was?

J: Das ist doch situationsabhängig gemeint. Du sollst natürlich nicht Papst werden. Das hätten auch nicht einmal die Katholiken verdient. Aber nehmen wir doch mal eine typische „Weinsituation“. Ähm… zum Beispiel… genau: Stell dir vor, du willst zum Justin Timberlake Konzert. Und du kommst beim Kartenhändler an und da klebt quer über das Konzertplakat ein Aufkleber mit der Aufschrift: „Ausverkauft“! Zu Hause bist du einfach verzweifelt. Dir ist wirklich zum Heulen zumute. Wenn du es nicht tust, wird der Verzweiflungszustand anhalten. Tust du’s aber, fällt dir viel eher ein, dass man bei Ebay bestimmt noch Karten bekommt. Ich geb’ zu das Beispiel ist nicht das Beste. Aber du könntest ja jetzt mal selbst versuchen, es auf eine Situation aus deinem Leben zu beziehen!

M: Irgendwo hast Du ja Recht. (Geschichte über Vater, Schule, Freundin). Die hatte auch keinen Bock auf Loser.

J: Und da hast Du nicht geweint? Kannst Du mir nicht weismachen.

M: Also mal unter uns… wenn Du’s nicht verrätst…

J: Nee nee, erzähl schon.

M: Ja, also ich hab’ schon mal geweint. Das eine oder andere Tränchen ist geflossen. Ja, gut zwei drei Mal im Monat. Ok, wenn ich ehrlich bin, hab ich das letzte halbe Jahr permanent unter Wasser gestanden. Aber ich mach das halt mit mir selbst aus… sonst geht’s ja auch keinen was an.

J: Hast Du denn keinen Menschen, dem Du alles bedingungslos mitteilen kannst?

M: Nein, also Menschen fallen mir da derzeit echt keine ein.

J: Hast Du’s denn schon mal mit unserem Gott probiert?

M: Ist das der Typ aus Deinem Buch?

J: [ … sprachlos … ]

M: Nee, is' klar, kleiner Scherz. Aber ich weiß’ echt nicht, wie mir der bei meinen Problemen weiterhelfen soll.

J: Es ist doch immer gut, sich Ratschläge bei Älteren zu holen. Und wer könnte älter sein als Gott?

M: Naja, gut, früher hab’ ich mich mit meinem Vater unterhalten… aber das klappt ja jetzt nicht mehr. Dein – oder wie Du meinst – unser Gott wäre mal eine Möglichkeit. Aber wie merk’ ich das, wenn der mir antwortet?

J: Also wenn Dein Nachbar anfängt, 'ne Arche zu bauen, dann ist das schon mal ein deutliches Zeichen. Aber vor allem kann Gott auch diese Ventilfunktion übernehmen, wie das Weinen. Bei Gott bekommst du allerdings das Trösten inklusive. Die frohe Botschaft Gottes kann Trost sein, zu wissen, da ist jemand den meine Probleme interessieren, der zuhört, dem ich Dinge sagen kann, die mir vor anderen peinlich wären. Alles sehr befreiend. Den Kontakt musst du dann halt übers Beten aufnehmen. Die Bibel beschreibt sogar, dass Gott persönlich als Tröster auftritt. In der Offenbarung 21 steht: „und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein.“

M: Sagtest Du Offenbarung 21? Da steht doch auch „Komm, ich will dir die Frau zeigen, die Braut des Lammes.“

J: Äääh ja, aber was hat das damit zu tun?

M: Gar nichts, fiel mir nur gerade ein.

J: Aber Du hast schon verstanden, was ich damit gemeint habe?

M: Ja klar, Ich glaube bei Gelegenheit werde ich Deinem Rat folgen und versuchen, meine Trauer mitzuteilen, zu diskutieren… vielleicht auch mit Gott. Du kannst mir ja dabei noch etwas helfen, die Bibel mehr zu verstehen… alleine Bibel lesen hilft wahrscheinlich wenig weiter.

J: Mache ich gerne, nur heute geht’s nicht mehr. Ich habe jetzt einen Friedhofsbesuch bei meiner Oma vor mir und da weiß ich auch nicht immer, wie ich mich verhalten soll.

M: Heul Doch!

J: [ … peinliche Geste … ]

Wir danken Frau Friedgard Habdank sehr herzlich, dass sie uns die Bilder ihres Mannes auf so großzügige und kostenlose Weise zur Verfügung gestellt hat.
© Galerie Habdank, www.habdank-walter.de

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